Für die Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms gibt es verschiedene Ansätze. Die Wahl des Präparats erfolgt anhand spezifischer Parameter. Die Radioligandentherapie mit Lutetium-177 schnitt jetzt in einer Studie gut ab.
Beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom handelt es sich nach wie vor um eine unheilbare tödliche Erkrankung. Es ist der häufigste maligne Tumor beim Mann. In Deutschland macht Prostatakrebs etwa 20 % aller Krebsneuerkrankungen aus, pro Jahr kommen geschätzt 49.000 Patienten dazu. Mittlerweile stehen mehrere Therapien zur Verfügung, die das Fortschreiten der Krankheit verzögern und das Leben der Patienten verlängern können.
Die jüngst für das Prostatakarzinom zugelassenen Medikamente bringen ersten klinischen Nutzen für einige Untergruppen von Patienten, gehen aber auch mit unterschiedlichen Nebenwirkungen einher. Einteilen lassen sich die verwendeten Präparate in zytotoxische, antihormonelle und in Radionuklide. Radioligandentherapien können bei einigen Patienten gezielt auf Prostatakrebszellen einwirken und dabei gleichzeitig die meisten normalen Gewebetypen schonen. Voraussetzung hierfür ist eine Vorauswahl der Patienten mittels Bildgebung – denn die Therapie kommt nicht für alle Prostatakarzinome infrage.
Das Prostata-spezifische Membran-Antigen (PSMA) wird bei metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakrebs (mCRPC) hoch exprimiert. Lutetium-177 (177Lu)-PSMA-617 ist eine Radioligandentherapie, die Betastrahlung an PSMA-exprimierende Zellen und die umgebende Mikroumgebung abgibt.
In einer offenen Phase-III-Studie wurde die Therapie mit 177Lu-PSMA-617 nun bei Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakrebs eingesetzt, die vorher mit mindestens einem Androgenrezeptor-Inhibitor und einem oder zwei Taxan-haltigen Schemata behandelt worden waren. Voraussetzung war außerdem, dass bei allen Patienten PSMA-positive 68Ga-markierte PSMA-11-PET-CT-Scans vorlagen.
Die Patienten wurden für die Studie in einem Verhältnis von 2:1 randomisiert und erhielten entweder 177Lu-PSMA-617 (7,4 GBq alle 6 Wochen für vier bis sechs Zyklen) plus die nach Protokoll erlaubte Standardbehandlung oder nur die Standardbehandlung. Die nach Protokoll zulässige Standardbehandlung schloss Chemotherapie, Immuntherapie und Radium-223 (223Ra) aus. Die primären Endpunkte der Studie waren progressionsfreies Überleben (auf Bildgebung basierend) und Gesamtüberleben. Wichtige sekundäre Endpunkte waren objektives Ansprechen, Progressionsfreiheit und die Zeit bis zum Auftreten symptomatischer skelettassoziierter Ereignisse.
Von Juni 2018 bis Mitte Oktober 2019 wurden insgesamt 831 von 1.179 gescreenten Patienten randomisiert. Die Baseline-Charakteristika der Patienten waren zwischen den Gruppen ausgeglichen. Das mediane Follow-up betrug 21 Monate. Die Ergebnisse der Studie: Die Therapie mit 177Lu-PSMA-617 plus Standardbehandlung verlängerte im Vergleich zur Standardbehandlung signifikant sowohl das progressionsfreie Überleben (8,7 vs. 3,4 Monate (Median); HR für Progression oder Tod 0,40; 99,2 %-KI: 0,29 bis 0,57) als auch das Gesamtüberleben (15,3 vs. 11,3 Monate (Median); HR für Tod 0,62; 95 %-KI: 0,52 bis 0,74).
Alle wichtigen sekundären Endpunkte sprachen ebenfalls signifikant für die Therapie mit 177Lu-PSMA-617. Unter den 581 Patienten der Analysegruppe betrug die mediane Zeit bis zum ersten symptomatischen skelettassoziierten Ereignis oder Tod 11,5 Monate in der 177Lu-PSMA-617-Gruppe, verglichen mit 6,8 Monaten in der Kontrollgruppe (HR 0,50; 95 %-KI: 0,40 bis 0,62). Unter den 248 Patienten mit zu Beginn der Studie gemessenen Zielläsionen gemäß RECIST-Kriterien, wurde ein komplettes Ansprechen bei 17 von 184 Patienten (9,2 %) in der 177Lu-PSMA-617-Gruppe und bei keinem der 64 Patienten in der Kontrollgruppe festgestellt. Ein partielles Ansprechen wurde bei 77 Patienten (41,8 %) in der 177Lu-PSMA-617-Gruppe und bei 2 (3 %) in der Kontrollgruppe beobachtet.
Die Inzidenz von unerwünschten Ereignissen des Grades 3 oder höher war allerdings mit 177Lu-PSMA-617 höher als ohne (52,7 % vs. 38,0 %), hierdurch wurde die Lebensqualität der Probanden jedoch nicht beeinträchtigt.
Ziel der Studie war es, die Wirksamkeit von 177Lu-PSMA-617 in Kombination mit Standardtherapien zu untersuchen, die sicher miteinander kombiniert werden können, um Ärzten ein breites Spektrum an zulässigen Begleitbehandlungen zu bieten.
Die Behandlung konnte positive Effekte in einer Patientenpopulation erzielen, deren Krebserkrankung refraktär gegenüber Therapien mit Androgenrezeptor-Inhibitor sowie Chemotherapeutika war. Nahezu alle eingeschlossenen Patienten (≥ 97 %) hatten bereits Docetaxel erhalten, 38 % waren schon mit Cabazitaxel behandelt worden. In laufenden Phase-III-Studien soll jetzt untersucht werden, ob 177Lu-PSMA-617 im Vergleich zu anderen Behandlungsoptionen einen therapeutischen Nutzen bieten kann, wenn es zu einem früheren Zeitpunkt in der Behandlungssequenz verwendet wird.
Das Fehlen einer Placebo-Kontrolle und eines Doppelblind-Designs sind Einschränkungen, die mit klinischen Studien mit Radiopharmaka im Allgemeinen einhergehen – nicht zuletzt aufgrund der Herausforderungen im Zusammenhang mit Strahlenschutzbestimmungen.
Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass unerwünschte Ereignisse nur bis zu 30 Tage nach der letzten Dosis als während des Behandlungszeitraums erfasst wurden. Das kann zu einer Unterschätzung der Toxizität führen, da die Halbwertszeit von 177Lu sieben Tage beträgt. Bei den Patienten in der 177Lu-PSMA-617-Gruppe, die nach ihrem letzten Zyklus der Radioligandentherapie weiterhin die Standardbehandlung erhielten, wurden unerwünschte Ereignisse während des Behandlungszeitraums daher länger als 30 Tage nach der letzten 177Lu-PSMA-617-Dosis bewertet.
Aufgrund der guten Studienergebnisse für die Therapie mit 177Lu-PSMA-617 erhielt der Hersteller Novartis jüngst von der US-Gesundheitsbehörde FDA den Status „Therapiedurchbruch“ (Breakthrough Therapy Designation).
Die Ergebnisse der Studie untermauern den Nutzen der Therapie für Patienten, die nicht (mehr) auf die Behandlung mit NAADs (Novel Androgen Axis Drugs) und Taxanen ansprechen. Momentan wird die Therapie nur vereinzelt universitär im Setting der therapeutischen Heilversuche angeboten, mit einer Zulassung von 177Lu-PSMA-617 könnte sie auch breiter verfügbar werden.
Zur gesamten Studie kommt ihr hier.
Bildquelle: Aaron Lee, unsplash