Blutstammzellen in Hirntumoren unterdrücken offenbar das Immunsystem. Diese Entdeckung könnte nun helfen, wirksamere Immuntherapien zu entwickeln.
Glioblastome sind schwer behandelbare Hirntumoren mit einem zumeist tödlichen Verlauf. Auch Immuntherapien, die bei anderen Krebsarten bereits gute Erfolge erzielen, schlagen nicht an. Die Ursachen sind bis heute nicht eindeutig geklärt.
Forscher haben Proben von Glioblastomen mit gesundem Gehirngewebe verglichen. Dabei entdeckten sie erstmals Blutstammzellen und Vorläuferzellen des blutbildenden Systems im bösartigen Gewebe, die normalerweise im Knochenmark angesiedelt sind. In gesunden Gewebeproben war dieser Zelltyp nicht nachweisbar.
Noch erstaunlicher war ihre Beobachtung, dass diese bislang unbekannten Blutstammzellen offenbar das Immunsystem unterdrücken und zugleich das Tumorwachstum befeuern: „Glioblastome produzieren immunsuppressive Botenstoffe und in der direkten Mikroumgebung der Tumoren finden sich bestimmte Arten von Immunzellen, die die körpereigene Abwehr gezielt drosseln. In unseren Zellkultur-Testsystemen konnten Blutstammzellen die Teilungsaktivität der Krebszellen noch steigern, während die Tumorzellen gleichzeitig die Produktion des als ‚Immunbremse’ bekannten Moleküls PD-L1 (Programmed cell death 1 ligand 1) auf ihrer Oberfläche erhöhten“, erläutert Krebsforscher Björn Scheffler.
Die Forscher kamen zu dem Ergebnis: Je mehr Blutstammzellen ein Tumor enthielt, desto mehr immunsuppressive Botenstoffe wurden ausgeschüttet, desto mehr immunbremsende Marker bildeten die Krebszellen – und desto geringer war das Gesamtüberleben der Betroffenen.
Zudem verglich das Team gesunde mit kranken Zellen. Durch die Sequenzierung der Genexpression von 660 individuellen Zellen aus vitalem Tumorgewebe konnten Profile erstellt und den Zellen aus gesundem Knochenmark und Blut gegenübergestellt werden.
Die Analyse dieser Daten zeigt einige neue Ansätze auf, wie die untersuchte, tumorfördernde Zellpopulation künftig unschädlich gemacht werden könnte.
Dass Blutstammzellen im Knochenmark im Verlauf von Krebserkrankungen bei ihrer Differenzierung bevorzugt zu immunsuppressiven Zelltypen ausreifen, indem sie vom Tumor entsprechend programmiert werden, war der Forschung bereits bekannt.
Krebsforscher Igor Cima vermutet ein ähnliches Phänomen jetzt auch bei den Glioblastom-assoziierten Blutstammzellen: „Wir sehen nun erstmals die Möglichkeit, im Rahmen weiterer Forschungsvorhaben modulierend in den Differenzierungsprozess der gliomassoziierten Blutstammzellen einzugreifen – z. B. durch bestimmte Zellbotenstoffe – und auf diese Weise die tumorbedingte Immunblockade zu umgehen. Dann hätten Immuntherapien auch gegen das Glioblastom eine bessere Chance auf Wirksamkeit.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Wilhelm Sander-Stiftung. Die Originalpublikation findet ihr hier.
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