1,4 Millionen Dollar für eine medizinische Studie, 25.000 Dollar für ein Projekt zur Krebsforschung, 40.000 Euro für einen medizinischen Rucksack. Crowdfunding-Projekte im medizinischen Bereich boomen. Auch Studenten entdecken die Möglichkeiten der Gruppenfinanzierung für sich.
Crowdfunding ist momentan ein heißes Thema in der Gesundheitsbranche. Vor zehn Jahren noch relativ unbekannt, existieren heute mittlerweile einige Portale, die um die Gunst der Geldgeber buhlen. Die zusammenkommenden Geldsummen gehen von kleinen Beträgen wie 1.000 Euro bis hin zu mehreren Millionen. Das unterstreicht auch die Ernsthaftigkeit hinter dem Thema: Crowdfunding hat sich zu einer ernstzunehmen Alternativfinanzierung entwickelt. Gerade für medizinische Sozialprojekte ist Crowdfunding zu einer echten Chance geworden - mit Kleinstbeträgen können sich die Menschen leicht einbringen und somit etwas bewegen. Es gibt zahlreiche Portale, auf denen man Startups und Projektideen vorstellen kann. So wie MEandYou. Die norwegische Medizinerin Maria Gjerpe suchte 2013 finanzielle Unterstützung. Sie wollte eine große Studie zu dem Krebsmedikament Rituximab durchführen lassen, um seine Wirkung auf Patienten zu testen, die unter dem chronischen Erschöpfungssyndrom CSF leiden. Die Norwegerin ist selbst von der Krankheit betroffen und erfuhr im Rahmen einer kleinen Studie deutliche Besserung nach Einnahme des Medikaments. Da sich der Herstellerkonzern nicht für eine Studie interessierte, versuchte Gjerpe auf anderem Wege Geld einzutreiben. Per Crowdfunding hoffte sie, die nötigen 1,2 Millionen Dollar dafür aufzutreiben. Zwar konnte Gjerpe in der gesetzten Frist von 90 Tagen „nur“ gut ein Drittel der Summe zusammentragen. Dafür erzeugte sie aber so viel Medienresonanz, dass sich die norwegische Regierung inzwischen entschlossen hat, den fehlenden Betrag beizusteuern, sodass die Studie nun vollständig finanziert ist.
Solche Initiativen sind längst keine Einzelfälle mehr. Auf der Crowdfunding-Website Consano.org finden sich unter anderem Spendenaufrufe für Studien, die den Einfluss von Vitamin D auf Darmkrebs, neue Therapieansätze gegen Typ-1-Diabetes oder neue Behandlungsformen bei Lungenkrebs untersuchen wollen. Auf MedStartr.com kann man die Entwickler einer Smartphone-App für die Erste Hilfe bei Herzinfarktopfern unterstützen. Auf der Plattform Watsi werden Spenden für die medizinische Behandlung von Patienten in den ärmsten Weltregionen gesammelt. Und die Frankfurter Website aescuvest.de fördert medizinisch relevante Produkte und Dienstleistungen, wie den Anamneseguide für Ärzte. Dabei handelt es sich um einen Anamnesebogen, der online beginnt und dann beim Arzt im Sprechzimmer fortgesetzt wird. Die Software soll die künftige Kommunikation zwischen Arzt und Patient erleichtern, da sie räumlich und zeitlich unabhängig von der Praxis funktioniert. Auf startnext, einer deutschen Crowdfunding-Plattform, präsentierten die drei Ingenieure Raphael Schönweitz, Philipp Odernheimer und Martin Reh die Idee eines medizinischen Rucksacks, der keimfreies Operieren in entlegenen Regionen der Welt ermöglichen soll. Sie erreichten nicht nur ihr Funding-Ziel von 40.000 Euro, sondern bekamen weit mehr Spenden als gedacht. Auch Medizinstudenten kommen immer mehr auf den Geschmack des Crowdfundings. In Dresden beispielsweise startete vor kurzem eine Aktion zum Ausbau des Trainingsangebotes künftiger Mediziner. Finanziell unterstützt werden soll das „MITZ“, das Medizinisch Interprofessionelle Trainingszentrum. Mithilfe der Schwarmfinanzierung erhoffen sich die Dresdner Medizinstudenten, bis zum 17. April das MITZ bei der Anschaffung von Simulatoren, Übungsmaterialien und einer Fortbildung studentischer Tutoren zu unterstützen. Dafür sind 2.000 Euro nötig. Wir haben mit dem Organisator Robert Bozsak über sein Projekt gesprochen. © Robert Bozsak DocCheck: Robert, beschreibe uns bitte Deine Aktion “Wir sammeln für das MITZ“ des Förderfonds Lehre in Dresden. Robert: „Wir sammeln für das MITZ“ heißt, dass Dresdner Medizinstudenten für den Ausbau ihrer praktischen Ausbildung im Studium mit einem Crowdfunding Spenden sammeln. Im Medizinisch Interprofessionellen Trainingszentrum werden medizinische Basisfertigkeiten wie Gesprächsführung, intravenöse Katheteranlage oder das Verhalten im OP praktisch geübt. Die Einrichtung steht der Zahnmedizin, Medizin, Psychologie und Pflege offen und fördert den berufsübergreifenden Austausch. Diese Art von Einrichtung ist deutschlandweit an Fakultäten keine Selbstverständlichkeit, da sie von der Approbationsordnung für Ärzte und Zahnärzte nicht pflichtmäßig gefordert wird, jedoch nach Dresdner Ansicht zur Vorbereitung auf Famulatur, PJ und die Zeit als Assistenzarzt unerlässlich. Sie ist bereits ab dem 2. Semester Teil des Pflichtcurriculums in Dresden und ist im 10. Semester Inhalt einer übergreifenden mündlich-praktischen Prüfung. Als Student ist es nur schwer möglich, alle wichtigen Basisfertigkeiten inhaltlich korrekt in Famulatur, PJ oder im Praxistag zu erlernen und diese mehrmals vor der Zeit als Assistenzarzt, wenn diese von einem gefordert werden könnten, zu üben. Das MITZ setzt genau hier an. Um die Qualität der Patientenversorgung durch junge Ärzte zu verbessern, ist mehr praktisches Training bereits im Grundstudium nötig. Dazu sammelt unsere Aktion für Übungsmodelle und Fortbildung der Tutoren und einen Kurs für interdisziplinäres Notfallmanagement. Speziell intraossäre Modelle liegen uns dabei am Herzen. Wenn alle Mittel und Wege (im wahrsten Sinne des Wortes) versagen, um einen Patienten schnell mit lebenswichtigen Medikamenten zu versorgen, bleibt nur noch die Möglichkeit, dem Kranken den Wirkstoff über den Knochen zu injizieren. Besonders bei adipösen Patienten oder Säuglingen ist der intraossäre Zugang ein essentielles Werkzeug. Das besondere Handling bedarf im Vorfeld Übung und ergänzt das MITZ um eine Lehreinheit, welche im Krankenhauspraktikum quasi nie vorkommt.
DocCheck: Was ist der Förderfonds Lehre? Robert: Der „Förderfonds Lehre“ wurde Anfang 2012 von mir angeregt, als Antwort auf eine fehlende Förderkultur der Lehre. Diese kann nämlich leider nicht, wie die Forschung, projekt- und leistungsbasierte Drittmittel zu ihrer Verbesserung akquirieren. Der medizinischen Lehre kommt neben der prestige- und mittelträchtigeren Forschung oft die „Mauerblümchen“-Rolle zu. Obwohl gute Lehre und Ausbildung genauso wie Forschung und Krankenversorgung zu einer medizinischen Fakultät gehören, zeichnet sie kaum eine deutsche Fakultät aus. Eher steht sie bei zuschussschwachen Unis, wie bei uns in Dresden, in der Bilanz einer Fakultät unter finanziellem Druck. Wir möchten jedoch, dass unsere Lehre ebenso ein exzellentes Aushängeschild Dresdens wird, wie die Forschung und Krankenversorgung und übernehmen für eine besser ausgestattete Lehre gemeinsam Verantwortung. Um uns nicht ausschließlich auf den meist schwierigen politischen Diskurs zur Verbesserung der Lehrbedingungen zu verlassen, beziehen wir Alumni, Studenten und Angehörige der Fakultät finanziell und ideell ein. Die Inspiration für die Idee hatten wir, da es ähnliche Initiativen in Frankfurt, Hamburg und Gießen gibt. Zur Zeit sind der Fachschaftsrat Medizin/Zahnmedizin, Carus Campus, das Studentenbüro von Uniklinik, Fakultät und Fachschaft, sowie fünf Studenten und ein Professor Mitglied der Initiative. DocCheck: Wie kamt Ihr auf die Idee, diese Aktion zu starten? Robert: Die Kampagne für das MITZ entstand aus meiner regulären engen Feedback-Zusammenarbeit mit dem Leiter des MITZ, Dr. Henryk Pich, zum Thema Lehre. Da wir Studenten die praktischen Lehreinheiten im MITZ oft im Fachschaftsrat lobten, sie jedoch weit unter ihrem Potential bewerteten, sah ich eine ideale Chance, Ausstattung und Sichtbarkeit des skills-lab durch eine Crowdfunding-Aktion zu verbessern. Auf den Vorschlag eines Budgets von 2.000 Euro, schlug Herr Dr. Pich die Mischung einer Anschaffung von intraossären Übungsmodellen und Fortbildungen vor, um die bestehende Station „Zugangswege am Patienten“ im Curriculum um das letzte fehlende Übungselement zu ergänzen. DocCheck: Wieso ist diese Aktion notwendig für Dresdner Medizinstudenten? Werden sie im Studium nicht schon genug praktisch ausgebildet? Robert: Exzellente Ausbildung ist eine Balance zwischen ausgereiftem Curriculum und seiner Ergänzung durch neu entwickelte Lehrinstrumente. Technischer Fortschritt wie e-Learning, Übungsmodelle und Patientensimulatoren hat in den letzten 10 Jahren das Medizinstudium um flexible und kosteneffiziente Komponenten erweitert, die weniger aufwändig als der Unterricht am Krankenbett zu realisieren sind. Unsere Aktion ist notwendig, da sie einerseits die Frage vom „Wie und Warum“ guter Lehre in der Medizin thematisiert, andererseits mit der Spende das skills-lab um die wichtige Übungsmöglichkeit intraossärer Zugänge und bessere Betreuung durch Tutoren verbessert. Im Studium haben Medizin- und Zahnmedizinstudenten im MITZ normalerweise nur einmal die Gelegenheit unter Supervision die jeweilige Technik zu erlernen. Darüber hinaus besteht außerdem nur noch die Möglichkeit, ohne Aufsicht im kostenpflichtigen Freien Training oder Krankenhauspraktikum, das in der Qualität stark schwankt, sein Können regelrecht zu üben. Bei den Praktika ist eine unzureichende Betreuung nicht auszuschließen. Aus Zeitdruck oder Patientenschutz können bei weitem nicht alle Fälle, wie z. B. das Legen eines intraossären Zuganges, im Krankenhausalltag geübt werden. Es bleibt zu hoffen, dass praktische Basisfertigkeiten deutschlandweit für den Arzt im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) zukünftig festgelegt und somit Teil des Pflichtstudiums werden. DocCheck: Wieso wollt Ihr das Geld über eine Crowdfunding-Aktion beschaffen und nicht beispielsweise finanzielle Mittel von der Universität dafür beantragen, die für die Lehre Mittel vom Staat bekommt? Robert: Der Freistaat Sachsen vergibt gemäß der Anzahl an Studenten und dem Aufwand des Medizinstudiums einen Pro-Kopf-Satz an die Fakultät, der 2011 weit unter dem Bundesdurchschnitt lag. Dieser wird durch die Fakultät in einem gemeinsamen Haushalt mit Posten der Forschung verwaltet. Zwar wird der Lehre, ähnlich der Forschung, eine leistungsorientierte zusätzliche Mittelvergabe ermöglicht (Stichwort „MeDDrive Lehre“), diese liegt jedoch unter ihrem Potential. Das Instrument entwickelt mit seiner jetzigen Stärke wenig Gewicht und kann zusätzlich nur von Lehrenden initiiert werden. Parallel zur inhaltlichen Mitarbeit in den Studienkommissionen haben wir mit dem Förderfonds Lehre ein neues Instrument entwickelt, das unbürokratisch und direkt von den Betroffenen, nämlich den Studierenden selbst, eine Ergänzung der Pflichtlehre leistet. https://www.youtube.com/watch?v=H8_1nTqOO2s
DocCheck: Welche Schwierigkeiten hattet Ihr anfangs bzw. habt Ihr aktuell? Welche Hürden musstet Ihr meistern? Robert: Deutschland ist und bleibt ein Land der bürokratischen Hürden – Finanzamt, Vereinsrecht und Stiftungsfragen mussten bearbeitet werden, bis wir das aktuelle Modell erarbeitet haben. Die Herkunft sowie die Verwendung des Geldes sind dabei zu jedem Zeitpunkt transparent nachvollziehbar, nicht zuletzt aus Verantwortung gegenüber unseren Spendern. Die Stiftung Hochschulmedizin Dresden ist unser Partner bei der Einwerbung einmaliger und regelmäßiger zweckgebundener Spenden an die Lehre. Langwierige Prozesse in der akademischen Selbstverwaltung, in denen Studenten letztendlich keinen Einfluss auf Finanzzuweisungen haben, sind uns als Hürde zusätzlich Motivation, selbst eine Finanzierungssäule zu errichten. Der Fachschaftsrat arbeitet mit Studienkommissionen und Studenten zusammen und greift neue Ideen aus dem Alltag in Projekten des Förderfonds auf. Wir kämpfen gerade am Anfang gegen Desinteresse und einen starken Status-quo bias, der bei der Vielzahl an Aufgaben bei den Studenten verständlich ist, jedoch durch die Sensibilisierung für die Vielzahl an Verbesserungsmöglichkeiten zunehmend abnimmt. DocCheck: Wie viel Geld benötigt Ihr aktuell noch, um das Funding-Ziel zu erreichen? Robert: Fast die Hälfte ist bereits geschafft, 1.100 Euro fehlen noch. Wichtig: Beim Crowdfunding geht es nach dem „Alles oder Nicht“-Prinzip. Dass heißt, wir müssen die 2.000 Euro erreichen, um das Geld zu erhalten. Wir sind optimistisch und zählen auf die letzten zwei Wochen zu Semesterbeginn, um alle Studenten Dresdens und befreundeter Fakultäten für eine kleine, aber entscheidende Spende zu mobilisieren. DocCheck: Falls Ihr erfolgreich seid, welche weiteren Schritte sind dann geplant? Robert: Aus kurzfristiger Sicht werden wir mit Instituten und Studenten die Anschaffung weiterer sinnvoller Geräte dieser Größenordnung sondieren und unter allen Angehörigen der Dresdner Hochschulmedizin, dem größte Arbeitgeber Dresdens, für Spenden werben. Wir möchten einen langfristigen Grundstock aufbauen, welcher es uns erlaubt, Vorbereitungskurse für Staatsexamina und Promotionsstipendien zu ermöglichen, die die Dresdner Lehre im Sinne guter wissenschaftlicher und klinischer Praxis ergänzen. DocCheck: Warum sollte man Euer Projekt unterstützen? Robert: Wer heute in den Förderfonds Lehre investiert, investiert in die bestmögliche Behandlung von morgen. Dieses Ziel ist unsere Verantwortung als Medizinstudenten. Jeder weiß eine menschlich und fachlich hochwertige Medizin zu schätzen, sobald er krank wird. Wir laden daher alle ein, insbesondere Medizinstudenten und Interessierte aus Dresden, die dieses Ziel teilen, uns mit ihrem Beitrag auf unserem Weg zum künftigen Arzt zu unterstützten.