Deutschlands Ärzte verschreiben Methylphenidat bei ADHS mit mehr Augenmaß. Das fanden Forscher am BfArM jetzt heraus. Über mögliche Gründe lässt sich nur spekulieren. Demgegenüber kommen entsprechende Pharmaka häufiger als Hirndoping zum Einsatz.
Methylphenidat – früher in fast aller Munde: Die verordnete Menge schnellte zeitenweise explosionsartig nach oben. Ein paar Zahlen: Gemessen am Vergleichszeitraum 1999 stieg der Verbrauch in 2000 um sage und schreibe 91 Prozent. Bis 2008 ging es mit plus 17 Prozent weiter, und seit 2009 waren es noch drei Prozent. Im Jahr 2013 ging es erstmals um zwei Prozent nach unten. Entsprechende Zahlen hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlicht. „Von einer echten Abwärtstendenz können wir derzeit sicherlich noch nicht sprechen“, so BfArM-Präsident Professor Dr. Walter Schwerdtfeger. „Gleichwohl werten wir diesen ersten leichten Rückgang nach dem massiven Anstieg der vergangenen 20 Jahre als ein positives Signal, das möglicherweise auf einen kritischeren Umgang mit Methylphenidat hindeutet.“
Die Frage, warum es über Jahre hinweg zu einem stetigen Anstieg der verordneten Menge an Methylphenidat kam, können sogar Experten nicht zweifelsfrei beantworten. Sie sprechen von verbesserten Diagnosemöglichkeiten, wollen aber auch Fehl- und Überdiagnosen nicht ausschließen. Sie fordern, dass Therapien unter Aufsicht eines Spezialisten für Verhaltensstörungen durchgeführt werden. Das ist nicht immer der Fall.
Da die Erkrankung zwar im Kindesalter beginnt, sich jedoch häufig bis ins Erwachsenenalter hinein fortsetzt, kommen ältere Patienten als mögliche Zielgruppe mit hinzu. Früher blieb Ärzten nur, Methylphenidat „off label“ zu verordnen. Die Ausweitung der Zulassung auf Erwachsene mit ADHS in 2011 hat nicht zu einem außergewöhnlichen Verbrauchsanstieg geführt – aber zu mehr Rechtssicherheit.
Trotzdem ist nicht alles eitel Sonnenschein. Immer mehr Arbeitnehmer erhöhen ihre Leistungsfähigkeit vermeintlich mit Medikamenten, unter anderem Methylphenidat, Piraceton, Fluoxetin und Metoprolol. Auf Basis von Abrechnungsdaten aller 6,2 Millionen Versicherten gibt die DAK-Gesundheit aktuelle Trends zu Protokoll. Seit 2008 stieg der Anteil aller Versicherten mit Hirndoping auf Rezept von 4,7 auf 6,7 Prozent. Geht die verordnete Menge an Methylphenidat bald wieder nach oben? Ausschließen kann das derzeit niemand.