Die Grippewelle fiel in der letzten Saison rekordverdächtig niedrig aus. Doch Experten befürchten, dass das Influenza-Comeback heftiger wird als je zuvor. Der Grund: Die Impfstoffe könnten Probleme machen.
Dank der Eindämmungsmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie ist die Grippe beinahe verschwunden – und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Wie Scientific American berichtet, gab es in den USA in der vergangenen Saison 20/21 gerade einmal 600 Grippetote. In der Saison zuvor waren es 22.000, und davor ganze 34.000 Todesfälle. In Deutschland ist die Lage ähnlich. Zwar variiiert die Schwere der Grippewelle normalerweise von Jahr zu Jahr, doch so einen drastischen Einschnitt gab es wohl noch nie.
Die Arbeitsgemeinschaft Influenza des RKI verzeichnete in der letzten Grippesaison gerade einmal 17 Todesfälle bei insgesamt 585 labordiagnostisch bestätigten Influenza-Fällen. Zum Vergleich: In der Saison 2019/2020 wurden 187.500 labordiagnostisch bestätigte Influenzavirusinfektionen an das RKI übermittelt, knapp 1.000 Menschen starben. In der schweren Welle 2017/18 gab es knapp 1.700 Todesfälle. Nach RKI-Schätzungen liegen die tatsächlichen Zahlen aber deutlich höher: Für 2017/18 etwa wurde angenommen, dass 25.000 Menschen starben.
Das klingt erst einmal nach guten Nachrichten. Doch einige Wissenschaftler befürchten, dass die Grippepause den Influenzaviren in der kommenden Saison einen Vorteil verschaffen könnte. „Jedes Jahr während der Grippesaison können sich 5 %, 10 % oder sogar bis zu 30 % der Menschen in einer Population mit dem Virus infizieren“, erklärt Dr. Richard Webby der Abteilung für Infektionskrankheiten am St. Jude Children’s Research Hospital.
Daraus entstünde eine gewisse Immunität gegen das Virus auf Populationsebene, die auch in der nächsten Saison zum Teil vorhanden sein kann, so Dr. Webby. „Was wir jetzt in der nördlichen Hemisphäre haben, sind Grippesaisons mit sehr geringer Aktivität. Wir konnten nicht die Immunität in diesen 10, 20 oder 30 % der Bevölkerung aufbauen. Das, was wir als Immunität der Bevölkerung gegen Grippe bezeichnen, könnte also etwas niedriger sein als üblich.“
Möglicherweise fällt die nächste Grippewelle deswegen heftiger aus und könnte mehr Menschen treffen als bisherige. So wird die jährliche Grippeimpfung noch wichtiger, insbesondere für Risikogruppen. Doch auch beim Thema Impfung könnten noch Probleme auf uns zu kommen. Unklar ist, wie das Influenza-Vakzin im nächsten Jahr abschneiden wird, da der jährliche Grippeimpfstoff auf Stämmen basiert, die im vergangenen Jahr zirkulierten. Die WHO gab ihre Empfehlungen für die Grippestämme für den Impfstoff wie üblich Ende Februar ab. Doch diese basierten auf weit weniger Fällen als in einem gewöhnlichen Jahr.
Die niedrigen Fallzahlen könnten uns andererseits aber auch in die Hände spielen. Da weltweit gleichzeitig weniger Viruspartikel zirkulieren, ist die Wahrscheinlichkeit von Mutationen geringer. So könnte der Impfstoff für die Saison 2021/22 besonders wirksam sein und die Influenza für längere Zeit ausbremsen. Dafür darf die Grippe und die Grippeimpfung bei aller Sorge vor dem nächsten Corona-Herbst natürlich nicht in Vergessenheit geraten. Dr. Webby: „Die Aktivität ist zwar niedrig, aber die Grippe ist nicht verschwunden. Sie wird auf jeden Fall wieder kommen. Und das beste, was wir tun können, ist uns auf Impfungen vorzubereiten.“
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