Die Varianten verstärken das Problem der Durchbruchsinfektionen, das zeigen zumindest internationale Daten. Doch ist das bei einer hohen Impfrate tatsächlich so problematisch?
Der internationale Reiseverkehr ist durch die COVID-19-Pandemie mit am stärksten beeinträchtigt. Ein weiteres Problem sind die aufkommenden Variants of Concern (VOC), unter denen einzelne ein besonders starkes Durchsetzungsvermögen aufweisen. Die Situation scheint sich jedoch mit der weiter anlaufenden Impfstoffkampagne gegen SARS-CoV-2 etwas zu beruhigen. Katar hat dementsprechend im Frührjahr 2021 ein Pilotprogramm durchgeführt, um die Reisebeschränkungen zu lockern, indem die Quarantänepflicht für vollständig Geimpfte und immunisierte Einwohner aufgehoben wurde. Zusätzlich wurde bei Ankunft am Flughafen ein PCR-Test durchgeführt. Dabei wurde die Häufigkeit von positiven Testergebnissen bei ankommenden Passagieren ausgewertet.
Die Studie umfasste Daten vom 18. Februar bis zum 26. April, wobei insgesamt 261.849 Personen (75,1 % männlich) auf SARS-CoV-2 mithilfe eines PCR-Tests getestet wurden. Das Durchschnittsalter betrug etwa 33 Jahre. Die Probanden wurden in drei Gruppen aufgeteilt:
Dabei wurde analysiert, ob eine Impfung mit Pfizer/Biontech oder Moderna oder eine zurückliegende COVID-19-Infektion mit einem geringeren Risiko auf ein positives Testergebnis verbunden waren. Demnach diente Gruppe 2 als Kontrollgruppe, mit der Gruppe 1 und 3 verglichen wurden.
Unter den ersten beiden Gruppen konnte bei 10.092 Probanden ein positives Testergebnis erfasst werden, wobei die PCR-Positivität für Gruppe 1 bei 0,82 % lag und bei Gruppe 2 bei 3,74 %. In Gruppe 3 lag sie bei 1,01 %. Dabei betrug das relative Risiko eines positiven Testergebnisses in der ersten Gruppe 0.22 und in der dritten Gruppe 0.26. Die Sequenzierung von 72 PCR-Positiven zeigte ein Vorkommen von Beta zu 44,4 %, von Alpha zu 27,8 %, von Delta zu 11,1 % und vom Wildtyp zu 16,7 %.
Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass eine Impfung sowie eine vorangegangene Infektion mit verringertem Risiko für ein positives SARS-CoV-2-PCR-Testergebnis bei Einwohnern aus Katar einhergehen, die auf internationalen Flügen zurückkehrten.
Dabei betonten die Autoren, dass sowohl die Impfimmunität als auch die natürliche Immunität unvollkommen seien und Durchbruchsinfektionen demnach verzeichnet wurden. Dies unterstreiche die Notwendigkeit, PCR-Tests für ankommende Reisende aufrechtzuerhalten. Sie sagen auch, dass die Ergebnisse möglicherweise nicht auf andere Flughäfen, Regionen oder Inlandsreisen übertragbar sind.
Eine israelische Studie hat den Impfschutz des Pfizer/Biontech-Impstoffs in Bezug auf die VOC näher beleuchtet. In der Kohortenstudie wurde die Verteilung von VOC bei Infektionen von BNT162b2-mRNA-Impfstoffen mittels viraler Genomsequenzierung im Frühjahr 2021 untersucht. Die Forscher sind dabei der Hypothese nachgegangen, dass bei einer Verringerung der Wirksamkeit des Impfstoffs gegen VOC der Anteil an Durchbruchsfällen höher sein wird als bei ungeimpften Kontrollen.
Die Analyse von 813 Genomsequenzierungen von Nasopharynx-Abstrichen zeigte, dass Geimpfte, die mindestens 7 Tage nach der zweiten Dosis positiv getestet wurden, im Vergleich zu den Kontrollen überproportional mit der Beta-Variante infiziert waren. Probanden, die zwischen 2 Wochen nach der ersten Dosis und 6 Tagen nach der zweiten Dosis positiv getestet wurden, waren überproportional mit der Alpha-Variante infiziert. Jedoch gab es keine Hinweise auf einen erhöhten Durchbruch von Alpha mehr als eine Woche nach der zweiten Dosis.
Zusätzlich hat sich herausgestellt, dass Alpha die vorherrschende Variante im gesamten Probennahmezeitraum war, wobei die Häufgiket im zeitlichen Verlauf zunahm. Die Ergebnisse deuten demnach auf eine verringerte Wirksamkeit des Impfstoffs gegen beide VOC innerhalb bestimmter Zeitfenster hin.
Die Bedeutung des Ansatzes ergebe sich aus der Kombination von Real-World-Evaluation mit der stringenten Case-Control-Matching-Strategie, die es ermöglichte, auszuschließen, dass ein hoher Anteil einer bestimmten Variante auf einen Störeffekt zurückzuführen sei, so die Autoren.
Dennoch weisen sie darauf hin, dass nicht alle Einflüsse erfasst werden konnten, wie etwa Verhaltenseffekte bei Geimpften. Zudem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass eine Durchbruchsinfektion lediglich in den zwei Wochen nach der zweiten Impfung sehr wahrscheinlich ist. Alle Testungen die über die 14 Tage hinaus gingen, waren negativ.
Zusätzlich ist die Studie durch die geringe Stichprobengröße der Beta-Variante und der Wildtyp-Variante limitiert, jedoch weist diese Abundanz auf die dramatische Zunahme einer Variante, in diesem Fall Alpha, hin. Alpha und Beta wurden erstmals im Dezember 2020 in Israel wahrgenommen und dennoch habe sich eine der Varianten so schnell durchgesetzt.
Auch in den USA wurde eine Studie zu Breakthrough-Infektionen durchgeführt. Die Studie umfasste eine Kohorte aus 3.975 Teilnehmern die als Gesundheitshelfer, Ersthelfer oder in anderen sozialen Berufen tätig sind und einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Den Freiwilligen wurden wöchentlich Nasenabstriche entnommen, um qualitative RT-PCRs zum Nachweis von SARS-CoV-2 durchzuführen.
Dabei wurden Daten von Personen aus dem Zeitraum Dezember 2020 bis April 2021 verglichen, die entweder vollständig geimpft, einfach geimpft oder ungeimpft waren. Insgesamt 80 % der Teilnehmer waren mit mindestens einer Impfstoffdosis von Biontech/Pfizer oder Moderna geimpft, wobei 84 % davon bereits vollständigen Impfschutz genossen.
Insgesamt wurde bei 204 Teilnehmern eine COVID-19-Infektion festgestellt, von denen 5 vollständig geimpft waren, 11 teilweise geimpft und 156 ungeimpft. 32 Probanden, die einen unbestimmten Impfstatus hatten, wurden ausgeschlossen. Insgesamt konnte darüber bei vollständigem Impfschutz eine geschätzte, angepasste Impfstoffwirksamkeit von 91 % errechnet werden und eine Wirksamkeit von 81 % bei teilweise bestehendem Impfschutz. Zudem war auch das Risiko der Detektion der viralen RNA für mehr als eine Woche in Ungeimpften um 66 % höher als in teilweise Geimpften. Fiebrige Symptome traten lediglich bei 25 % der Geimpften auf, wobei 66 % der Ungeimpften derartige Symptome aufwiesen.
Zwar zeigt die Studie laut Autoren die hohe Effektivität einer mRNA-Impfung gegen eine SARS-CoV-2-Infektion bei erwerbstätigen Erwachsenen auf, aber es gibt auch Limitierungen: Demnach beruhen die Schätzungen zur Impfstoffwirksamkeit auf einer relativ kurzen Nachbeobachtungszeit. Zudem wurde auch die genetische Sequenzierung noch nicht für alle Viren abgeschlossen. Auch die Genauigkeit der Schätzung ist durch die begrenzte Datenmenge herabgesezt.
Die Aussagekraft der Studien ist mit Vorsicht zu beurteilen, denn eine ausreichende Stichprobengröße und eine gleichmäßige Verteilung von Subgruppen sind wichtig, um mögliche confirmation bias oder zu einseitige Gewichtungen einzelner Faktoren auszugleichen. Zudem handelt es sich um deskriptive Forschungsergebnisse, die nicht viel über die tatsächliche Wirksamkeit der Impfstoffe darlegen können. Dazu müssten weitere immunologische Untersuchungen mithilfe der Seren von Probanden folgen.
Die Studien geben dennoch eine gute Übersicht und einen Hinweis auf die jetzige und kommende Situation. Es wurde gezeigt, wie schnell sich eine Variante durchsetzen kann. Ähnliches ist möglicherweise mit der Delta-Mutante auch hier zu erwarten, insbesonders durch den anlaufenden Reiseverkehr. Jedoch spielen viele Faktoren wie z.B. die allgemeinen klimatischen Bedingungen, Populationsgröße und -dichte und zeitlich-dynamische Prozesse eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung von Virusinfektionen, sodass solche Studien nicht einfach auf jede Situation in einem Land bezogen werden können. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass eine vollständige Immunisierung Hoffnung auf ausreichenden Schutz geben kann und mit einem verringerten Risiko verbunden ist.
Trotz vollständigem Impfschutz sterben immer mehr Menschen an der Delta-Variante des SARS-CoV-2. Oft wird direkt auf einen alleinigen Zusammenhang mit der Impfung geschlossen, jedoch handele es sich laut des Wissenschaftsjournalists Lars Fischer um einen statistischen Effekt, der mit dem unvollständigen Schutz durch die Impfungen und der steigenden Impfrate zusammenhängt.
Keiner der vertrieblichen COVID-19-Impfstoffe garantiert eine Wirksamkeit von 100 %. Hinzu kommt, dass in den meisten klinischen Studien nur unvollständig Risikogruppen erfasst werden, sodass der Schutz vor einem schweren Verlauf oder dem Tod eher auf nicht-Immunsupprimierte zutrifft. Menschen mit Vorerkrankungen und Organtransplantierte haben ein genauso geschwächtes Immunsystem wie alte Menschen und seien demnach einem erhöhten Risiko ausgesetzt an COVID-19 zu erkranken und zu sterben, heißt es im Artikel. Vieles deute somit darauf hin, dass diese Gruppen nicht vollständig vor einer schweren Erkrankung oder dem Tod geschützt sind.
Zwar sterben weniger vollständig Geimpfte in diesen Gruppen als Geimpfte, jedoch sei das Sterberisiko bei Betroffenen um das 50-fache höher als bei ungeimpften, gesunden 25-Jährigen. Je mehr Menschen somit beide Dosen erhalten, desto höher wird auch der Anteil der Personen, die trotz vollständigen Impfschutzes an Corona sterben. Da überwiegend junge Menschen noch nicht geimpft sind, diese aber den größten Teil der Infizierten ausmacht, wirkt sich die Gruppe gering auf die Todeszahlen aus, hingegen vollständig Geimpfte einem bestehendem Riskio ausgesetzt sind, sich zu infizieren. Zudem erhöhe auch die Delta-Variante das Risiko zusätzlich, obwohl dazu bei der derzeitigen Datenlage noch keine genauen Aussagen getroffen werden können.
Eine Preprint-Studie hat sich genau mit diesem Thema befasst und untersuchte den Einfluss der Delta-Variante auf die Immunsierung durch den Impfstoff des Herstellers AstraZeneca. Insgesamt wurden fünf Gruppen auf ihre neutralisierenden Antikörpertiter gegen die ursprüngliche Variante und die Delta Variante untersucht. Dazu wurden insgesamt 116 Seren von einfach Geimpften, zweifach Geimpften, Genesenen mit einfachem Impfschutz, Genesenen mit zweifachem Impfschutz und Durchbruchsfällen von COVID-19 untersucht.
Alle fünf Gruppen wiesen eine Reduktion im neutralisierenden Antikörpertiter gegen die Delta-Variante auf. Dabei zeigte sich zusätzlich, dass Genesene, die geimpft wurden oder eine Durchbruchsinfektion hatten, einen höheren Titer aufwiesen als Personen die einfach oder zweifach geimpft wurden. Laut Autoren zeige sich, dass bei rekonvaleszenten Patienten eine einzelne Dosis als Schutz vor neu auftretenden Varianten ausreicht.
Die Studie zeigt, wie limitiert die Datenlage bezüglich der Deltavariante ist und unterstreicht die Bedeutung der Überwachung der Durchbruchsinfektion, besonders in Bezug auf das Aufkommen von VOC, schreiben die Autoren. Jedoch sei es beruhigend, dass die Impfung dennoch Hinweise auf einen Schutz gibt. Auch eine Untersuchung einer möglichen Drittdosis wäre für zukünftige Studien interessant.
Bildquelle: Aline de Nadai, unsplash