Mikro-RNAs könnten einen neuen Weg in der Krebstherapie gegen Akuter Lymphoblastischer Leukämie ebnen. Lest hier, was die Forscher berichten.
Die Akute Lymphoblastische Leukämie (ALL) ist die häufigste bösartige Erkrankung im Kindes- und Jugendalter. In Deutschland erkranken jährlich rund 600 bis 700 junge Menschen an dieser Form des Blutkrebses. Ein Großteil der Patienten kann mit aktuellen Therapieverfahren gut behandelt werden. Allerdings wirkt die Behandlung bei etwa 10 bis 20 Prozent nur unzureichend und es kommt zu einem Rückfall (Rezidiv).
„Für eine langfristig erfolgreiche Therapie ist es wichtig, vorhersagen zu können, wie gut die Erkrankten auf bestimmte Behandlungen ansprechen. Dann kann die Therapie an den individuellen Krankheitsverlauf besser angepasst werden“, sagt Professor Klaus-Michael Debatin, Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Ulm.
Ein internationales Forschungsteam um Professor Lüder Hinrich Meyer, Oberarzt an der Ulmer Kinderklinik, hat nun untersucht, welche zellulären und molekularen Faktoren Krankheitsverlauf und Heilungschancen bei ALL entscheidend beeinflussen. Die Wissenschaftler aus Deutschland, Italien und den Niederlanden haben das genetische Profil von Leukämie-Zellen mit hohem und mit niedrigem Rezidiv-Risiko verglichen und dabei entdeckt, dass bei den Blutkrebszelllinien, die mit einem günstigeren Krankheitsverlauf und einer geringeren Rückfallneigung assoziiert waren, überdurchschnittlich viele Gene aktiv waren, die für bestimmte Mikro-RNAs kodieren.
Als Mikro-RNAs bezeichnet man kleine Ribonukleinsäure-Moleküle, die selbst keine genetischen Informationen speichern, aber wichtige Aufgaben bei der Regulierung der Übersetzung von Erbinformation erfüllen. „Diese, auch als ‚mächtige Zwerge’ bezeichneten Genregulatoren, kontrollieren essentielle Funktionen der Zelle, wie zum Beispiel Wachstum und Vermehrung“, erläutert Meyer.
Die Forschergruppe, an der mehrere Wissenschaftler der Ulmer Kinderklinik beteiligt waren, fand zudem heraus, über welchen molekularen Mechanismus die Mikro-RNAs miR-497/195 das Leukämiewachstum und die Rezidivbildung bremsen: Sie greifen in die Regulation des Zellzyklus ein, indem sie bestimmte Kontrollpunkt-Proteine (CDK4/CCND3) ausschalten, die bei der Zellteilung für einen reibungslosen Phasenübergang sorgen sollen.
Der Effekt: Der Zellzyklus ist gebremst, die Leukämiezelle teilt sich nicht weiter oder stirbt sogar ab. „Fehlen hingegen diese ‚Bremsen‘ des Zellzyklus, zeigen die Leukämiezellen ein stärkeres und aggressiveres Wachstumsverhalten“, hebt Elena Boldrin, eine Ulmer Doktorandin, hervor.
Für ihre Studie haben die Hämato-Onkologen Zell-Proben von Kindern mit ALL in Modellsystemen untersucht und die Leukämiezellen von Erkrankten mit unterschiedlich guten Heilungschancen und Überlebensraten analysiert. Die Forscher verglichen nun die verschieden stark ausgeprägten Leukämie-Formen auf zelluläre molekular-genetische Besonderheiten, und fanden dabei unterschiedliche genetische Aktivitätsmuster bzw. Genotypen.
Experimentell gelang es zudem, die beiden Mikro-RNAs (miR-497/195) verstärkt zu aktivieren beziehungsweise zu hemmen. So hat sich im ersten Fall die Leukämieausbreitung verzögert und im zweiten Fall beschleunigt, mit entsprechender Auswirkung auf den Krankheitsverlauf.
Außerdem hat das Forschungsteam bei der Analyse von weiteren Zellproben von Kindern mit Leukämie entdeckt, dass bei Patienten, die nur sehr schlecht auf eine Therapie ansprechen und einen besonders ungünstigen Krankheitsverlauf haben, die zellteilungshemmende Wirkung von miR-497/195 gefehlt hat. Dies war insbesondere der Fall, wenn die Leukämiezellen weitere, häufiger vorkommende genetische Veränderungen aufwiesen, die auch die Zellzyklusregulation beeinflussen.
Die Ergebnisse der Ulmer Studie geben Grund zur Hoffnung, dass es in Zukunft möglich sein wird, Zellzyklus-basierte Prognose-Marker für den zu erwartenden Krankheitsverlauf zu entwickeln. „Möglicherweise bieten sie auch Angriffspunkte für neue Behandlungsstrategien, um die Heilungschancen von ALL-Patienten zu verbessern, die bislang nicht gut auf die geläufigen Therapien ansprechen“, so die Ulmer Forscher.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Ulm. Die Studie dazu findet ihr hier.
Bildquelle: Jan Kopriva, unsplash