Rhythmische elektrische Entladungen in Nervenzellen führen zur Ausschüttung des körpereigenen Proteins BDNF und bauen somit eine Gedächtnisspur auf. Diese Erkenntnis könnte die Entwicklung von Therapien gegen Alzheimer und andere Demenzformen forcieren.
Rhythmische elektrische Entladungen in den Nervenzellen des menschlichen Gehirns entscheiden darüber, welche Informationen an den Synapsen abgelegt werden und somit das Gedächtnis aufbauen. Neurowissenschaftler wissen seit Jahrzehnten, dass der sogenannte Theta-Rhythmus im Gehirn hier eine besonders wichtige Rolle spielt. Welche zellulären und biochemischen Reaktionen es aber ermöglichen, dass dieser Rhythmus elektrischer Signale in einer Nervenzelle in eine Gedächtnisspur umgeschrieben wird, ist in großen Teilen noch nicht verstanden. Dr. Elke Edelmann vom Institut für Physiologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) und Kollegen zeigen nun, dass der Wachstumsfaktor BDNF hier eine wichtige Rolle spielt. „BDNF unterstützt vor allem das Überleben und Wachstum von Nervenzellen im kindlichen Körper“, so Prof. Volkmar Leßmann, ebenfalls vom Institut für Physiologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU). „Bei Erwachsenen ist BDNF hingegen vor allem für die Informationsspeicherung im Gehirn verantwortlich.“ Die zellulären Prozesse, die durch BDNF die elektrischen Signale in eine Gedächtnisspur umbauen, waren bisher aber weitgehend ungeklärt. Prof. Leßmann: „Man weiß schon seit den achtziger Jahren, dass wiederholte kurze Salven von Aktionspotenzialen (Theta-Salven) immer genau dann im Gehirn beobachtet werden können, wenn unser räumliches Gedächtnis arbeitet. Unsere Arbeiten zeigen nun, dass diese Theta-Salven zur Ausschüttung von BDNF führen und so synaptische Verknüpfungen langanhaltend verstärken.“
Wenn man bedenkt, dass die Synthese des körpereigenen BDNF bei der Alzheimer-Erkrankung deutlich abnimmt, wird schnell klar, dass alle Prozesse, die dazu beitragen, dass dieser Wachstumsfaktor auch im alternden Gehirn ausreichend zur Verfügung steht, sich positiv auf die Erhaltung der Gedächtnisleistung auswirken sollten. Diese Zusammenhänge werden von den Magdeburger Physiologen mit Kollegen des Universitätsklinikums und des Magdeburger Standortes des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) am Menschen untersucht. Da BDNF die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann, findet sich der Wachstumsfaktor auch im Blut, und ist somit gewissermaßen ein Spiegel des BDNF-Gehalts des Gehirns. Aus Experimenten an Ratten und Mäusen weiß man, dass Ausdauersport den BDNF-Gehalt im Gehirn erhöht. „Zusammen mit Neurologen der Universitätsmedizin Magdeburg versuchen wir jetzt herauszufinden, ob sich beim Menschen aus dem BDNF-Gehalt des Blutes Aussagen über das Aufhalten einer Demenz-Erkrankung machen lassen“, so Prof. Leßmann. Originalpublikation: Theta burst firing recruits BDNF release and signaling in postsynaptic CA1 neurons in spike timing-dependent LTP Volkmar Leßmann et al.; Neuron, doi: 10.1016/j.neuron.2015.04.007; 2015