Kopfschmerzen? Da greift man schnell zu ASS. Ob die plättchenhemmenden Eigenschaften auch den Verlauf von COVID-19 begünstigen können? Auf diese Frage haben Forscher jetzt eine Antwort.
Das britische Projekt „RECOVERY“ wurde als randomisierte klinische Studie etabliert, um eine Reihe potenzieller Behandlungen für hospitalisierte COVID-19-Patienten mit bereits zugelassenen und einfach zugänglichen Medikamenten zu testen. Diese weltweit größte klinische Studie für COVID-19-Behandlungen umfasst etwa 30.000 Probanden.
COVID-Patienten haben ein erhöhtes Risiko für die Bildung von Thrombosen, insbesondere in der Lunge. Zur spezifischen Beurteilung der Auswirkungen von Aspirin, wurden im Rahmen von RECOVERY fast 15.000 Patienten mit COVID-19-Infektion behandelt. Aspirin wird häufig zur Verringerung der Blutgerinnung bei anderen Krankheiten wie Herzinfarkten oder Präeklampsie eingesetzt. Außerdem ist es überall erhältlich und recht günstig.
Insgesamt erhielten 7.351 Patienten zusätzlich zur Standardbehandlung einmal täglich 150 mg Aspirin. Die Kontrollgruppe hingegen umfasste 7.541 Probanden. Sie bekamen lediglich eine herkömmliche Behandlung, ohne ASS. Insgesamt konnte keinerlei signifikanter Einfluss auf die Mortalitätsrate durch die Aspirin-Behandlung festgestellt werden. Allenfalls zeigte sich in der Aspirin-Gruppe die Tendenz eines kürzeren Krankenhausaufenthaltes von 8 Tagen im Mittel, verglichen mit 9 Tagen in der Kontrollgruppe. Der Anteil der Patienten, die innerhalb von 28 Tagen lebend aus dem Krankenhaus entlassen wurden, lag bei 75 %, in der Vergleichsgruppe bei 74 %.
Auch bei den Subgruppen fanden sich keine Effektivitätshinweise. Unter den Patienten, die zu Studienbeginn noch nicht invasiv beatmet wurden, gab es zwischen Aspirin- und Kontrollgruppe keinen signifikanten Unterschied beim Anteil derer, die eine künstliche Beatmung benötigten oder verstarben. Bei den Gerinnungsendpunkten hielten sich Nutzen und Risiko die Waage: Verglichen mit den Probanden ohne Aspirin-Behandlung wiesen pro 1.000 Patienten mit ASS 6 Patienten mehr ein schwerwiegendes Blutungsereignis auf, aber es gab ebenfalls 6 thromboembolische Ereignisse weniger.
Peter Horby, Professor für neu auftretende Infektionskrankheiten am Nuffield Department of Medicine der Oxford und Joint Chief Investigator der RECOVERY-Studie, sagt zur Datenlage: „Die Daten zeigen, dass Aspirin bei Patienten, die mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, nicht mit einer Verringerung der 28-Tage-Mortalität oder des Risikos einer Progression zur invasiven mechanischen Beatmung assoziiert ist. Obwohl Aspirin mit einer geringfügig erhöhten Wahrscheinlichkeit, lebend entlassen zu werden, assoziiert ist, scheint dies nicht auszureichen, um dessen weit verbreitete Anwendung bei hospitalisierten Patienten mit COVID-19 zu rechtfertigen.“
„Es gab starke Hinweise darauf, dass die Blutgerinnung für die Verschlechterung der Lungenfunktion und den Tod bei Patienten mit schwerem COVID-19 verantwortlich sein könnte“, erklärt Martin Landray, Professor für Medizin und Epidemiologie am Nuffield Department of Population Health der University of Oxford und Joint Chief Investigator. „Aspirin ist kostengünstig und wird häufig bei anderen Krankheiten eingesetzt, um das Risiko von Blutgerinnseln zu verringern. Daher ist es enttäuschend, dass es bei diesen Patienten keine großen Auswirkungen hatte. Deshalb sind große randomisierte Studien so wichtig – um herauszufinden, welche Behandlungen wirken und welche nicht.“
Die RECOVERY-Studie umfasst nicht nur den Einsatz von Aspirin. Bereits sechs Wochen nach Finanzierungsbeginn, wurde innerhalb der Studie eine der weltweit ersten COVID-19-Behandlungen, Dexamethason, gefunden. Das Steroid ist „kostengünstig, im Regal und kann sofort verwendet werden, um weltweit Leben zu retten“, sagt Horby. Die Anzahl an dadurch geretteten Leben wird auf 22.000 in Großbritannien und eine Million weltweit geschätzt.
Über die Zeit wurden weitere Medikamente wie Hydroxychloroquin, Lopinavir, Colchicin, Azithromycin und Tocilizumab auf die zu untersuchende Liste hinzugefügt. Auch bei Einsatz von Tocilizumab konnte ein verringertes Sterberisiko für COVID-19-Patienten erfasst werden, sowie ein kürzerer Krankenhausaufenthalt und eine reduzierte Notwendigkeit für mechanische Beatmungsgeräte. Diese Ergebnisse betonen somit die Relevanz von bisher zugänglichen Medikamenten auch in neu eintretenden Pandemiesituationen.
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