Fast jeder zweite Patient mit Morbus Alzheimer erlebt psychotische Episoden, die sich kaum behandeln lassen. Deshalb setzten Ärzte große Hoffnungen in ein Pharmakon, das bei Parkinson-Psychosen in den USA bereits zugelassen ist. Sie wurden bitter enttäuscht.
Demenzerkrankungen wie die Alzheimer-Krankheit gehen in fortgeschrittenen Stadien mit Unruhe, wahnhaften Vorstellungen, Sinnestäuschungen, Angst oder Aggressivität einher. Hier würden sich Antipsychotika eignen. Die Wirkstoffe haben jedoch gewaltige Nachteile. Sie führen bei den größtenteils betagten Patienten zur Sedierung und damit zu häufigeren Stürzen. Außerdem verschlechtert sich die Gehirnfunktion. Neurologen oder Psychiater wünschen sich schon lange geeignete Wirkstoffe. Jetzt hat Clive Ballard von der University of Exeter untersucht, ob sich das Neuroleptikum Pimavanserin eignen könnte.
Auf Basis von Phase-3-Studiedaten hat die FDA Pimanvaserin Mitte 2016 bei Parkinson-Psychosen zugelassen. Im Gegensatz zu anderen Antipsychotika ist Pimanvaserin kein Dopaminantagonist, sondern interagiert als Antagonist des Serotonin-5-HT2A-Rezeptors. Das erklärt, warum typische Nebenwirkungen nicht auftreten. Ballard hoffte, dass sich der Arzneistoff auch bei Alzheimer-Psychosen eignen könnte. In Pflegeeinrichtungen fand sein Team 347 potenziell geeignete Patienten. Von ihnen wurden 181 mit Morbus Alzheimer und psychotischen Symptomen für die Studie rekrutiert. Sie erhielten zwölf Wochen lang randomisiert Pimavanserin (n=90) oder Placebo (n=91). Als primären Endpunkt definierten die Forscher Änderungen im Neuropsychiatric Inventory Nursing Home Version (NPI-NH) Psychosis Score, einem speziellen Fragebogen. Zu Beginn gibt Ballard 9,5 (Pimavanserin-Gruppe) bzw. 10,0 Punkte (Placebo-Gruppe) an. Höhere Werte stehen im Score für größere Beschwerden. Nach sechs Wochen änderte sich der Score signifikant um -3,76 versus -1,93 Punkte. Nach zwölf Wochen allerdings verschwand jeglicher Unterschied zwischen beiden Gruppen. Unerwünschte Effekte, allen voran Stürze (21 versus 21), Infektionen des Urogenitalsystems (20 versus 25) und Agitationen (19 versus 13) waren in beiden Gruppen ähnlich.
Ballard hat seine Arbeit nach den Standards randomisierter kontrollierter klinischer Studien aufgebaut. Methodisch ist ihm nichts vorzuwerfen. Um psychotische Symptome zu quantifizieren, wird kein Forscher ohne Fragebögen, also Scores, auskommen. Wie es zu den Unterschieden kommt, lässt sich derzeit nicht sagen. Lon S. Schneider von University of Southern California schreibt im begleitenden Kommentar, selbst nach sechs Wochen sei der Effekt eher als schwach zu bewerten. Insgesamt könnten die Ergebnisse „weder als positiv noch als klinisch bedeutsam“ eingestuft werden. Das entspricht auch Clive Ballards Fazit: Momentan wird es keine Phase-3-Studie, die eine wichtige Zulassungsvoraussetzung wäre, geben. Quelle: Evaluation of the safety, tolerability, and efficacy of pimavanserin versus placebo in patients with Alzheimer's disease psychosis: a phase 2, randomised, placebo-controlled, double-blind study. Clive Ballard et al.; The Lancet Neurology, doi: 10.1016/S1474-4422(18)30039-5; 2018