Nachdem der Wirkstoff Safinamid die EU-weite Zulassung durch die EU-Kommission erhalten hat, soll die Einführung des Medikaments nach Herstellerangaben noch in der ersten Jahreshälfte 2015 erfolgen. Zentrale Fragen zu Wirksamkeit und Nebenwirkungsprofil bleiben offen.
Bereits Mitte Dezember 2014 hatte der EMA-Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP, Committee for Medicinal Products for Human Use) eine positive Stellungnahme zu Xadago® abgegeben, und wenig überraschend folgte die EU-Kommission am 26.02.2015 dieser Empfehlung. Damit ist das Safinamid-haltige Präparat zur Therapie der idiopathischen Parkinson-Krankheit im mittleren bis späten Stadium in allen 28 EU-Ländern sowie Island, Liechtenstein und Norwegen zugelassen. Patienten mit motorischen Fluktuationen, die eine konstante Dosis Levodopa allein oder in Kombination mit anderen Parkinson-Arzneimitteln erhalten, dürfen nun als Zusatztherapie mit dem Medikament behandelt werden. Und auch in den USA und der Schweiz wird es wohl nicht mehr lange mit der Zulassung dauern, entsprechende Anträge sind bereits eingereicht. Entwickelt wurde das Safinamid-haltige Medikament vom italienischen Biopharmazie-Unternehmen Newron Pharmaceuticals. Nachdem eine Zusammenarbeit mit Merck Serono 2011 scheiterte, holten sich die Italiener das Pharma- und Feinchemikalienunternehmen Zambon an Bord. Die nun erfolgte Zulassung ist das Ergebnis von mehr als 15 Jahren Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Der Hersteller zeigt sich dementsprechend betont zufrieden: „Wir freuen uns sehr über die Zulassung seitens der Europäischen Kommission, womit Parkinson-Patienten eine innovative Zusatztherapie der nächsten Generation zur Verfügung gestellt wird“, erklärte Ravi Anand, CMO von Newron, jüngst in einer Pressemitteilung. Ähnliche Töne schlägt auch Maurizio Castorina an, CEO von Zambon: „Es ist das erste Mal seit 10 Jahren, dass eine neue chemische Einheit (new chemical entity, NCE) die Zulassung der Kommission für die Behandlung von Parkinson-Patienten erhält, und wir sind begeistert, ein Teil davon zu sein.“ Laut Angaben von Zambon soll das Medikament noch innerhalb der ersten Jahreshälfte 2015 erhältlich sein.
Da eine kurative Therapie der idiopathischen Parkinson-Krankheit noch fehlt, muss sich die Behandlung derzeit noch auf die Linderung der Symptome beschränken. Die aktuelle Leitlinie der DGN empfiehlt für Parkinson-Patienten mit frühem Erkrankungsbeginn eine Monotherapie mit Dopaminagonisten, bei Parkinson-Patienten mit spätem Erkrankungsbeginn sollte dagegen L-Dopa eingesetzt werden. Allerdings treten bei einer langfristigen L-Dopa-Therapie motorische Komplikationen auf, beispielsweise motorische Fluktuationen, die sich in Phasen guter (ON-Phasen) und schlechter Beweglichkeit (OFF-Phasen) gliedern. Nach Ansicht von Prof. Werner Poewe, Vorstand der Universitätsklinik für Neurologie an der Medizinischen Universität Innsbruck, stellen diese Komplikationen eine bedeutende medizinische Versorgungslücke in der Parkinson-Therapie dar. „Die gezielte Einwirkung auf nicht-dopaminerge Systeme könnte ein alternativer Ansatz zur Verbesserung und Kontrolle derartiger motorischer Komplikationen sein, der die Wirksamkeit verbessert und weitere Steigerungen der Levodopa-Dosis hinfällig macht“, so Prof. Poewe. Safinamid besitzt daher einen zweifachen Wirkmechanismus: Einerseits kommt es auf einem dopaminergen Weg über die selektive Hemmung der Monoaminooxidase-B zur Erhöhung des extrazellulären Dopaminspiegels im Striatum. Andererseits wirkt Safinamid auf einem nicht-dopaminergen Weg, indem es spannungsgesteuerte Natrium- und Kalziumkanäle zustandsabhängig hemmt und so die stimulierte Freisetzung von Glutamat moduliert.
Newron und Zambon preisen ihr neuestes Produkt als gut verträglich an und sind stolz auf das angeblich günstige Nebenwirkungsprofil. Ein Blick in die Zusammenfassung der Arzneimittelmerkmale zeigt jedoch, dass eine ganze Reihe von Nebenwirkungen häufig vorkommt. Safinamid-Patienten, die mit L-Dopa allein oder in Kombination mit anderen Parkinson-Medikamenten behandelt wurden, klagten am häufigsten über Dyskinesien. Diese traten früh während der Behandlung auf und wurden als „schwerwiegend“ eingestuft. Bei 1,5 % der Patienten führten sie sogar zum Therapieabbruch. Weitere Nebenwirkungen waren eine Verschlechterung der Parkinson-Krankheit, Nausea, orthostatische Hypotonie, Insomnie, Schwindel, Stürze, Kopfschmerzen, Somnolenz und Katarakt. Auch bei den Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten gibt es einiges zu beachten. Pharmakodynamische Wechselwirkungen bestehen beispielsweise mit anderen MAO-Hemmern wie Moclobemid sowie mit dem Opioid Pethidin. Vorsicht ist geboten, wenn gleichzeitig Sympathomimetika eingesetzt werden, beispielsweise nasale und orale Dekongestiva oder Erkältungspräparate mit Ephedrin oder Pseudoephedrin. Dasselbe gilt für Dextromethorphan sowie Antidepressiva aus der Klasse der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer SSRI wie Fluoxetin und Fluvoxamin, SNRI und trizyklische/tetrazyklische Antidepressiva. Zudem gibt es bisher keine randomisierten Studien zu Wechselwirkungen mit häufig bei dieser Patientenpopulation angewendeten Arzneimitteln wie Antihypertonika, Betablockern, Cholesterinsenkern, nicht-steroidalen entzündungshemmenden Arzneimitteln und Protonenpumpenhemmern.
Die Wirksamkeitsbeurteilung der EMA beruht auf zwei doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studien: Der 24-wöchigen SETTLE-Studie sowie der 24-wöchigen 016-Studie, die als 018-Studie weitere 18 Monate fortgeführt wurde, um insgesamt einen Zeitraum von zwei Jahren zu umfassen. Als primäre Endpunkte dienten bei beiden 24-wöchigen Studien die Änderung der täglichen ON-Zeit ohne belastende Dyskinesien im Vergleich zur Baseline. Bei der zweijährigen Studie dagegen war es die Verringerung des Scores auf der Dyskinesie-Rating-Scale (DRS) während der ON-Zeit, d.h. eine Verbesserung der Dyskinesie-Symptomatik. Ein kleiner, aber feiner Unterschied, denn die 018-Studie fiel diesbezüglich prompt durch. Das Nichterreichen des primären Endpunktes erklärten die Autoren damit, dass die Auswahl der Patienten aufgrund einer L-Dopa-induzierten motorischen Fluktuation erfolgte: Das Vorhandensein einer Dyskinesie war dagegen kein explizites Einschlusskriterium, so dass zu Beginn der Studie auch nur etwa ein Drittel der Studienteilnehmer eine mittelschwere oder schwere Dyskinesie mit einem DRS-Score über 4 aufwies. Bei dieser Subpopulation führte immerhin die höhere Safinamid-Konzentration (100 mg/Tag) zu einer statistisch signifikanten Verbesserung der Dyskinesien (p=0,0317 im Vergleich zum Placebo).
Ein weiterer Kritikpunkt: Die einzige langfristig angelegte 018-Studie wurde in lediglich drei Zentren durchgeführt, 80,6 % der 669 Patienten, die ursprünglich in die 016-Studie aufgenommen worden waren, stammten aus Indien, 15,8 % aus Rumänien und 3,6 % aus Italien. Die deutlich multinationaler angelegte, aber dafür kürzere SETTLE-Studie umfasste dagegen 549 Patienten aus 21 Ländern, darunter aus den USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, Spanien und mehreren asiatischen Ländern – eine Folgestudie mit längerer Dauer wäre hier sehr wünschenswert gewesen. Auch das Alter der Studien-Patienten lag mit 60 ± 10 Jahren eher niedrig für ein Präparat, das zur Behandlung von Patienten im mittleren bis späten Krankheitsstadium zugelassen ist. Ob das vom Hersteller gelobte Wundermittel tatsächlich die hochgesteckten Erwartungen erfüllen kann, wird daher der therapeutische Alltag zeigen müssen. Weitere Studien zur Wirksamkeit und/oder Sicherheit von Safinamid sind jedenfalls bisher nicht angemeldet. Gut möglich also, dass die Abteilung Pharmakovigilanz des BfArM demnächst viel zu tun bekommen wird.