Eine kleine Revolution bahnte sich an: Apotheker sollten Depotarzneimittel zur Substitution spritzen dürfen. Aber halt – während die subkutane Injektion Heilpraktikern längst erlaubt ist, schauen wir jetzt doch weiter in die Röhre.
Zunächst schien es so, als wären die Pharmazeuten dem Applizieren subkutaner Arzneimittel ein wenig nähergekommen. Doch was der Gesetzgeber dem Heilpraktiker ohne Bauchschmerzen erlaubt, das darf der Apotheker noch lange nicht. Und die kleine Revolution, die sich in einem Referentenentwurf zu einer Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) anbahnte, wurde nun definitiv gestoppt.
Hintergrund war die EMA-Zulassung eines subkutan zu verabreichenden Depotarzneimittels zur Substitution mit dem Wirkstoff Buprenorphin. Buvidal® ist ein Depot-Buprenorphin, das opioidabhängigen Menschen nur einmal pro Woche oder Monat subkutan injiziert werden muss. Es ist das Referenzmedikament zu Subutex®. Statt also täglich beim Arzt oder wöchentlich in der Apotheke (bei „Take-home-Verordnungen“) vorstellig zu werden, genügt eine Anwendung für einen längeren Zeitraum.
Das ist bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft und für einen weitgehend normalen Lebensrhythmus ein ungeheurer Gewinn. Die Gefahr, dass sich Unbefugte Zugang zum Substitutionsarzneimittel beschaffen, entfällt und damit auch die potenzielle Gefährdung von Kindern, die im gleichen Haushalt wie der substituierte Patient leben. In Zeiten der Pandemie kommt hinzu, dass sie sich nicht täglich in Arztpraxen der Gefahr einer Corona-Infektion aussetzen müssen.
Die Problematik bei diesem Depot-Medikament ist die Form der Verabreichung, denn es darf nur streng subkutan, nicht intravaskulär, intramuskulär oder intradermal angewendet werden, um Gewebeschädigungen, insbesondere thromboembolische Ereignisse, zu verhindern. Dieses Substitutionsarzneimittel konnte ja nun nicht dem Patienten „zum unmittelbaren Verbrauch überlassen“ werden, wie es wörtlich in der BTMVV hieß und eine Umformulierung des Textes musste vorbereitet werden. Diese Anpassung wurde zum 18. Mai 2021 vorgenommen, und damit die Substitution durch das Apothekenpersonal ausgeschlossen. In §5 Absatz 10 Satz 3 heißt es wörtlich:
Die Zulassung des subkutan zu verabreichenden Depotsubstitutionsarzneimittels sieht laut Fachinformation ausschließlich eine Anwendung durch medizinisches Personal vor.
Die ABDA hatte es in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf noch ausdrücklich begrüßt, dass Apotheken „auch zukünftig bei der subkutanen Verabreichung von zugelassenen Depotsubstitutionsmitteln eingebunden werden können“. Sie bat nur um eine rechtsverbindliche Formulierung, da aufgrund der genannten Zulassungsformulierung nur medizinischem Personal das Recht zur subkutanen Verabreichung eingeräumt wird, da „Aufsichtsbehörden oder Strafverfolgungsorgane eine Anwendung durch pharmazeutisches Personal der Apotheke als rechtswidrig erachten“ könnten.
Nun ist klar, auf welchem Platz die Apotheken weiterhin stehen und dass sie praktisch von der Substitutionsvergabe von Depotmedikamenten ausgeschlossen sind. Das BMG erklärte dieses Vorgehen damit, dass die Risiken einer Verabreichung mit der neuen Darreichungsform ausschließlich durch medizinisches Fachpersonal verringert würden. Also ist es Apothekern selbst nach einer entsprechenden Weiterbildung weiterhin nicht möglich, subkutane Injektionen vorzunehmen.
„Quod licet iovi non licet bovi“ – für den Plan, dass es in absehbarer Zeit in den Apotheken möglich sein wird, dort seine jährliche Grippe- oder vielleicht auch Corona-Impfung zu erhalten, erscheint diese Entscheidung als Rückschritt.
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