Bei Hunden verläuft eine Schokoladenintoxikation häufig letal. Katzen flippen bei Baldriangeruch aus. Und wenn ein Hund unter Durchfall leidet, kann die Verabreichung von Loperamid tödlich enden. Für uns harmlose Nahrungs- oder Arzneimittel sind für Haustiere höchst gefährlich.
Veterinärpharmakologie ist sehr komplex. Zahlreiche Humanarzneimittel können für Tiere hochgiftig wirken. Obwohl in 43 Prozent der deutschen Haushalte ein Tier lebt, wissen viele nicht, wie gefährlich Weintrauben, Paracetamol, Flurbiprofen oder etwa Zwiebel- und Lauchgewächse sein können. So kann Knoblauch bei Katzen zur Anämie führen und eine Behandlung mit Teebaumöl endet für sie in manchen Fällen tödlich. Bei Hunden verläuft eine Schokoladenintoxikation häufig letal. Besonders zu Ostern steigt die Gefahr an, da Hunde übersehene Schokoladenostereier fressen. Pharmakologie ist schon bei uns Menschen gar nicht so einfach. Da wäre zunächst die unterschiedliche Pharmakokinetik bei Männern und Frauen. Dann kommen noch die unterschiedlichen Phänotypen der Asiaten, Kaukasier, Europäer etc. hinzu. Im Vergleich zur Veterinärpharmakologie und –toxikologie ist die Pharmakokinetik des Menschen jedoch fast ein Kinderspiel. Die als Biodiversidität bezeichnete Artenvielfallt der Tiere ist schier unermesslich. Forscher schätzen, dass 80 Prozent der Tierarten noch unentdeckt sind. Nach neueren Schätzungen existieren etwa 9 Millionen Tierarten auf der Welt. Theoretisch hat jede Art ihre eigenen pharmakologischen Gesetzmäßigkeiten. Die Anzahl der Tierfreunde, die sich eine Zauberhutspinne oder einen 414-beinigen Tausendfüßler (Illacme tobini) halten, wird jedoch eher gering sein. Doch auch bei Haustiere wie Hunden, Katzen, Nagern, Reptilien gibt es extreme artspezifische Besonderheiten.
Websites für Haustierbesitzer warnen ausdrücklich: „Weintrauben und Rosinen sind tödlich für Hunde“. Mythos oder Fakt? Die britischen Giftzentrale für Veterinärmedizin in London hat die Daten von 169 Intoxikationen bei Hunde ausgewertet. 101 Hunde blieben nach dem Genuss von Weintrauben symptomfrei, 68 entwickelten klinische Symptome wie Apathie, Erbrechen, Durchfall und akutes Nierenversagen. Von ihnen erholten sich 50 wieder vollständig, ein Hund erkrankte chronisch. Für 13 Tiere endete der Genuss tödlich und zwei Tiere mussten eingeschläfert werden. Oligurie, Anurie, Polydipsie, Proteinurie und erhöhte Nierenwerte wurden bei nahzu allen verstorbenen Tieren dokumentiert. Pathohistologisch zeigten betroffene Tiere Nekrosen der Nierentubuli. Die Vergiftungsbeschwerden waren teilweise dosisabhängig. Jedoch blieben auch bei einigen Hunden Beschwerden aus, die ein Kilo Rosinen vertilgt hatten. Es scheint also rassentypische toxikologische Unterschiede zu geben, die bis jetzt unzureichend erforscht sind. Eine Weintraubenvergiftung kann bereits bei Aufnahme von 10 g Weintrauben/kg Körpergewicht beziehungsweise weniger als 2,8 g Rosinen/kg Körpergewicht auftreten. Warum Trauben und Rosinen eine Toxikose auslösen, ist nicht eindeutig geklärt. Die Ursache könnte ein bis dato unbekanntes Nephrotoxin in Trauben und Rosinen sein. Auch Fungizid-, Herbizid- oder Pestizid-Kontaminationen der Trauben und Rosinen werden diskutiert, ebenso wie Schwermetallbelastungen, hohe Vitamin D-Konzentationen oder Mykosen der Frucht. Bisher wurden verdächtige Trauben und Rosinen auf verschiedene Pestizide, Schwermetalle und Mykotoxine untersucht, aber alle Ergebnisse waren negativ, auch spezielle nephrotoxische Gifte wurden nicht gefunden, so ein Bericht vom Department of Small Animal Clinical Sciences, Texas, USA. Im Gegensatz zu Vergiftungen beim Menschen wird beim Hund zum provoziertem Erbrechen geraten. Aktivkohle wird als Adsorbens eingesetzt.
Nicht nur Pflanzen können für Haustiere gefährlich werden, auch für den Menschen harmlose Substanzen können für bestimmte Tierspezies gefährlich werden. Früher wurde angenommen, dass der Zuckerersatzstoff Xylit bei Hunden nur Hypoglykämien auslösen kann. Studien belegen, dass Xylit (E967) bei Hunden lebensbedrohliche Lebernekrosen hervorrufen kann. Bei Menschen führt der Verzehr von > 130 g/Tag Xylit zu Durchfall, aber zu keinen anderen Anomalien. Ganz anders bei Hunden. Ein möglicher Mechanismus hinter der Lebertoxizität ist: Xylitol und seine Metaboliten bauen Adenosintriphosphat in der Leber ab. Ohne adäquates Adenosintriphosphat ist die Leber nicht in der Lage, eine normale Zellfunktion aufrechtzuerhalten und es kommt zu zellulärer Nekrose. Ein anderer schädigender Mechanismus könnte die Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies sein, die sich negativ auf zelluläre Komponenten auswirken können. Hunde werden durch Lebernekreosen und Koagulopathien vital bedroht.
Auch bei xylitfreier Schokolade ist jedoch für Hunde keine Entwarnung gegeben. Die Schweizer Vergiftungszentrale Toxinfo warnt Hundebesitzer davor, dass ihre Tiere keine Schokolade fressen dürfen. Schokolade enthält zwei Arten von Methylxanthin, Theobromin und Koffein, deren Mengen je nach Art der Schokolade variieren. Im Rohkakao sind bis zu 35 mg Theobromin pro Gramm enthalten. In heller Milchschokolade sind es 2 mg, in dunkler Schokolade bis zu 26 mg. Bei Hunden kommt es bei der Aufnahme von 20 mg/kg Körpergewicht zu Agitiertheit, ab 40 mg/kg Körpergewicht wirken die Xanthinderivate kardiotoxisch und können zu schweren ZNS-Schäden führen. Die zentrale analeptische Wirkung der Methylxanthine beruht auf einer kompetitiven Blockade der Adenosinrezeptoren. Die peripheren Wirkungen und die Wirkungen am Herzen entstehen durch Hemmung der Phosphodiesterase. Besonders zu Ostern und Weihnachten steigt die Gefahr von Schokoladenintoxikationen extrem an, da Hunde übersehene Schokoladenostereier und -weihnachtsmänner fressen. Laut einer Studie der University of Liverpool müssen zu keiner Zeit so viele Haushunde wegen akuter Schokoladenvergiftung behandelt werden, wie kurz nach dem Christfest. Die meisten Hunde hätten nach dem Fressen von nur geringen Mengen schon Vergiftungserscheinungen gezeigt.
Bei Katzen und Ratten ist die Fähigkeit der Glucoronidierung eingeschränkt. Auf diesem Weg wird Paracetamol hepatisch entgiftet. Diese Spezies führen eine Sulfatierung durch, was zu toxischen Paracetamolmetaboliten führt. N-Acetyl-p-benzoquinonimin (NAPQI) ist ein Metabolit, der bei einer Überdosierung auch beim Menschen für die Giftigkeit verantwortlich ist, bisher wurde angenommen dass NAPQI auch bei Hunden, Katzen und anderen Spezies die Intoxikation auslöst. In einer Studie von Conkey et al. wird auf andere toxische Metabolite hingewiesen. Bei Hunden und Katzen verursacht Paracetamol eine Methämoglobinämie und Hämolyse. Die Studienautoren vermuten, dass Para-Aminophenol (PAP) und nicht NAPQI diese Schädigungen auslöst. Erythrozyten von Hunden, Katzen, Mäusen und Ratten wurden in vitro Paracetamol, NAPQI und PAP ausgesetzt. Nur PAP induzierte eine Methämoglobinbildung. Der Effekt war bei Erythrozyten von Hunden und Katzen stärker ausgeprägt als bei Mäusen und Ratten.
Katzen reagieren noch mal empfindlicher auf Paracetamol als Hunde. Katzen fehlt für die Metabolisierung das Phenol-UDP-Glucuronosyltransferase (UGT)-Enzym. Paracetamol, das Narkosemittel Propofol und das in der Veterinärmedizin eingesetzte Opioidanalgetikum Carfentanyl werden hierüber verstoffwechselt. Katzen fehlen noch zahlreiche weitere Enzyme. Da bei ihnen auch die Glycin-Kunjugation langsamer verläuft, vertragen sie auch Acetylsalicylsäure schlecht. Paracetamol ist ein Phenolderivat. Katzen vertragen auch keine anderen phenolischen Verbindungen. Teebaumöl etwa wird als wirksam gegen Flöhe propagiert. Die enthaltenen phenolischen Verbindungen können bei Katzen jedoch zu Ataxie, Muskelkrämpfen und im schlimmsten Fall zum Tod führen. Metamizol wird von Katzen gut vertragen. Jedoch ist darauf zu achten, dass die Injektionslösung häufig Benzylalkohol als Konservierungsmittel enthält, was bei Katzen zu Unverträglichkeiten führt. Eine Übersicht, welche Analgetika für Kleintiere geeignet sind, ist in einer Übersichtsarbeit der Tierärztin Sabine Wanderburg in der Deutschen Apotheker Zeitung nachzulesen.
Die FDA hat in einer Pressemitteilung Katzenbesitzer sowie Apotheker und Tierärzte vor topischen Zubereitungen von Flurbiprofen gewarnt. Der Wirkstoff ist in den USA als Wirkstoff in Rheumasalben enthalten. Einige Katzen haben wohl geringe Mengen aufgenommen und haben sich so teilweise tödlich vergiftet. Im Jahr 2017 wurde erstmalig von einer felinen Vergiftung durch Flurpiprofen berichtet. Die Katze hatte Kontakt zu einer flurbiprofenhaltigen Rheumasalbe und wurde als Notfall mit einer schweren Anämie in eine Tierklinik eingeliefert. In Deutschland ist Flurbiprofen als Spray und Lutschtabletten gegen Halsschmerzen enthalten.
Das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit warnt Tierhalter außerdem davor, Humanarzneimittel beim Haustier anzuwenden. Wenn ein Hund unter Durchfall leidet, leiden Herrchen und Frauchen mit, in jeder Beziehung. Was spricht also dagegen, dem Hund freiverkäufliches Loperamid zu verabreichen? Vieles, denn es könnte passieren, dass der Vierbeiner erst total ausflippt und anschließend an einer Atemdepression verstirbt. Für beispielsweise Collies und zahlreiche andere Hunderassen kann das Antidiarrhoicum Loperamid lebensgefährlich werden, warnt der Tiertoxikologe Prof. Dr. Joachim Geyer von der Uni Gießen. P-Glycoprotein oder MDR1 (multidrug resistance Gen) sind als Arzneistofftransporter aktiv. Zahlreiche Hunderassen haben einen MDR-1-Gendefekt der dazu führt, dass viele Arzneistoffe ins Gehirn gelangen. Antibiotika, Antiarrhythnika, Antiemetika und Antiepileptika sind davon betroffen. Bisher glaubte man, dass nur Collies von dieser Genmutation betroffen sind. Aktuelle Studien sprechen dafür, dass über 2.000 Hunderassen Träger der Genmutation sind.
Abschließend bleibt noch zu erwähnen, dass die Alliumarten Zwiebel, Schnittlauch, Knoblauch und Schalotten für Katzen und Hunde Giftpflanzen sind. Auch in gekochter Form verlieren sie für ihre Toxizität nicht. Die enthaltenen Organosulfoxide sind starke Blutgifte. Bei bestimmten Spezies bildet sich Sulfhämoglobin, das erheblich weniger löslich im Vergleich zu Hämoglobin ist. Die Sauerstofftransportkapazität nimmt ab und es kommt zur Hämolyse. Hunde und Katzen sind sehr anfällig für eine Zwiebeltoxikose: Der Verzehr von nur 5 g Zwiebeln/kg Körpergewicht bei Katzen oder 15 bis 30 g Zwiebeln /kg Körpergewicht bei Hunden führt zu klinisch bedeutsamen hämatologischen Veränderungen. In der Broschüre „Unverträgliches und Giftiges für Hunde“ können sich Haustierbesitzer informieren. Trotz aller veterinärmedizinischer Forschung ist ein Mysterium noch ungeklärt: Warum haben Katzen unfassbare Angst vor Gurken? Diese „Cucumiphophie“ ist in zahlreichen Videos dokumentiert –arme traumatisierte Felidae.