Zwei Patienten erhalten dieselbe Diagnose: Krebs. Aber warum spricht nur einer der beiden Patienten auf eine identische Behandlung an? Und wie kann jedem Patienten eine individuelle und auf ihn abgestimmte Therapie ermöglichet werden? Antworten liefern große Datenmengen (Big Data) und moderne Analyseverfahren mit selbstlernenden Algorithmen (künstliche Intelligenz).
In den letzten Jahren haben Medizin und Forschung stark vom technischen Fortschritt profitiert. Die verwendeten Methoden sind präziser und qualitativ hochwertiger geworden, was immer tiefere Einblicke in die Biologie und Physiologie des Menschen erlaubt.
Eine Möglichkeit zur Nutzung dieser Methoden bieten umfassende molekulargenetische Analysen mittels Next Generation Sequencing (NGS). Es kann beispielsweise verwendet werden, um die einzigartige genetische Information für einen bestimmten Tumor im Patienten zu identifizieren und gibt Auskunft darüber, in welchen Genen sich Veränderungen befinden. Darüber hinaus werden durch ein umfassendes Tumorprofiling auch genomische Signaturen wie die Tumormutationslast und die Mikrosatelliteninstabilität des Tumors ermittelt.1,2 Es gibt einige Anbieter für umfassende genomische NGS Analysen, diese werden sowohl in-house als auch als send-out Lösung angeboten. Ein kommerzieller Anbieter, der dies leistet, ist beispielsweise Foundation Medicine.
Untersuchungen wie das NGS generieren große Mengen an Daten. Somit erfordert der Fortschritt in Analysemethoden auch die notwendige Informationstechnologie, um die produzierten Daten zu verarbeiten, zu analysieren und in den wissenschaftlichen Kontext einzuordnen.1
Im Zentrum dieser Analysen stehen bioinformatische Algorithmen, die aus den erhobenen Daten entscheidende Informationen extrahieren. Sie können nicht nur klassifizieren, ob es sich bei einer Tumorprobe um einen benignen oder malignen Tumor handelt. Es können auch Modelle erstellt werden, die Hinweise auf den zu erwartenden Krankheitsverlauf geben oder voraussagen, wie gut ein Patient auf eine bestimmte Therapie ansprechen wird.2
Für eine möglichst präzise Vorhersage werden u.a. auch anonymisierte Daten früherer Krankheitsverläufe oder aus populationsbasierten Studien einbezogen. Mit jedem neuen Datensatz kann der Algorithmus „lernen“, welche genetischen Risikofaktoren zu welchem Krankheitsphänotyp gehören oder welche Tumormarker entscheidend für die Aggressivität des Tumors sind.1,2
Neben den Daten aus der molekularpathologischen Diagnostik, werden auch weitere krankheitsrelevante Daten integriert. Dazu zählen unter anderem Daten aus der Bildgebung, Histologie, Immuntherapie oder Informationen zu operativen Eingriffen.1 Der Zugang zu diesen gebündelten Datensätzen erfordert jedoch eine digitale Infrastruktur, welche die Kompetenzen aus IT, Forschung und Medizin vereint und damit den Grundstein für die personalisierte Medizin legt.3
Aufgrund der unterschiedlichen Quellen von Daten wird die Verarbeitung oft zur Herausforderung. Denn viele Daten liegen derzeit noch häufig in Papierform vor und entsprechen nicht immer denselben qualitativen Ansprüchen.3 Um eine digitale Infrastruktur zu realisieren, müssen einheitliche Qualitätsstandards sowie eine klare Struktur der Daten geschaffen werden.1,3
Wie eine solche digitale Infrastruktur umgesetzt werden kann, zeigt beispielsweise Flatiron Health in Kooperation mit Kliniken und Forschungseinrichtungen in den USA. Mittlerweile wurden Daten von mehr als zwei Millionen Krebspatienten standardisiert erfasst, miteinander vernetzt und für die Kliniken und Wissenschaft nutzbar gemacht.3
Dabei hat ein verantwortungsvoller Umgang mit personenbezogenen Daten höchste Priorität. Für die Umsetzung muss daher der Schutz aller Daten garantiert werden. Das ist durch ihre Pseudonymisierung möglich, wobei die Patientendaten verschlüsselt und somit nicht mehr direkt einer Person zugeordnet werden können. Damit wird weiterhin der Datenschutz des Individuums gewährleistet, während die Daten, in aggregierter Form, durch Forschende und Mediziner weiterverarbeitet werden können.1,3
Die Generierung und Weiterverarbeitung von Daten bietet die Möglichkeit, individuellere Therapieentscheidungen zu treffen. So ermöglichen molekulargenetische Methoden wie das umfassende Tumorprofiling ausreichend Patientenpopulationen abzubilden, um allgemeingültige Erkenntnisse daraus zu gewinnen.1
Anhand der Informationen aus dem Tumorprofiling können beispielsweise Onkologen ablesen, wie sich der Tumor eines Patienten mit der Zeit verändert und die bestmögliche Therapie auswählen.1 Steht derzeit keine passende Therapie zur Verfügung, kann molekulares Profiling den Zugang zu klinischen Studien ermöglichen. Denn manche Medikamente haben möglicherweise noch keine Zulassung erhalten, werden jedoch in klinischen Studien getestet, die Patienten mit bestimmten Krebsarten oder genomischen Ergebnissen rekrutieren.
Darüber hinaus können digital zur Verfügung gestellte, individuelle Patientendaten aus der klinischen Praxis auch anderen Patienten helfen. Denn die Bündelung der Daten kann zur Identifizierung neuer potenzieller Therapieziele beitragen.1
Die Generierung von Big Data und die Digitalisierung kann nicht nur dabei helfen, Krankheiten wie Krebs zu überwachen oder neue Ansatzpunkte für die Behandlung zu finden. Real World Daten, wie sie auch über Gesundheits-Apps oder Wearables erfasst werden, könnten zukünftig auch zur Erstellung von Risikoprofilen genutzt werden. Es könnten Algorithmen entwickelt werden, die beispielsweise anhand von Bewegungsmustern Auffälligkeiten bei einzelnen Patienten erkennen. Weicht ein aufgenommenes Bewegungsprofil von den Mustern anderer Patienten ab, könnte eine Erkrankung frühzeitig erkannt und adressiert werden.
Die Entwicklung solcher Verfahren, aber auch die Verfügbarkeit und die Verknüpfung von Big Data kann somit die medizinische Versorgung weiter verbessern. Der Erfolg der personalisierten Medizin steigt demzufolge mit dem digitalen Fortschritt.2
Referenzen: