Im Bundesjustizministerium arbeitet man mit Hochdruck am neuen Antikorruptionsgesetz. Das Regelwerk hat es in sich. Nebulöse Formulierungen bringen Apotheker in die Bredouille, etwa bei Skonti, Rabatten oder Kooperationen. Verbände fordern dringende Nachbesserungen.
„Korruption im Gesundheitswesen beeinträchtigt den Wettbewerb, verteuert medizinische Leistungen und untergräbt das Vertrauen von Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen“, heißt es vom Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV). Aufgrund der „erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung“ soll jetzt auch strafrechtlich gegen schwarze Schafe im weißen Kittel vorgegangen werden – unter anderem aufgrund eines umstrittenen Gerichtsurteils. Am Entwurf zum neuen Regelwerk scheiden sich die Geister.
In einer ersten Stellungnahme begrüßt Transparency International Deutschland den Gesetzentwurf: Patienten müssten wieder Vertrauen in die Arbeit von Health Professionals haben, und heilberufliche Entscheidungen sollten „frei von unzulässiger Einflussnahme getroffen werden“. Während BMJV-Vertreter mit ihrem Papier vor allem auf Ärzte abzielen, fordert Transparency, alle Vertragspartner gesetzlicher Krankenversicherungen in die Pflicht zu nehmen. Mit dem ministeriellen Ansatz, dass von Amts wegen nur bei besonderem öffentlichem Interesse ermittelt wird, geben sich Transparenzwächter nicht zufrieden. Sie fordern, entsprechende Straftatbestände als Offizialdelikt auszugestalten. Damit wären Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, von sich aus die Initiative zu ergreifen.
Verbände und Interessenvertreter haben weitere Schwachstellen entdeckt. Sie monieren, einige Punkte blieben im Nebulösen. Die ABDA-Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände begrüßt staatliche Pläne, Gesetzeslücken zu schließen, zwar generell. Standesvertreter verweisen in einer Stellungnahme jedoch auf Besonderheiten öffentlicher Apotheken, die „insbesondere in der Begründung des Gesetzentwurfes bislang nicht ausreichend berücksichtigt werden“. Künftig könnte auch jegliches schlichtweg unlautere Verhalten erfasst werden, so der Verband. Dies ginge „erkennbar über die strafrechtliche Bewertung im Rahmen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb hinaus und wohl auch über das Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs“. Eine weite Auslegung des Tatbestands könne dazu führen, dass „Apotheken aus Unsicherheit und Angst vor einer strafrechtlichen Verfolgung schlechtere als die eigentlich zulässigen Einkaufskonditionen akzeptieren und somit auf vom Verordnungsgeber an sich erwünschte Einsparungen verzichten“. Gerade bei Rabatten und Skonti gibt es Experten zufolge strittige Fragen. Unklarheiten könnten ohne böse Absicht bereits zu strafbaren Handlungen führen. Deshalb empfiehlt die ABDA, gesetzlich klarzustellen, dass „geringfügige Verstöße gegen allenfalls wettbewerbsrechtlich relevante Marktverhaltensreglungen nicht vom Tatbestand der geplanten Neureglung des § 299a StGB-E erfasst werden“. Apothekern ist auch wichtig, dass sich ihre Kammern und Verbände am geplanten Informationsaustausch beteiligen.
Der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) schlägt in ähnliche Kerben: Eine „Zwitterstellung“ von Apothekern als Heilberuflern und Kaufleuten solle vom BMJV ausreichend beachtet wird, so das Credo. Kaufmännische Aufgaben dürften nicht kriminalisiert werden. BVDAK-Chef Dr. Stefan Hartmann sagt, „vielfachen unspezifischen Formulierungen“ bedürften dringend einer Erläuterung, die auch den verfassungsrechtlichen Kriterien standhält. Für Apotheken-Kooperationen sei es von grundsätzlicher Bedeutung, dass Strafrechtsanträge nicht von Abmahnvereinen, Verbraucherschutzorganisationen oder Standeskammern gestellt werden könnten. Jetzt befürchtet der Verband, dass schon Zusammenschlüsse als Anfangsverdacht für Korruptionen gelten – obwohl Gesundheitspolitiker mehrfach zur besseren Zusammenarbeit von Heilberuflern aufgerufen hatten.
Rückendeckung erhalten Apotheker vom Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands (SpiFa). Mediziner stören sich ebenfalls an nebulösen Passagen. Sie fordern jetzt einen exakt formulierten Katalog mit Informationen, welche Details unter korruptes Verhalten fallen – und welche nicht. „Die reichlich unspezifischen Formulierungen im Gesetzentwurf öffnen Tür und Tor für Denunziation und ambitionierte, aber uninformierte Staatsanwaltschaften mit Profilierungsbedürfnissen“, so SpiFa-Hauptgeschäftsführer Lars F. Lindemann. Seine Argumentation ist nicht von der Hand zu weisen: Oft führt ein vager Anfangsverdacht – vielleicht durch Konkurrenten – zu brachialen Maßnahmen. Staatsanwälte lassen bei Verdunklungsgefahr schnell Firmen durchsuchen oder verhängen Untersuchungshaft. Ähnlich wie Apotheker stellt Lindemann klar, es sei ein Geburtsfehler dieses Gesetzes, dass Normenkreise aus dem Wettbewerbsrecht der freien Wirtschaft auf das Gesundheitswesen übertragen würden. Diese spezielle Branche sei eben „kein Wirtschaftszweig, der durch die klassischen Faktoren von Angebot und Nachfrage und ein freies Spiel der Akteure bestimmt wird“, sondern vielmehr ein „hochspezialisiertes und immer stärker kooperativ angelegtes System, welches mehr Freiheiten statt weniger braucht“. Das Gesetz behindere Kooperationen und führe alle anderen kooperationsfördernden Gesetzesinitiativen ad absurdum. „Diese Sorge ist unberechtigt“, stellte Staatssekretär Christian Lange (SPD) bei einer Veranstaltung des GKV-Spitzenverbands klar. Jetzt bleibt nur, auf das Gesetz zu warten.