Damit flächige Deckgewebe entstehen, bilden sich zwischen den einzelnen Zellen Haftkomplexe, die mehrere Proteine umfassen. Das Molekül Formin-like 2 erhält dieses Gerüst aufrecht und schützt Epithelien vor Missbildungen, die Krebserkrankungen hervorrufen könnten.
„Unversehrte Deckgewebe sind lebenswichtig“, betont Studienleiter Professor Dr. Robert Grosse; sie kleiden zum Beispiel die Blutgefäße aus. Die korrekte Bildung dieser Gewebe ist auch medizinisch von Belang, hebt der Pharmakologe hervor: „So entstehen Krebserkrankungen oftmals aus geschädigten Epithelien.“ Damit flächige Deckgewebe entstehen, bilden sich zwischen den einzelnen Zellen Haftkomplexe, die mehrere Proteine umfassen. „Im intakten Gewebe sind diese Zell-Zell-Kontakte mit dem Zellskelett verbunden, das aus Aktin besteht“, erklärt Grosse; „aber wo dieses Aktin herkommt und wie es reguliert ist, war bisher nicht vollständig geklärt“. Um die offenen Fragen zu beantworten, experimentierten die Autoren mit Zellen unter natürlichen Wachstumsbedingungen und beobachteten die beteiligten Moleküle in Echtzeit. Die Wissenschaflter verwendeten für ihre Studien ein Substrat, das die dreidimensionale Ausbreitung des Gewebes erlaubt. Grosse und seine Mitarbeiter identifizierten einen Faktor, der an den Kontaktstellen zwischen Epithelzellen des menschlichen Körpers dafür sorgt, dass Gerüste aus Aktin entstehen: Formin-like 2. Wie die Autoren ermittelten, reichert sich FMNL2 an den Kontaktstellen an, durch die sich Zellen zu einem Epithel verbinden. Welche Funktion hat FMNL2 für die Bildung des Aktingerüstes? Dies untersuchte das Team, indem es das FMNL2-Gen ausschaltete – das Ergebnis: Die Aktin-Ketten, aus denen das Gerüst an den Anheftungsstellen entsteht, sind unterbrochen. Schließt das gebildete Epithel einen Hohlraum ein, so ist dieser missgebildet. Ein künstliches FMNL2-Protein kann die Funktion des fehlenden natürlichen Moleküls ersetzen. Ohne Gerüst kein Zusammenhalt: Schaltet man das Protein Formin-like 2 aus, so bilden die betroffenen Epithelzellen (unten) keine Hohlräume, anders als unbehandelte Zellen (oben). © Autoren Die Wissenschaftler fanden auch heraus, dass FMNL2 mit den Bestandteilen des Haftkomplexes zusammenwirkt, zum Beispiel mit den Proteinen E-Cadherin und Rac1. Mithilfe einer Methode mit der man Moleküle gezielt mit Licht aktivieren kann, zeigt sich, dass FMNL2 als auch Aktinfilamente sich innerhalb kürzester Zeit an den Kontaktzonen der Zellen anreichert, nachdem Rac1 angeschaltet wird.
„Das Protein Formin-like 2 ist in vielen Epithelien des menschlichen Körpers vorhanden“, erklären die Autoren zur Bedeutung ihrer Resultate. Die Fehlbildung solcher Gewebe kann zu Krebs führen, etwa zu Brustkrebs. „Wie FMNL2 mit dem Haftkomplex im Detail zusammenwirkt und welche weiteren Moleküle die Haftung zwischen Zellen beeinflussen, muss in künftigen Untersuchungen geklärt werden“, schreibt das Wissenschaftlerteam. Originalpublikation: Junctional actin assembly is mediated by Formin-like 2 downstream of Rac1 Katharina Grikscheit et al.; Journal of Cell Biology, doi: 10.1083/jcb.201412015; 2015