Ein Hämatologe beantwortet Fragen zum neusten Stand der Blutkrebsforschung. Dabei geht er auch auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie ein.
Uwe Platzbecker, Professor für Hämatologie der Universität Leipzig und Direktor am Universitätsklinikum, spricht über den Stand der Blutkrebsforschung und den Einfluss der Corona-Pandemie auf die Krankheit.
Wie nah ist die Wissenschaft dem Ziel, Leukämie heilbar zu machen?
„Wir sind [...] nach wie vor nicht an dem Punkt, den wir für unsere Patienten erreichen wollen. Viele Betroffene sterben leider auch heute noch trotz adäquater Therapie. Aber wir haben in den letzten fünf Jahren erhebliche Fortschritte in der Forschung gemacht, vor allem bei der Behandlung älterer Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML), der häufigsten akuten Blutkrebserkrankung. Es gibt neue Kombinationstherapien, die dazu führen, dass etwa zwei Drittel der Patienten in eine Phase der Krankheitskontrolle kommen, die teilweise Jahre andauert. Früher sind viele AML-Patienten im ersten halben Jahr nach der Diagnose verstorben. Jetzt profitieren sie von diesen neuen Forschungsergebnissen. Dies gilt auch für jüngere Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL), für die jetzt CAR-T Zellen zum Einsatz kommen können, eine neuartige Krebsimmuntherapie.“
Wie stark sind die Menschen in Deutschland aktuell von der Krankheit Blutkrebs betroffen?
„Wenn man die Anzahl der Neuerkrankungen betrachtet, dann ist Blutkrebs deutlich weniger häufig als Brustkrebs, Darmkrebs und Lungenkrebs. Aber Blutkrebs im Allgemeinen wird immer häufiger diagnostiziert, weil die Bevölkerung immer älter wird. Der größte Risikofaktor für die Krankheit ist das Alter.“
Wie sehr sind die Forschung und die ärztliche Versorgung dieser Krankheit durch die Corona-Pandemie beeinflusst worden?
„Wir haben bemerkt, dass einige Patienten erst im fortgeschrittenen Stadium ihrer Erkrankung zu uns kamen, weil sie Ärzte viel später aufgesucht haben. Bei uns sind alle Ressourcen in den vergangenen Monaten in den Erhalt der Krankenversorgung geflossen. Der Fokus auf die Forschung ist dadurch nicht immer mit voller Kraft möglich gewesen. Wir haben einige Patienten mit Blutkrebserkrankungen verloren, die sich parallel mit COVID-19 infiziert haben. Wir wissen, dass insbesondere Blutkrebspatienten viel anfälliger sind, an COVID-19 zu versterben als Patienten mit soliden Tumoren, also Krebserkrankungen, deren Ursprung in den Organen liegt.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Leipzig. Das Interview gibt es außerdem hier.
Bildquelle: National Cancer Institute, Wiki Commons