Reduziert die Biontech-Impfung die Spermienzahl? Haben mRNA-Vakzine Einfluss auf die Fertilität? Kommt der Menstruationszyklus durcheinander? Diese Fragen tauchen immer wieder auf. Zeit für einen Daten-Check.
Viele Menschen lehnen eine Impfung durch die mRNA-Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Moderna gegen COVID-19 ab, da in den klinischen Studien nicht die Reproduktionstoxizität untersucht wurde. SARS-CoV-2 wurde bereits mit einer Abnahme der Spermienparameter in Verbindung gebracht, daher hat eine Studie der University of Miami sich vermehrt mit dem Einfluss der Impfung auf die Fertilität bei Männern befasst.
Bei den Probanden handelte es sich um 45 gesunde Freiwillige zwischen 18 und 50 Jahren, die für eine mRNA-Impfung vorgesehen waren. Die Männer wurden vorab untersucht, um sicherzustellen, dass sie keine zugrundeliegenden Fruchtbarkeitsprobleme hatten. Personen mit COVID-19-Symptomen oder einem positiven Testergebnis wurden von der Studie ausgeschlossen. Die Probanden stellten vor Erhalt der ersten Impfdosis eine Samenprobe nach 2 bis 7 Tagen Abstinenz zur Verfügung, bevor sie die erste Impfdosis erhielten und etwa 70 Tage nach der zweiten. Anschließend folgten der Vergleich und die Analyse der Samenparameter vor und nach der Impfung.
Die Ausgangskonzentration der Spermien und totale Anzahl an beweglichen Spermien betrugen im Mittel 26 Millionen/ml bzw. 36 Millionen. Nach Erhalt der zweiten Impfdosis stieg die mediane Spermienkonzentration signifikant auf 30 Millionen/ml und die totale Anzahl an beweglichen Spermien auf durchschnittlich 44 Millionen. Ein signifikanter Anstieg im Spermavolumen und in der Spermienmotilität konnte ebenfalls erfasst werden. Auch bei Betroffenen von Oligospermie stieg die Spermienkonzentration auf einen normozoospermischen Wert.
Die Ergebnisse zeigen ein Resultat entgegen der Befürchtungen, dass eine Impfung die Fertilität negativ beeinflussen könnte. Laut der Autoren könnte der Anstieg der Spermaparameter auf die Abstinenzzeit vor der zweiten Probe zurückzuführen sein. Jedoch sind 45 Probanden recht wenig für eine Stichprobengröße, um genaue Schlüsse zu ziehen. Zudem gab es auch keine Kontrollgruppe über den Zeitraum. Hinzu kommt, dass die Samenanalyse zwar die Grundlage der männlichen Fertilitätsbewertung ist, jedoch reicht sie nicht zur Erfassung des Fertilitätspotenzials aus. Daher müssten breit gefächerte Untersuchungen folgen.
Immer mehr Frauen haben nach Erhalt eines mRNA-Impfstoffs über Menstruationsveränderungen berichtet. Da dies bisher in den klinischen Studien nicht untersucht wurde, kann diese Annahme auch nicht einfach ausgeschlossen werden.
Der Berufsverband für Frauenärzte hält zwar einen direkten Zusammenhang mit der Impfung für unwahrscheinlich, betont jedoch den Stress, der durch die Impfung und die gegebenen Umstände ausgelöst wird. Das könne zu einem Ungleichgewicht im Hormonhaushalt führen, was sich auf die Hormonzufuhr der Gebärmutterschleimhaut auswirke, sagt Prof. Christian Albring, Vorsitzender des Berufsverbands der Frauenärzte. „Alles, was das Gehirn beeinflusst, kann zu Blutungen führen. Und so ist es für Frauenärzte überhaupt nichts Besonderes, dass Frauen durch Stress mit Blutungen reagieren.“, führte er fort.
Es ist deutlich, dass sich die Betroffenen die Zyklus-Störungen nicht einfach einbilden, jedoch können sie auch unabhängig von einer direkten Ursache vorkommen. Albring weist darauf hin, dass Frauen ihren Körper möglicherweise nach der Impfung genauer als sonst beobachten und durch die bereits bestehenden Berichte verstärkt aufgewühlt werden, sodass mögliche Schwankungen deutlicher wahrgenommen werden. Zumindest konnte Albring bei seinen Patienten bisher keine direkte Blutungsstörung beobachten. Dem Gynäkologenverband wurden bisher auch keine derartigen Nebenwirkungen der COVID-19-Impfung berichtet. Es gebe ebenfalls Berichte von einer Zyklus-Veränderung nach einer Corona-Infektion, jedoch wurde da bisher auch kein kausaler Zusammenhang nachgewiesen.
Das Paul-Ehrlich-Institut sieht in diesem Fall ebenfalls keine kausale Verknüpfung. „Einzelne Verdachtsmeldungen zu Veränderungen im Zyklus sind nichts ungewöhnliches“, schrieb das PEI auf eine Anfrage. Störungen treten immer wieder auf, aber das Entscheidende sind die Zahlen solcher Meldungen und ob diese die erwartete Hintergrundinzidenz überragen. Dies war jedoch bisher nicht der Fall.
Somit müsste ein Zusammenhang zwischen der Corona-Impfung und der Menstruationsveränderung erstmal geprüft werden. Bisher wurden jedoch keine Daten gesammelt bzw. veröffentlicht, mit denen eine klare Antwort getroffen werden kann.
Eine Forschergruppe unter Leitung der Anthropologin Dr. Kathryn Clancy der University of Illinois startet kürzlich eine Studie, um genau auf diese Frage einzugehen. Im April startete Clancy bereits eine Umfrage zu Erfahrungen, an der 25.000 Frauen teilgenommen haben.
Jedoch handelt es sich bei der Studie um Umfragen, die bei der Auswertung lediglich Trends aufzeigen und keine kausalen Zusammenhänge oder Effekte erschließen können. „Unsere Umfrage kann uns nicht über die Prävalenz oder die Anzahl der Betroffenen sagen“, sagte Dr. Katherine Lee, Postdoc an der Washington University School of Medicine und Leiterin der Umfrage. „Wir können nach Assoziation und Trends suchen, die uns helfen, die nächste Studie zu steuern.“
Insgesamt zeigt sich, dass keine klaren Aussagen zu den kausalen Zusammenhängen der mRNA-Impfstoffe und Menstruationsänderung oder Reproduktionstoxizität getroffen werden können. Jedoch sind dies Aspekte, die vermehrt in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregen und wohlmöglich bei der Neuzulassung von zukünftigen Impfstoffen oder anderen Medikamenten in klinischen Studien untersucht werden. Mit der Zeit und weiteren Forschungen werden sich höchstwahrscheinlich eventuelle kausale Ursachen erschließen.
Deutlich wird somit, dass klinische Studien folgen müssen. Dabei muss eine angebrachte Stichprobengröße gewählt werden und eine dementsprechende Kontrollgruppe. Gut durchdachte Studien sind insbesondere in Zeiten der Pandemie besonders bedeutend, um klare Aussagen zu treffen, sodass in der Politik und im Gesundheitsmanagement ausreichend geplant und schnell entschieden werden kann.
Bildquelle: Petri Damstén, flickr