Vertrauen Hunde darauf, was der Mensch ihnen anzeigt – auch wenn es falsch ist? Und erkennen sie dabei, ob diese Lüge absichtlich oder aus Versehen passiert? Das untersucht eine spannende Studie.
Bereits seit mehreren Jahren untersuchen Wissenschafter der Veterinärmedizinischen Universität Wien am Clever Dog Lab des Messerli Forschungsinstituts die Fähigkeit von Hunden zum Perspektivenwechsel. Dies gilt als Fähigkeit, die eine Vorstufe des Verstehens von Überzeugungen ist. Bis dato wurde sie – außer beim Menschen – nur bei Menschenaffen nachgewiesen. In einer früheren Studie konnten Hunde den Unterschied zwischen einer menschlichen Helferin, die den Ort des versteckten Futters sehen konnte, und einer, welche nur raten konnte, erkennen. Allerdings ist diese Erkenntnis nicht ausreichend, um zu beweisen, dass Hunde über die geistigen Zustände von Menschen Vermutungen anstellen.
In ihrer nun veröffentlichten Studie untersuchten die Forscher deshalb in einem weiteren Schritt, ob Hunde bei Menschen auch den Unterschied zwischen einer wahren und einer falschen Überzeugung erkennen können. Dieses sogenannte „False Belief“-Verständnis ist so etwas wie der Goldstandard, um den Beginn des „Gedankenlesens“ („Mindreading“ oder „Theory of Mind“) bei Kindern im Alter von etwa vier bis fünf Jahren zu demonstrieren.
Laut Ludwig Huber, Leiter des Messerli Forschungsinstituts und der Abteilung Vergleichende Kognitionsforschung an der Vetmeduni Vienna, bestätigen und erweitern die Ergebnisse der Arbeit die früheren Befunde zur Perspektivenübernahme bei Hunden, denn sie legen ein implizites Verständnis falscher Überzeugungen nahe. „Bei Kindern und Menschenaffen neigt die Fachwelt mehrheitlich zur Ansicht, dass sich aus dem Verständnis falscher Überzeugungen die Fähigkeit zu einer Art von Gedankenlesen ableiten lässt. Der Nachweis beim Hund bedeutet, dass er demnach nicht nur der beste Freund des Menschen, sondern womöglich auch sein verständnisvollster wäre“, so Huber.
Inspiriert von früheren Arbeiten mit Menschenkindern und Menschenaffen entwickelten die Forscher ein nonverbales Spiel. Dabei hatten zwei Hundegruppen die Möglichkeit, Futter in einem von zwei Behältern (Behälter A und B) zu finden. Der Verhaltenstest mit mehr als 200 Hunden brachte vier interessante Ergebnisse.
„Erstens wählten die meisten Hunde den richtigen Behälter B, sie passten offenbar gut auf und ließen sich nicht vom doppelten Verstecken beirren. Das zweite und vielleicht wichtigste Ergebnis war, dass von den restlichen Hunden, welche dem falschen Hinweis folgten, ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Hundegruppen bestand“, sagt Huber. Damit kann die Hypothese bestätigt werden, dass Hunde den Unterschied zwischen den Überzeugungen der beiden Kommunikatorinnen im Test erkannten. „Das dritte Ergebnis war überraschend, denn anders als bei Kindern und Menschenaffen taten dies mehr Hunde in der Gruppe der Kommunikatorin mit der falschen Überzeugung.“
„Das noch überraschendere Ergebnis war jedoch das vierte, dass nämlich das Verhalten in dieser Aufgabe zwischen den Rassegruppen der Hunde (FCI) erheblich variierte, wobei eine Gruppe stark von allen anderen abwich: Terrier (FC 3) verhielten sich wie Menschenkinder und Menschenaffen, indem sie dem irreführenden Hinweis der Kommunikatorin mit falscher Überzeugung seltener folgten“, so Huber weiter.
Zunächst sahen die Hunde, wie eine Studentin (die „Versteckerin“) nacheinander das Futter zunächst in Behälter A platzierte und später in Behälter B umlagerte. Bevor die Hunde jedoch ihre Wahl treffen durften, erhielten sie von einer anderen Studentin (der „Kommunikatorin“) einen Hinweis auf den Ort des Verstecks, obwohl die Hunde alles sehen konnten. Doch dieser Hinweis war falsch. Würden die Hunde ihrem Wissen oder dem falschen Hinweis der Kommunikatorin folgen?
Um zu verstehen, was Hunde dazu bewegt, wenn sie tatsächlich dem falschen Hinweis folgen, verglichen die Wissenschafter das Verhalten von zwei Gruppen von Hunden, welche den Hinweis von einer Kommunikatorin mit unterschiedlichem Wissen bekamen. Eine der beiden konnte nur den ersten Teil der doppelten Versteckprozedur beobachten, das Verstecken des Futters im Behälter A. Danach verließ die Kommunikatorin für kurze Zeit den Raum, während die Versteckerin das Futter aus Behälter A herausnahm, vor den Augen des Hundes vorbeitrug und dann für den Hund gut sichtbar in den Behälter B legte. Somit hatte die Kommunikatorin nach ihrer Rückkehr aufgrund der fehlenden Beobachtung eine falsche Überzeugung über den Ort des Futters. Ihr Hinweis auf den falschen Behälter A könnte mit dieser falschen Überzeugung erklärt werden.
Für die andere Hundegruppe hatte die Kommunikatorin eine korrekte Überzeugung über den Ort des Futters, denn sie konnte den Wechsel des Futters zu Behälter B mitverfolgen – auch sie war kurz draußen, aber nicht während der Umlagerung des Futters. Doch auch sie zeigte auf das falsche Versteck. Die Tatsache, dass Hunde – anders als Kinder und Menschenaffen – eher der Kommunikatorin mit der falschen Überzeugung folgen, könnte dadurch erklärt werden, dass die Hunde den (falschen) Vorschlag der unwissenden Kommunikatorin als Fehler nachsahen, den Vorschlag des wissenden Kommunikators aber als betrügerisch oder von einer anderen unbekannten Absicht getrieben. Schließlich sind auch menschliche Gesellschaften im Allgemeinen nachsichtiger gegenüber versehentlichen als gegenüber absichtlichen Verstößen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Die Originapublikation haben wir euch hier und im Artikel verlinkt.
Bildquelle: Taylor Kopel, Unsplash