Nur fünf Prozent der Medizinstudierenden wollen nach dem PJ in ein chirurgisches Fach gehen. Viel zu wenige, um in Zukunft den Behandlungsbedarf der Patienten zu decken. Eine Lösung sehen Experten in familienfreundlichen Arbeitsplätzen.
Teilzeit, Elternzeit, Mutterschutz und Kinderbetreuung verursachten Mehrkosten, die bisher in den Vergütungsstrukturen der Kliniken nicht abgebildet seien, so die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH). Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen, fordere man mehr Ressourcen für die Umsetzung von Teilzeitmodellen. Eine nach wie vor große Hürde, um mehr Frauen für die Chirurgie zu begeistern, sieht die DGCH in den schwer planbaren und langen Arbeitszeiten im Operationssaal und auf der Station. In der Chirurgie entstehe daher eine immer familienfreundliche Personalpolitik mit flexiblerer Arbeitszeitgestaltung und variabler Kinderbetreuung. Doch das erzeuge Aufwände, die bislang in der Finanzierung von Krankenhäusern und Kliniken nicht berücksichtigt seien. „Wir brauchen funktionierende Teilzeitmodelle, die es Müttern und Vätern ermöglichen, nach einer Auszeit mit reduzierter Stundenzahl auf chirurgische Stationen zurückzukehren“, fordert Professor Dr. med. Peter M. Vogt, Präsident der DGCH und Direktor der Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie in Hannover. Der Strukturwandel in der Chirurgie habe jedoch seinen Preis, so Vogt. So fielen nicht nur durch Teilzeit, sondern auch durch Vertretungen während Schwangerschaft, Mutterschutz, Elternzeit oder auch durch Fehlzeiten bei Erkrankung eines Kindes erhebliche Zusatzkosten an. „Wir müssen Personalkapazitäten vorhalten, um Abwesenheitszeiten überbrücken zu können, ohne die Patientenversorgung zu beeinträchtigen“, erklärt DGCH Generalsekretär Professor Dr. med. Dr. h. c. Joachim Meyer. „Hinzu kommt, dass die vielen Übergaben und Abstimmungen in den Diensten durch kürzere Arbeitseinheiten Ressourcen binden, ebenso wie die Wiedereingliederung nach längerem Ausfall durch Mutterschaft oder Elternzeit“, so Meyer weiter. Diese Kosten seien bisher weder in den Fallpauschalen noch in sonstigen Erstattungen für die Kliniken eingepreist und fehlten dann im Jahresabschluss einer Einrichtung.
„Um Teilzeitmodelle und familienfreundliche Arbeitsplätze in der Chirurgie umsetzen zu können, brauchen wir künftig einen höheren Personalschlüssel. Nur so lassen sich die stetig wachsenden Anforderungen in der Chirurgie an Qualität und eine optimale Patientenversorgung auch in Zukunft gewährleisten“, fordert DGCH Präsident Vogt. Das Geld sei gut investiert, da es dazu beitrage, den Nachwuchs in der Chirurgie zu sichern: Das käme sowohl Frauen und Männern in der Chirurgie zugute – doch vor allem den Patienten. „Durch familienfreundliche Arbeitszeitmodelle, die in die Lebensbiografie junger Menschen passen, können wir viele Talente in der Chirurgie halten – und für die Zukunft gewinnen“, ist sich Vogt sicher.