Mit Impfungen allein werden wir Corona nicht beikommen. Doch es sind einige Medikamente in der Pipeline, die Hoffnung machen. Der Überblick im Schnelldurchlauf.
Laut einer Umfrage des ARD-Deutschlandtrend gaben Anfang Mai 75 Prozent der Befragten an, sich „auf jeden Fall“ impfen lassen zu wollen. Andererseits bedeutet das aber auch, dass hierzulande möglicherweise 25 % der Erwachsenen nicht geimpft werden. Inwieweit die 13,7 Millionen (13,7 %) Kinder unter 18 Jahren in Deutschland in größerem Umfang geimpft werden, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unklar.
Für eine Herdenimmunität könnte eine Durchimpfungsrate von 80–85 % nötig sein, statt der bisher angenommenen 60–70 %. Die Impfquote ist in vielen anderen Ländern – auch in großen Ländern wie Brasilien (23 %) und Indien (13 %) aktuell deutlich niedriger als in Deutschland (45 %). Auch wird ein bestimmter Prozentsatz der Geimpften in Abhängigkeit von Impfstoff und körpereigener Immunreaktion keinen ausreichenden Schutz vor einer Corona-Infektion aufbauen. Es ist also davon auszugehen, dass SARS-CoV-2 trotz großer Anstrengungen bei der Impfung endemisch bleibt und immer wieder zumindest lokale Ausbrüche zu erwarten sind.
Aus diesen Überlegungen heraus ist es verständlich, dass die Pharmaindustrie trotz der Verfügbarkeit hervorragender Impfstoffe mit Hochdruck medikamentöse Therapien gegen COVID-19 entwickelt. Derzeit befinden sich nach Angaben des US-Verbands BIO mehr als 600 verschiedene Medikamente (ohne Impfstoffe) in der klinischen Entwicklung gegen COVID-19. 13 haben eine Notfallzulassung und 87 befinden sich in Phase 3 oder 4 der klinischen Prüfung. Aktuell sind 244 industrie-gesponsorte klinische Phase-III-Studien in der Indikation COVID-19 angemeldet.
In der Abbildung sind „Antivirals“ als Medikamente definiert, die direkt das Virus bekämpfen, während man unter „Treatments“ Medikamente zur Behandlung der Folgen einer Corona-Infektion versteht.
Die erste Gruppe der „Antivirals“ sind Substanzen, die Atemwege vor einem Kontakt mit dem Virus schützen, wie das Rotalgenprodukt Iota-Carrageenan (Algovir®), das sich bereits als Medizinprodukt gegen Erkältungskrankheiten auf dem Markt befindet. Mehrere weitere Substanzen befinden sich in der frühen Phase der klinischen Prüfung.
Der zweite Ansatz bei den „Antivirals“ ist es, das Eindringen der Viren in die Zellen zu verhindern, entweder durch Hemmung der Virusbindung an den ACE2-Rezeptor (Alunacedase α) oder durch Inaktivierung der Serinprotesase TMPRSS2 (Camostat, Nafamostat, Upamostat, Proxalutamid).
Ein dritter und auch der am weitesten fortgeschrittene Ansatz ist das Abfangen der SARS-CoV-2-Viren durch monoklonale Antikörper. Bamlanivimab, Etesevimab, Sotrovimab, REGN-CoV-2 (Casirivimab und Imdevimab), Rekonvaleszenten-Plasma und Regkirona haben bereits eine Notfallzulassung in den USA. Mehrere weitere sind in Phase 3 der klinischen Prüfung. Besorgniserregend sind Hinweise, dass mutierte Varianten nicht mehr so gut gebunden werden können.
Als vierte Gruppe gibt es noch die klassischen Virustatika. Vier RNA-Polymerase-Inhibitoren sind mittlerweile gegen COVID-19 zugelassen (Remdesivir in mehreren Ländern und Favipiravir in Russland) oder in einer fortgeschrittenen Phase der klinischen Prüfung (Molnupiravir und AT-527). Die Hemmung der Hauptprotease/3CL-Protease und der „Papain‐like Protease“ und die Blockierung der Januskinase durch Baricitinib sind ebenfalls Ansatzpunkte für Virostatika-Entwicklungen in früheren Studienphasen.
Bei den neuen Treatments gegen die Folgen einer Corona-Infektion handelt es sich meist um Präparate, die bereits in anderen Indikationen auf dem Markt oder in der klinischen Prüfung sind. Hier handelt es sich vorwiegend um Gerinnungs- und ACE-Hemmer. Es wird auch eine große Zahl an anti-inflammatorischen Präparaten auf ihre eventuelle Eignung bei COVID-19 untersucht. Am weitesten fortgeschritten sind Methylprednisolon, Hydrocortison, Cyclosporin A, Adalimumab und Lenalidomid. Medikamentenentwicklungen zur Verbesserung der Lungenfunktion bei COVID-19 sind zum Beispiel Nintedanib, N-Acetyl-Cystein, Bucillamine, Sarconeos und Aviptadil.
Auf der Internetseite des VfA zum Thema „Therapeutische Medikamente gegen die Coronavirusinfektion COVID-19“ sind viele weitergehende Informationen und Links zu diesem Thema zu finden.
Quellen
Bildquelle: King's Church International, unsplash