Forscher konnten erstmals belegen, wie bei seltenen Tumorerkrankungen eine umfassende molekulare Analyse helfen kann. Die diagnostische Methode erleichtert auch die Therapieentscheidung.
In der Präzisionsonkologie versucht man herauszufinden, welche individuell angepasste Therapie bei Krebserkrankungen am erfolgversprechendsten ist. Dazu analysieren Fachleute die molekularen, zellulären und funktionellen Eigenschaften menschlicher Tumoren. Manche dieser Eigenschaften können dann als Biomarker dienen, die die Erfolgschancen bestimmter Behandlungsansätze anzeigen. Auf dieser Grundlage trifft ein molekulares Tumorboard – ein Team mit vielfältiger Expertise in Onkologie, Pathologie, Molekularbiologie, Bioinformatik und medizinischer Genetik – individuelle Therapieentscheidungen.
Ein Kooperation von mehreren Forschungsteams konnte in einer prospektiven Beobachtungsstudie belegen, dass Betroffene mit seltenen Tumorerkrankungen von molekularen Analyse profitieren. Die Forscher untersuchten die molekularen Profile und klinischen Daten von insgesamt 1.310 Patienten, von denen 75,5 % an seltenen Krebsarten litten. Auf Basis von mehreren Hundert Biomarkern gab ein Tumorboard für knapp 90 % der Betroffenen evidenzbasierte Behandlungsempfehlungen ab. Diese beinhalteten teilweise neue, experimentelle Therapiemethoden. Bei rund einem Drittel dieser Patienten wurden die Empfehlungen umgesetzt, was sich in einer signifikant verbesserten Überlebensrate im Vergleich zu Standardtherapien niederschlug.
„Unsere Daten belegen den Nutzen der sogenannten molekularen Stratifizierung bei seltenen Krebsarten. Dies bildet die Basis für neue klinische Studien und erleichtert die Zulassung von Medikamenten in dieser unterversorgten Patientenpopulation“, sagt Stefan Fröhling, einer der Leiter der Studie.
Retrospektive Analysen zeigen ebenfalls, dass etwa ein Drittel aller Krebspatienten von Therapieentscheidungen auf Basis von Biomarkern profitiert. Bei seltenen Krebsarten war die klinische Relevanz präzisionsonkologischer Ansätze bisher nicht belegt.
Zudem gibt es wenige etablierte Therapiestandards. Das liegt im Wesentlichen daran, dass diese Tumorarten nur wenig erforscht sind und ihre Häufigkeit in den einzelnen Krebszentren so gering ist, dass aussagekräftige Untersuchungen schwer umzusetzen sind. Für die aktuelle Studie haben sich daher Zentren in ganz Deutschland zusammengeschlossen, um größere Stichproben erforschen zu können.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Heidelberg. Die Originalpublikation haben wir euch im Text und hier verlinkt.
Bildquelle: Raphaël Biscaldi, Unsplash