„Wie klappt das Wasserlassen?“ ist die Urologenfrage schlechthin. Aber es gibt noch zwei weitere Fragen, die ich meinen Patienten (fast) immer stelle.
Die Erhebung der Anamnese hat mehrere Funktionen. Einerseits soll sie dem Befragenden natürlich Informationen über akute Beschwerden, Vor- und Grunderkrankungen sowie eventuelle Dauermedikation und Vortherapien des Patienten liefern. Andererseits hat sie das Ziel, insbesondere bei einem Erstgespräch, eine Vertrauensbasis zu schaffen und einen Gesamteindruck zu vermitteln. Ohne ein Vertrauensverhältnis wird man es nicht schaffen, dass sich der Patient in der Situation wohl genug fühlt, um auch intime, aber wichtige Details preiszugeben. Dabei werden Informationen nicht nur im Gespräch, sondern auch nonverbal vermittelt.
Für ein Erstgespräch sollte man sich gegebenenfalls umso mehr Zeit nehmen, je komplexer das Problem ist. Im Notfall mit hochakuten Beschwerden ist die Sozial- und Familienanamnese eher zweitrangig und kann zugunsten eines zielgerichteten Vorgehens vernachlässigt werden, obwohl sie im weiteren Verlauf vielleicht interessant werden kann.
Ein strukturiertes Vorgehen ist empfehlenswert. Wahrscheinlich erarbeitet sich jeder Arzt im Lauf seines Berufslebens eine Art Leitfaden, nach dem er bei der Patientenbefragung vorgeht. Gerade für Berufsanfänger ist es aber wichtig, sich vorher Gedanken zu machen und sich ein strukturiertes Schema zurechtzulegen, um nichts Wichtiges zu vergessen.
Allgemein gilt: Man sollte sich während des Gespräches nur kurze Notizen machen, um sich dem Patienten voll widmen zu können und den Redefluss nicht zu unterbrechen. Die Dokumentation der Beschwerden erfolgt in den Worten des Patienten und nicht übersetzt in Fachbegriffe mit vorzeitiger Kategorisierung (nicht: „klagt über Nierenkolik“, sondern „klagt über wellenförmige Schmerzen in der rechten/linken Flanke“).
Es gibt drei Fragen, die ich als Urologe meinen Patienten (fast) immer stelle.
Es ist sinnvoll, ein Anamnesegespräch mit einer möglichst offenen Frage zu beginnen. Dies gibt dem Patienten die Möglichkeit, seine Beschwerden mit eigenen Worten individuell zu schildern. Anhand der Leitsymptome hat man dann bereits häufig eine Verdachtsdiagnose oder mehrere in Frage kommende Diagnosen, die man durch gezieltes Nachfragen im Rahmen der nachfolgenden strukturierten Anamnese weiter eingrenzen kann (Wo? Wann? Wie? Bisherige Maßnahmen? Eigener Verdacht des Patienten?). Möglicherweise hat man auch schon eine Ahnung, welche Diagnostik erforderlich oder sinnvoll ist.
Dies sollte man auch dann so handhaben, wenn man bereits — zum Beispiel durch die Überweisung oder Einweisung, die Krankenpflegekraft, den Rettungsdienst oder medizinische Fachangestellte — Vorinformationen hat, denn diese können im Einzelfall irreführend sein. Manchmal schätzen die Patienten die Situation auch ganz anders ein oder wissen noch nichts von einem eventuellen Tumorverdacht, so dass es fatal sein kann, mit der Tür ins Haus zu fallen. Ferner sollte man, wann immer möglich, den Patienten direkt ansprechen und nicht zuerst die Angehörigen — auch bei Kindern oder Demenzkranken.
Die typische Urologenfrage! Doch bei einer ganzen Reihe urologischer Erkrankungen sind Miktionsbeschwerden (LUTS) von wegweisender Bedeutung. Nicht selten sind sie sogar der Anlass für die Konsultation eines Urologen. Abgefragt werden die Miktionsfrequenz (z. B. Pollakisurie, Nykturie), Miktionsvolumen (Polyurie), Stärke des Harnstrahls, Dysurie, Strangurie, Hämaturie, Harninkontinenz, Drangsymptomatik, Harnretention (Restharngefühl, Harnverhalt), Pressmiktion, Nachträufeln, gegebenenfalls Pneumaturie oder Fäkalurie.
So sind ein abgeschwächter Harnstrahl verbunden mit einer Pollakisurie und Nykturie — gegebenenfalls in Verbindung mit Nachträufeln, Pressmiktion, Doppelmiktion und/oder Restharngefühl — typische Symptome für eine subvesikale Obstruktion (Prostatahyperplasie, Urethrastriktur), während Pollakisurie in Verbindung mit einer Dysurie für eine Urozystitis sprechen, aber auch in Verbindung mit Fieber und Flankenschmerzen bei einer Pyelonephritis oder Epididymitis auftreten oder dieser vorangehen können.
Eine schmerzlose Makrohämaturie ist ein Alarmsignal, da sie häufig bei einem Tumor der ableitenden Harnwege auftritt und in jedem Fall weiter abgeklärt werden sollte. Die Unterscheidung zwischen einer Drang-, Belastungs- oder Mischinkontinenz ist anamnestisch einfach; im Weiteren kann ein Miktions- und Trinkprotokoll sehr hilfreich sein. Bei chronischen Harnwegsinfekten sind Pneumaturie und/oder Fäkalurie Leitsymptome für eine vesikointestinale Fistel. Eine Pollakisurie in Kombination mit Koliken ist ein typisches Symptom bei einem prävesikalen Harnleiterstein. Es haben schon Patienten, die wegen eines Konkrements das Gefühl eines Harnverhaltes hatten, einen Katheter erhalten, obwohl die Blase leer war.
Die Erkundigung nach der Erektionsfähigkeit gehört bei Männern im Rahmen der urologischen Anamnese auf jeden Fall dazu. Allein schon, weil nicht jeder Patient es – aus falsch verstandener Scham – von sich aus zur Sprache bringt. Eine sachliche Frage des Arztes kann daher Türen öffnen, zumal sie ein wichtiger Baustein in der Diagnostik der erektilen Dysfunktion darstellt. Wenn eine Störung besteht, kann, sofern auch ein Leidensdruck und somit ein Behandlungswunsch besteht, die Problematik durch weiterführende Fragen eingegrenzt werden:
Bedenken sollte man in diesem Zusammenhang, dass eine erektile Dysfunktion Vorbote einer generellen Arteriosklerose oder/und koronaren Herzerkrankung sein kann beziehungsweise Folge einer anderen Erkrankung oder eine Medikamentennebenwirkung (z. B. Betablocker). Vor Einleitung einer medikamentösen Therapie sollte daher gegebenenfalls eine entsprechende Abklärung erfolgen.
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