Zwei neue Impfreaktionen wurden nach der Corona-Impfung beobachtet: die Immunthrombozytopenie und das Kapillarlecksyndrom. Neue Daten und drei Fallbeispiele.
Das Pharmacovigilance Risk Assessment Comittee (PRAC) der EMA ist kürzlich zu dem Schluss gekommen, dass Personen, die vom Kapillarlecksyndrom (CLS) betroffen waren, nicht mit dem Impfstoff Vaxzevria® (ursprünglich Astrazeneca) geimpft werden sollten. Ferner soll auch CLS zu den Produktinformationen als neue Nebenwirkung der Vakzine hinzugefügt werden. Bisher wurde jedoch lediglich von 14 Fällen berichtet.
Bei CLS handelt es sich um ein recht seltenes, aber potentiell lebensbedrohliches Krankheitsbild. Es zeichnet sich durch Blutdruckabfall, Hypovolämie und ausgedehnte Ödeme aus. Medizinisches Personal solle demnach auf die Symptome von CLS und dessen Wiederauftreten in Patienten achten, heißt es in der Mitteilung. Personen, die mit Vaxzevria® geimpft wurden, sollten sofort einen Arzt aufsuchen, wenn sie in den Tagen nach der Impfung ein schnelles Anschwellen der Arme und Beine oder eine plötzliche Gewichtszunahme bemerken. Diese Symptome sind aufgrund des niedrigen Blutdrucks häufig mit einem Ohnmachtsgefühl verbunden.
Offenbar ist CLS nicht als einziges Risiko mit einer Vaxzevria®-Impfung verbunden. Eine Studie, die in Nature Medicine veröffentlicht wurde, untersuchte nun die idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP) sowohl bei dem Vektor-Impfstoff als auch beim mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer.
Bei ITP handelt es sich um eine Thrombozytopenie, die aufgrund einer Autoimmunreaktion gegen Thrombozyten und Megakaryozyten entstanden ist. Die Forschungsergebnisse weisen ein relatives Risiko für die erste Dosis der Vaxzevria®-Impfung von 5,77 auf mit einer geschätzten Inzidenz von 1,13 Fällen pro 100.000 Impfdosen. Zwar ist das Risiko solcher Nebenwirkungen recht selten aber vergleichbar mit dem anderer Impfungen wie etwa gegen Hepatitis B, Mumps-Masern-Röteln und Influenza, so eine Mitteilung der University of Edingburgh. Auch über arterielle Thromboembolien und hämorrhagische Ereignisse wurde berichtet, wobei die Inzidenz bei den Probanden ähnlich ausfiel. Eine Assoziation mit den beschriebenen Nebenwirkungen für die erste Dosis des mRNA-Impfstoffs wurde dabei jedoch nicht bestätigt.
Im Annals of Internal Medicine wurde kürzlich von 3 Fallbeispielen berichtet, bei denen die Personen nach einer kürzlich erhaltenen Impfung gegen COVID-19 von CLS betroffen waren. Jedoch wurden diese Ereignisse von der WHO als nicht dosisabhängige und unerwartete Ereignisse klassifiziert. Die 3 Patienten wiesen in ihrer Anamnese bereits auf CLS hin, sodass 1 bis 2 Tage nach Erhalt der COVID-19-Impfung lebensbedrohliche Schübe entwickelt wurden. Die Patienten erhielten entweder Impfstoffe von Johnson & Johnson, Moderna oder Biontech/Pfizer.
Patienteninformation und hospitalisierte Behandlung der 3 Fallbeispiele. Credit: Matheny et al. (2021)
Die Autoren gehen davon aus, dass CLS als Risikofaktor für die Entwicklung schwerwiegender Nebenwirkungen nach einer COVID-19-Impfung identifiziert werden kann. Jedoch schließen sie andere mögliche Ursachen für das Aufflackern dieser Symptomatik nicht aus, auch wenn kein anderer Auslöser bestimmt werden konnte.
Laut den Autoren sei eine Entwicklung dieses schubartigen Krankheitsbildes nach einer COVID-19-Impfung ohne CLS-Vorgeschichte unwahrscheinlich. Einige Patienten mit unerklärlichen Episoden von Hypotonie und Ödemen können jedoch nicht diagnostiziertes CLS haben. Zudem erhielten keine der drei vorgestellten Fallbeispiele eine IV-Immunglobulin-Prophylaxe (IVIG-Prophylaxe), als sie geimpft wurden. Im Kontrast dazu wurden in den anderen 78 geimpften CLS-Patienten, die zuvor eine IVIG-Prophylaxe erhielten, keine CLS-Schübe diagnostiziert. Daher wird bei einer CLS-Diagnose oder Verdachtsdiagnose eine IVIG-Prophylaxe vor Erhalt der Impfung empfohlen.
Diese Fallbeispiele sind in der Praxis wichtig, insbesondere bei neuartigen Krankheitsbildern die mit einer COVID-19-Infektion oder einer Impfung entstehen können. Dadurch wird schon im Vorfeld auf mögliche Komplikationen aufmerksam gemacht, die von dem behandelnden medizinischen Personal zu beachten sind. Zudem zeigt sich, dass nicht nur bei einer Impfung mit Astrazeneca auf diese spezifische Symptomatik und weitere Nebenwirkungen geachtet werden muss, sondern auch bei den beliebten mRNA-Impfstoffen.
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