Ein Aneurysma im Bauchraum nennen US-Mediziner oft „Silent Killer“. Vor allem Männer über 65 Jahren sterben daran. Oft wird die Erkrankung erst erkannt, wenn es zu spät ist. Als Präventionsmaßnahme zahlen Kassen hierzulande ab sofort ein einmaliges Screening für Männer ab 65.
Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG) leiden hierzulande rund 200.000 Menschen an einem Bauchaortenaneurysma. Betroffene spüren meist keinen Schmerz – bis die Bauchschlagader rupturiert. Dann geht es sehr schnell. „In den meisten Fällen reißt das Aneurysma in einer Ausbuchtung der Bauchschlagader in Richtung Bauchhöhle ein,“ erklärt Hubert Schelzig, Direktor der Klinik für Gefäß- und Endovaskularchirurgie an der Uniklinik Düsseldorf (UKD): „Dann verblutet man innerlich, ohne dass man es äußerlich sieht, denn in die Bauchhöhle passen mehrere Liter Blut.“ Nur rund 20 Prozent der Betroffenen können rechtzeitig operiert und gerettet werden, so der Gefäßchirurg. Als Gefäßchirurg begrüßt Hubert Schelzig das Screening für Männer ab dem 65. Lebensjahr.
Um dieser Gefahr zu begegnen, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nun seit Januar 2018 ein einmaliges Ultraschallscreening zur Früherkennung von Bauchaortenaneurysmen für Männer ab 65 Jahre eingeführt. Sie sind die Risikogruppe, denn immerhin erkranken etwa vier bis acht Prozent aller Männer über dem angegebenem Alter an einem Bauchaortenaneurysma. Deutschland ist eines der letzten Länder in Europa, in denen dieses Screening eingeführt wird. Der Beschluss stütze sich auf einen Bericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und Hinweise der entsprechenden Fachgesellschaften, so der G-BA zur Begründung. „Die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse lassen die Annahme zu, dass bei rund sechs Prozent der Männer über 65 ein Bauchaortenaneurysma vorliegt. Von den Frauen dieser Altersgruppe sind nur etwa ein Prozent betroffen.“
Warum das so ist, ist nicht genau bekannt: „Auf molekularer Ebene gibt es momentan einen großen Forschungsbereich mit unterschiedlichen Hypothesen, aber noch kein abschließendes Ergebnis“, sagt Schelzig. Sicher sei nur, dass die Aortenwand nach einer bestimmten Zeit nachgebe und dass bestimmte Noxen eine Rolle spielten, insbesondere das Rauchen, so der Experte. „Hier ist eine Hypothese, dass Männer der gefährdeten Altersklasse in Deutschland einer Generation angehören, die häufiger geraucht hat als Frauen derselben Generation.“ Die Thematik der Geschlechterunterschiede werde auch unter hormonellen Gesichtspunkten untersucht, aber bisher gebe es keine wirklich guten und aussagekräftigen Ergebnisse, sagt Schelzig. Durch große Screening-Programme wisse man, dass der 70-jährige Mann, der geraucht hat, zur klassischen Risikogruppe zähle. „Außerdem hat man in Studien in Großbritannien und in Schweden aufgearbeitet, dass Männer über 65 Jahre von einem Screening, wie es jetzt durchgeführt wird, am ehesten profitieren. Und zwar nicht nur die einzelnen Personen, sondern das gesamte Gesundheitssystem“, so Schelzig. „Durch das Screening kann man der Ruptur zuvorkommen. In Schweden gab es so einen Rückgang der Notfall-Operationen von fast 50 Prozent.“
Hauptgründe für die krankhafte Erweiterung der Bauchaorta im Alter sind durch Rauchen bedingte Arteriosklerose, Bluthochdruck, Hypercholesterinämie und das männliche Geschlecht. Es komme zu einer Aufweichung und Degeneration der Aortenwand, erklärt Schelzig: „Das Problem ist das Gesetz der Gefäßwandspannung. Es besagt, dass die Oberfläche druckempfindlicher ist, wenn sie zu groß wird.“ Nur etwa zehn Prozent der Patienten mit einem Riss in der Bauchaorta kommen laut dem Münchener Aorten Centrum lebend im Krankenhaus an. Das Screening erlaube nun eine Früherkennung von Bauchaortenaneurysmen, sodass gegebenenfalls rechtzeitig eine Gefäßprothese oder in Einzelfällen eine Stent-Prothese eingesetzt werden könne. „Ein Aneurysma wird ab einem Durchmesser von fünf Zentimetern bei Männern operiert. Aktuelle Studien zeigen, dass Frauen bereits früher operiert werden sollten. Bei einer geplanten Operation ist hier die Gefahr einer Ruptur größer als das Risiko durch den Eingriff,“ erklärt Stelzig. Hausärzte und Allgemeinmediziner könnten das Screening selbst durchführen und es über die Krankenkassen abrechnen, schlägt der Experte vor. Informationen für Patienten seien in Vorbereitung, informiert der G-BA auf seiner Website. Rupturen könnten zukünftig vermieden werden: „Eine gute Aufklärung des Patienten und eine informierte Entscheidungsfindung sind hier deshalb ausgesprochen wichtig“, lautet sein Fazit.