Ein Corona-Test, der viele Abstriche gleichzeitig analysiert und dabei trotzdem so genau wie das PCR-Verfahren ist? Das geht – und deutsche Humangenetiker stellen dazu jetzt ihre Arbeit vor.
Um in der Corona-Pandemie das Infektionsgeschehen effektiv überwachen und eindämmen zu können, bleibt neben der Impfung die systematische Testung der Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Nur so kann die Ausbreitung des Virus effektiv überblickt und durch gezielte Maßnahmen eingedämmt werden.
Der neue Corona-Test LAMP-Seq, der am Universitätsklinikum Bonn (UKB) entwickelt worden ist, bietet die Möglichkeit, viele Menschen regelmäßig auf SARS-CoV-2 zu testen. So können Infektionen frühzeitig erkannt und entsprechende Infektionsketten schnell unterbrochen werden. „Unser Corona-Test LAMP-Seq ist etwa 100-mal empfindlicher als die aktuell weit verbreiteten Antigen-Schnelltests und fast so sensitiv und spezifisch wie der gängige qPCR-Test“, beschreibt Prof. Jonathan Schmid-Burgk vom Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie des UKB die Eigenschaften des Testverfahrens.
„Hinzu kommt die hohe Skalierbarkeit des Tests. Durch den Einsatz von Sequenziermaschinen lassen sich tausende Proben gleichzeitig analysieren“, so Schmid-Burgk. Das LAMP-Seq-Verfahren erkennt dabei nicht nur Corona-Infektionen mit dem Ursprungsvirus, sondern auch solche mit neuartigen Mutanten der Varianten Alpha bis Delta.
Für den Test haben die Bonner Wissenschaftler das bereits etablierte LAMP-Verfahren (Loop-mediated Isothermal Amplification, Vermehrung des Virusgenoms bei einer konstanten Temperatur) adaptiert und es mit Sequenziermaschinen aus der biomedizinischen Forschung kompatibel gemacht. Im Ergebnis lassen sich viele Proben gleichzeitig im Hochdurchsatzverfahren analysieren.
Ermöglicht wird dieses labordiagnostische Verfahren durch eine Innovation von Schmid-Burgk: Bevor tausende Proben in einem Sequenzierlauf zusammen analysiert werden, wird jede einzelne Probe mit einem molekularen Barcode verknüpft. Dieser Barcode sorgt dafür, dass jede Probe auch nach dem Pooling tausender Proben zweifelsfrei zugeordnet werden kann. „Eine Nachtestung des gesamten Pools bei einem positiven Testergebnis ist daher nicht mehr notwendig“, so Dr. Kerstin Ludwig, Gruppenleiterin am Institut für Humangenetik. Diese Technologie senkt die Kosten pro Test im direkten Vergleich zum qPCR-Test deutlich und macht das Verfahren zu einem skalierbaren Corona-Massentest.
„Mit seinem großen Durchsatz und der hohen Sensitivität kann der LAMP-Seq-Test einen wesentlichen Beitrag zum Screening von unerkannten Infektionen leisten. Gerade in Schulen oder Betrieben, wo sich viele Menschen regelmäßig begegnen, ist unser Corona-Test ideal, um das Infektionsgeschehen systematisch und präventiv zu monitoren“, beschreibt die Co-Entwicklerin des Test-Verfahrens die möglichen Einsatzszenarien.
Bereits kleinere Modelle der eingesetzten Sequenziermaschinen sind in der Lage in einem einzigen Lauf (Dauer: etwa zehn bis zwölf Stunden) rund 10.000 Proben zu analysieren. Damit werden die Laborkapazitäten als limitierender Faktor in der Testung nahezu ausgeschlossen. In mehreren großen Studien (unter anderem Schul- und Mitarbeitertestung) mit insgesamt rund 20.000 Testungen haben die Bonner Wissenschaftler die gesamte vor- und nachgelagerte Logistik, von der Probennahme per Rachenabstrich bis hin zur volldigitalen Rückmeldung der Testergebnisse ausführlich getestet, optimiert und erfolgreich validiert. Die Dokumentation der Studienergebnisse hat kürzlich einen unabhängigen Peer-Review-Prozess durchlaufen und wurde in Nature Biotechnology veröffentlicht.
LAMP-Seq soll in Zukunft auch differentialdiagnostisch bei der Testung auf andere Viren wie Influenza A einsetzbar und auch für weitere Pandemien schnell adaptierbar sein. Aktuell arbeiten die Wissenschaftler an der CE-Kennzeichnung im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahrens, um den Test zeitnah international verfügbar zu machen. Bis diese Zulassung vorliegt, wird das technisch und wissenschaftlich vollständig validierte Verfahren weiterhin für Pilot-Testungen eingesetzt.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Bonn. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Testalize.me, Unsplash