Reizvolle Lebensumstände halten das Gehirn jung. Forscher wollen nun den Grund für die verlangsamte Zellalterung gefunden haben.
Ob eine Zelle gesund ist oder nicht, entscheidet nicht nur ihr genetischer Bauplan, sondern auch, welche Gene überhaupt an- und ausgeschaltet werden können. Faktoren wie das Alter und die Lebensumstände beeinflussen bekanntermaßen diese Fähigkeit zur Genaktivierung. Forschende wollten nun wissen, wie weit der Einfluss der Umwelt auf die Epigenetik reicht: Dazu verglichen sie Mäuse, die in einer reizreichen Umwelt aufwuchsen mit solchen, die keine Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung hatten.
Bei Untersuchungen des Erbguts stellten die Wissenschaftler fest: Bei jenen Mäusen, die in der interessanten Umgebung aufwuchsen, änderten sich bestimmte chemische Markierungen der DNA nur relativ wenig mit dem Alter. Bei Mäusen aus der reizarmen Umgebung waren diese Veränderungen viel deutlicher ausgeprägt. „Wir haben sogenannte Methyl-Gruppen erfasst, die sozusagen an der DNA kleben“, erläutert Gerd Kempermann, Forschungsgruppenleiter. „Diese chemischen Anhänge verändern nicht die Erbinformation selbst. Vielmehr beeinflussen sie, ob einzelne Gene aktiviert werden können oder nicht.“
Diese epigenetischen Markierungen nehmen mit dem Alter tendenziell ab, doch bei den Tieren mit reizreichen Lebensumständen war der Rückgang an Methyl-Gruppen vergleichsweise gering. Alte Mäusen aus einer abwechslungsreichen Umwelt waren gewissermaßen jung geblieben. Das betraf insbesondere eine Reihe von Genen, die für die Neubildung von Nervenzellen und zellulären Verbindungen im Hippocampus von Bedeutung sind. „Diese Tiere behielten epigenetisch gesehen einen jüngeren Hippocampus“, so Kempermann. Die Gehirne dieser Mäuse waren daher formbarer – Fachleute sprechen von größerer Neuroplastizität –, als bei gleichaltrigen Artgenossen, die sich in einer reizarmen Umwelt entwickelt hatten.
Vorherige Studien zeigten bereits, dass Mäuse, die in einer reizreichen Umwelt aufgewachsen sind, bei Gedächtnistests besser abschneiden als solche aus reizarmer Umgebung. „Die Vermutung liegt nahe, dass diese geistige Fitness auf die Stabilisierung der Methylierungsmuster zurückgeht, die wir nun festgestellt haben“, sagt Kempermann. „Wir haben [...] gute Gründe anzunehmen, dass die epigenetischen Grundprinzipien beim Menschen die gleichen sind wie bei Mäusen.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE). Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Sten Ritterfeld, unsplash.