Forscher arbeiten an einer neuartigen molekularen Bildgebung. Ziel ist es, das Proteom auf der Nanoskala abzubilden.
Proteine bestimmen und messen zu können, ist für die biologische und medizinische Forschung von großer Bedeutung. Molekulare Bildgebung eröffnet Einblicke in subzelluläre Vorgänge, die auf der Zusammenarbeit von mehreren tausend Proteinen beruhen. Doch mit konventioneller molekularer Bildgebung lassen sich bisher nur einzelne Proteine zeitgleich darstellen, nicht aber sämtliche Proteine (das Proteom) einer Probe.
Mit einer Kombination von neuartigen (Affinitäts-) Sonden und nanoskaliger Bildgebung will Prof. Silvio Rizzoli, Direktor des Instituts für Neuro- und Sinnesphysiologie der Universitätsmedizin Göttingen, mit einem internationalen Team den Durchsatz bei der molekularen Bildgebung zum Sichtbarmachen von Proteinen deutlich erhöhen.
Die IMAGEOMICS-Strategie soll idealerweise in einem Bildgebungsvorgang Informationen über das gesamte Proteom, also über alle Proteine in Zellen, Geweben oder einer Probe, liefern und so unter anderem den Weg für eine verbesserte Diagnostik verschiedener Krankheiten ebnen. Das Projekt startet am 1. Juli 2021.
Das Schlüsselprinzip der biologischen Bildgebung ist die spezifische Markierung. Das interessierende Protein wird erst durch die Markierung sichtbar. Die konventionelle molekulare Bildgebung zur Detektion von Proteinen verwendet Fluorophore (Fluroreszenzmarkierung) oder Antikörper, die auf einzelne Proteine gerichtet sind.
Dieses Verfahren ist seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich, hat aber den großen Nachteil, dass jedes Protein einzeln markiert werden muss: Für jedes Protein werden spezifische Antikörper benötigt. Zudem kann nur eine sehr begrenzte Zahl von Antikörpern gleichzeitig zum Einsatz kommen. Diese Einschränkungen verhindern, dass die molekulare Bildgebung für Proteine zu einem „Omics“-Ansatz mit hohem Durchsatz wird.
Das neue Projekt zielt nun darauf ab, diese Einschränkung durch neuartige Affinitätssonden zu beheben. „Wir werden Affinitäts-sonden entwickeln, die mit hoher Spezifität nicht an bestimmte Proteine binden, sondern an Aminosäuresequenzen (Peptide), die in mehr als einem Protein vorhanden sind“, sagt Rizzoli. Über 20 bis 40 solcher Peptide will das IMAGEOMICS-Team so auswählen, dass praktisch jedes Protein im menschlichen Proteom eine bestimmte Untergruppe der Peptide enthält.
In einem nächsten Schritt werden die Wissenschaftler dann sogenannte Nanobodies entwickeln, die an jedes dieser Peptide binden und sie zur Markierung biologischer Proben verwenden. Nanoantikörper sind als Antikörperfragmente sehr viel kleiner als klassische Antikörper und dringen optimal in biologische Proben ein. „Die so markierten biologischen Proben wollen wir im Nanomaßstab mit einer Auflösung abbilden, die ausreicht, um einzelne Proteine auf-zudecken. Auf diese Weise ‚lesen‘ wir die Sequenz jedes Proteins im Präparat. Das führt zu einem Bild seines gesamten Proteoms“, sagt Rizzoli.
Mit der Anwendung des Ansatzes wollen die IMAGEOMICS-Wissenschaftler zunächst auf zweidimensionalen Proben beginnen, wie zum Beispiel auf Deckgläsern adsorbierte Flüssigkeiten. Damit könnte der Grundstein für zukünftige diagnostische Studien für eine Vielzahl menschlicher Erkrankungen gelegt werden, die auf menschlichen Flüssigkeiten, wie Plasma oder Liquor basieren.
In einem späteren Stadium wollen die Wissenschaftler in der Lage sein, Zellen und Gewebe zu analysieren, indem sie dreidimensionale proteomische Bilder erzeugen. Rizzoli ist überzeugt: „Dieser Ansatz wird die Antikörper-basierte Bildgebung, Blotting und Diagnostik obsolet machen und hat daher ein immenses Potenzial.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universitätsmedizin Göttingen – Georg-August-Universität.
Bildquelle: Nick Fewings, unsplash