Die Impfquoten steigen weltweit. Gleichzeitig gibt es immer mehr Berichte über Durchbruchsinfektionen. Sind Ärzte und Pflegekräfte besonders gefährdet? Eine neue Studie aus Israel gibt erste Hinweise.
Trotz der hohen Wirksamkeit des Impfstoffs von Biontech steigt mit wachsender Impfquote und dem Aufkommen von SARS-CoV-2-Varianten die Zahl der Durchbruchsinfektionen. Eine Studie, die jetzt im New England Journal veröffentlicht wurde, hat sich mit diesen sogenannten Breakthrough Infections genauer auseinandergesetzt – und zwar bei geimpften Mitarbeitern des israelischen Gesundheitswesens.
Die Studie umfasste Daten zu einer Kohorte von 1.497 vollständig geimpften Angestellten des Sheba Medical Center in Ramat Gan, die unter anderem Auswertungen von RT-PCRs, Antigen-Schnelltests, serologischen Untersuchungen und Genomsequenzierungen enthielten. Daneben wurde auf die Symptomatik der Probanden sowie auf bereits bekannten Kontakt zu Infizierten geachtet. Die Forscher sammelten die Daten in einem Zeitraum von 14 Wochen im Frühjahr 2021. Das Studiendesign entsprach einer matched case-control analysis, um mögliche Korrelationen der Durchbruchsinfektionen zu identifizieren
Eingeschlossen in die Auswertung wurden vollständig geimpfte Heilberufler mit Nachweis einer Durchbruchsinfektion, bei denen in der Woche vor der entsprechenden PCR eine Antikörperserologie durchgeführt worden war. Dabei mussten auch Daten zu neutralisierenden Antikörpern vorliegen. Dies traf am Ende auf 22 Probanden zu, die dann jeweils mit vier bis fünf Kontrollprobanden aus einer nicht-infizierten, ebenfalls doppelt geimpften Kohorte gematcht wurden.
Im Vergleich zu den nicht-infizierten Probanden der Kohorte wiesen die infizierten Probanden mit Durchbruchsbruchinfektion niedrigere neutralisierende Antikörpertiter auf. Höhere Antikörpertiter waren in der Gruppe der Durchbruchsinfektionen wiederum mit einer geringeren Infektiosität assoziiert, gemessen als höherer Ct-Wert.
Klinisch wiesen die meisten Infizierten einen milden (67 %) bis asymptomatischen (33 %) COVID-19-Verlauf auf. Am häufigsten waren Verstopfung der nasalen Atemwege bei 36 %, gefolgt von Myalgie und Geruchs- und Geschmacksverlust bei je 28 %, außerdem Fieber und Schüttelfrost bei 21 % der Patienten. 19 % der Betroffenen berichteten über persistierende Symptome, die mehr als 6 Wochen anhielten. Als Long-Covid-Symptome wurde von anhaltendem Geruchsverlust und Husten, sowie Müdigkeit, Dyspnoe und Myalgie berichtet.
Unter den Betroffenen wurde bei 85 % die Alpha-Variante identifiziert. Die Delta-Welle hatte zu dieser Zeit noch nicht begonnen. Etwa 74 % der Probanden mit Durchbruchinfektion wiesen während der Infektion zeitweilig einen Ct-Wert von unter 30 auf, was einer hohen Viruslast entspricht. Ein positives Antigen-Testergebnis lag bei 59 % der Patienten vor. Es wurden keine Sekundärinfektionen dokumentiert.
In dieser Studie wurde bei lediglich 39 der rund 1.500 vollständig geimpften Mitarbeiter mit verfügbarem PCR-Ergebnis eine Durchbruchsinfektion festgestellt.
Auf Basis niedriger Ct-Werte war die Mehrheit der Betroffenen wahrscheinlich zumindest zeitweise infektiös. Darunter waren auch Probanden, die einen asymptomatischen Verlauf hatten sowie Probanden, die eine Infektion hatten, die mit einem Schnelltest nicht erfasst wurde.
Jedoch kann sich die Nutzung des Ct-Werts zur Bestimmung der Viruslast als tückisch erweisen. So entspricht ein hoher Ct-Wert nicht zwangsläufig einer niedrigen Infektiosität der Infizierten, da ein PCR-Test immer eine Momentaufnahme ist. Der Getestete kann innerhalb weniger Stunden ansteckend werden. Anderseits bedeutet ein niedriger Ct-Wert nicht unbedingt eine hohe Infektiosität. Der Wert sagt nichts über die tatsächliche Vermehrungsfähigkeit von Viren aus. Denn die nachgewiesene Virus-RNA kann bereits durch das Immunsystem inaktiviert worden sein. Das könnte auch erklären, warum es keine Sekundärinfektionen gab.
So wie jede Studie hat auch diese ihre Limitierungen: Darunter sind die geringen Fallzahlen, trotz umfassender Dokumentation, sowie eine Kohorte aus hauptsächlich jungen und gesunden Personen. Darüber hinaus waren alle Durchbruchsinfektionen mild und erforderten keine Hospitalisierung. Daher konnten die Forscher keine Korrelation zwischen der Impfung und dem Schutz vor Hospitalisierungen oder schweren Verläufen bei Älteren bestimmen. Auch die Unterschiede im Risiko einer Virus-Exposition wurden zwischen den Gruppen nicht erfasst, sodass der tatsächliche Schutz nicht eingeschätzt werden konnte. Zudem erhoben die Wissenschaftler die Daten zu einem Zeitpunkt, an dem die Alpha-Variante dominierte. Zur aktuellen Lage und der Delta-Variante können daher keine Aussagen getroffen werden.
Die Autoren betonen, dass die Ergebnisse einmal mehr auf eine starke Wirksamkeit von Comirnaty® hindeuten, dass aber seltene Durchbruchsinfektionen dennoch ein infektiöses Potenzial bergen. Dies stelle im medizinischen Umfeld eine besondere Herausforderung dar, weil dort besonders viel Kontakt zu gefährdeten Bevölkerungsgruppen bestehe.
Das Robert-Koch-Institut veröffentlicht wöchentlich einen Lagebericht, der auch die Anzahl der Impfdurchbrüche erfasst. Dabei sind die ab dem 1. Februar 2021 gemeldeten Fälle dokumentiert. Dies ist durch die Definition des Impfdurchbruchs begründet, bei der eine Infektion mindestens zwei Wochen nach Erhalt der Zweitdosis oder später erfolgen muss.
Insgesamt wurden seitdem 20 COVID-19-Fälle mit vollständiger Impfung bei Personen unter 18 Jahren dokumentiert. Bei den 18- bis 59-Jährigen waren es 3.572 und bei den über 60-Jährigen 2.533, wodurch sich eine gesamte Anzahl von 6.125 Durchbruchsinfektionen ergibt. Die Virusvarianten scheinen sich bei den Durchbruchsinfektionen in den Altersgruppen unterschiedlich zu verteilen:
Erwähnenswert dabei ist jedoch auch die Impfquote, die in der jüngsten Altersgruppe lediglich 1,2 % beträgt, in der mittleren Altersgruppe 35,7 % und 65,8 % bei den Älteren.
Die Hospitalisierungsrate unter den Personen mit Durchbruchsinfektionen liegt bei den über 60-Jährigen bei 27 %, wohingegen von den unter 18-Jährigen keiner ins Krankenhaus eingewiesen wurde und die 18- bis 59-Jährigen lediglich einen Anteil von 2 % ausmachen.
Die Durchbruchsinfektionen bekamen zuletzt auch immer mehr mediale Aufmerksamkeit, jedoch kann es leicht zu Fehlinterpretationen kommen. Wichtig ist, zu beachten, dass bei einer steigenden Impfquote mehr Menschen vollständig geimpft sind und somit auch der Anteil der Geimpften steigt, die sich infizieren. Unter den SARS-CoV-2 positiv getesteten Personen sind somit auch zunehmend Geimpfte. Das sollte aber nicht zu der verallgemeinerten Aussage „Immer mehr Geimpfte infizieren sich“ führen.
Dass es zu derartigen Impfdurchbrüchen kommen wird, war bereits in den klinischen Phase-III-Studien zur Wirksamkeitsprüfung der erhältlichen Impfstoffe absehbar. Denn einen 100-prozentigen Schutz gegen eine SARS-CoV-2-Infektion bieten die Impfstoffe nicht – dass die Impfungen überhaupt nicht mehr schützen, dafür gibt es aber bislang keine Hinweise, auch trotz vermehrter Durchbruchsinfektionen nicht.
Bildquelle: JC Gellidon, Unsplash