Über die Infektiosität bei Delta-Durchbrüchen wird in letzter Zeit viel spekuliert. Neue Studien liefern jetzt überraschende Ergebnisse.
Mehrere Studien haben sich mittlerweile mit geimpften Menschen beschäftigt, die Durchbruchsinfektionen entwickeln. Viel diskutiert wurde die „Wisconsin-Studie“ aus den USA: Die US-Forscher analysierten für ihre Untersuchung zwischen dem 29. Juni und dem 31. Juli 2021 Atemwegsproben von knapp 719 Corona-positiven Personen im US-Bundesstaat Wisconsin. Die Delta-Variante machte dabei anfangs 69 Prozent aller sequenzierten Proben aus. Der Anteil erhöhte sich zum Ende des Untersuchungszeitraums auf 95 Prozent. Geimpft waren 311 Teilnehmer, 408 waren ungeimpft. Bei 516 der 719 Fälle lagen zudem Daten zum Symptomstatus vor.
Wie die Forscher feststellten, hatte eine vollständige Impfung keinen Einfluss auf die Ct-Werte von Infizierten. Die meisten PCR-Tests der 311 geimpften, Corona-positiven Personen wiesen einen Ct-Wert von weniger als 25 auf (insgesamt 68 Prozent). Wenn man nur die asymptomatischen Infizierten betrachtete, bot sich folgendes Bild: 67 Prozent (8 von 12) der vollständig Geimpften ohne Symptome wiesen einen Ct-Wert unter 25 auf. Bei den zum Testzeitpunkt asymptomatischen Ungeimpften wurden in 29 Prozent der Fälle (7 von 24) Ct-Werte unter 25 festgestellt. Da der Ct-Wert allein keine Aussagekraft über eine mögliche Infektiösität geben kann, haben die Forscher Viren von 55 Proben mit Ct-Werten von weniger als 25 angezüchtet. Bei 95 Prozent der Proben, die von Geimpften entnommen wurden, und bei 88 Prozent der Proben Ungeimpfter konnte das Forscherteam infektiöse Viren nachweisen.
Die Studie gab zum damaligen Zeitpunkt erstmalig anhand der Kultivierung von Virusmaterial Hinweise darauf, dass geimpfte Infizierte auch sehr ansteckend sein können. Die Autoren empfahlen daher, dass geimpfte Personen in Innenräumen und bei Menschenansammlungen weiterhin Masken tragen sollten und zudem auf SARS-CoV-2 getestet werden, wenn sie in Kontakt mit Infizierten waren oder COVID-Symptome aufweisen.
Schon zum Zeitpunkt der Wisconsin-Studie deutete sich allerdings an, dass es hinsichtlich Infektiosität doch ein paar Unterschiede zwischen den ungeimpften Infizierten und den Geimpften mit Durchbruchsinfektionen geben dürfte. So zeigte eine ebenfalls viel zitierte Studie aus Singapur, dass die Peak-Ct-Werte zwischen beiden Gruppen zwar ähnlich sind, dass sie aber bei Geimpften mit Infektion rascher wieder abfallen. Das wiederum dürfte sich in eine insgesamt geringere Infektiosität übersetzen lassen.
Jetzt gibt es ganz neue, ebenfalls bisher nur als Preprint veröffentlichte Daten aus den Niederlanden. Die niederländische Studie vom Erasmus Medical Center in Rotterdam untersuchte ebenfalls Impfdurchbrüche auf ihre virologischen Eigenschaften, und zwar bei 24.706 Krankenhausmitarbeitern mittels RT-PCR und Viruskultivierung. Die Untersuchungen erfolgten im Zeitraum zwischen April und Juli 2021 bei Mitarbeitern, die vollständig mit einem mRNA- oder Vektor-basierten Vakzin geimpft wurden.
Insgesamt wurden 161 Fälle von Impfdurchbrüchen erfasst, wovon in 90,5 Prozent Delta nachgewiesen wurde. Das durchschnittliche Alter der Infizierten lag bei 25,5 Jahren, wobei 91 Prozent unter 50 Jahre alt waren. Alle Infektionen fielen mild aus, sodass keine Hospitalisierungen erforderlich waren. Die Daten wurden zusätzlich mit Auswertungen von Mitarbeitern mit Primärinfektionen (hauptsächlich D614G) verglichen.
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Ein Anteil von 68,3 Prozent der geimpften Healthcare Worker mit Durchbruchsinfektion wies eine auf Infektiosität hindeutende Viruslast – Ct-Werte < 30 – innerhalb der ersten drei Tage der Erkrankung auf. Der mittlere Ct-Wert betrug 24,6, sehr ähnlich wie bei den ungeimpfgten Infizierten, wo es 24,2 waren. Bei der Viruskultur-Analyse zeigte sich bei den Niederländern aber ein anderes Bild als bei den Forschern aus Wisconsin: Trotz ähnlicher Ct-Werte ließen sich bei den geimpften Infizierten weniger infektiöse Viren in den Atemwegsproben nachweisen. Konkret wies bei den Ungeimpften ein Anteil von 84,9 Prozent einen positiven Nachweis von SarsCoV2-Viren in der Viruskultur auf. Bei den Geimpften mit Durchbruchsinfektionen lag der Anteil der Patienten mit positiver Viruskultur nur bei 68,6 Prozent.
Die Unterschiede betrafen vor allem die „mittleren“ Ct-Bereiche, eher weniger dagegen die Patienten mit sehr niedrigen Ct-Werten, bei denen das Risiko, Superspreader zu werden, besonders hoch ist. Auch die Rotterdam-Studie ist deswegen kein Argument gegen Tests von Geimpften. Die Autoren sehen die Daten aber durchaus als einen Hinweis darauf, dass die SARS-CoV-2-Impfstoffe auch in Bezug auf Infektiosität bei Durchbruchsinfektionen eine relevante Wirksamkeit aufweisen. Anders formuliert: Der R-Wert bei geimpften mit Durchbruchsinfektion ist wahrscheinlich geringer als bei ungeimpften Infizierten, trotz ähnlicher Ct-Werte.
Unabhängig von all diesen Überlegungen, die sich auf Durchbruchsinfektionen beziehen, wirkt die Impfung auch durch eine Verringerung Infektionszahlen übertragungspräventiv. Sich zu impfen ist also nicht nur Selbstschutz, sondern auch weiterhin Fremdschutz.
Bildquelle: Nina Luong, unsplash