Durchbruchsinfektionen, mehr Hospitalisierungen und die Delta-Variante – viele Länder reagieren darauf mit einem Booster für vulnerable Gruppen. Ob das tatsächlich nötig ist, zeigt eine deutsche Studie.
Aktuell debattiert man weltweit um eine zusätzliche Booster-Impfung gegen Corona. Insbesondere Daten aus Israel (wir berichteten) ließen mehr und mehr Länder, darunter auch Deutschland und USA, bei der Entscheidung um eine Auffrischimpfung nun vorpreschen. Israel geht sogar einen Schritt weiter und bietet die Drittimpfung Personen ab 12 Jahren an. Von der WHO wird dieses Verhalten kritisiert, da noch nicht alle Länder weltweit ausreichenden Zugang zum Impfstoff haben. Zudem betonen sie, dass die aktuelle Datenlage noch nicht ausreiche, um eine Drittimpfung zuzulassen, auch wenn es mittlerweile mehr Hinweise auf eine schwindende Immunantwort bei Immunsupprimierten gibt.
Nun gibt eine deutsche Studie mehr Aufschluss: Die Forscherteams um Drosten und Sander an der Berliner Charité haben kürzlich ein Preprint veröffentlicht, in der sie die Immunogenität des Biontech-Impfstoffs in vollständig geimpften Älteren und in jungen Mitarbeitern des Gesundheitswesens untersuchten.
Die prospektive Studie vergleicht die Immunantwort in einer Kohorte aus geimpften älteren Personen (Durchschnittsalter 82,5 Jahre) mit der in jungen Mitarbeitern des Gesundheitswesens (Durchschnittsalter 35 Jahre). Die Nachuntersuchung der Probanden erfolgte sechs Monate nach Erhalt der Impfung in 107 jungen Mitarbeitern und 82 älteren Teilnehmern. Blutproben wurden vor Erhalt der ersten Impfung, sowie vier Wochen nach Erst- und Zweitimpfung und sechs Monate nach Erstimpfung entnommen. Zusätzlich wurden RT-PCRs durchgeführt. Probanden, die vor Erhalt der zweiten Impfung eine SARS-CoV-2-Infektion aufwiesen, wurden von der Studie ausgeschlossen.
Die SARS-CoV-2-S1-IgG-Seropositivitätsraten nach sechs Monaten waren bei den älteren Probanden mit 60 Prozent (48 von 80) niedriger als bei den jüngeren mit 97,9 Prozent (95 von 97). Insgesamt waren die ermittelten Antikörper-Titer (Spike- und RBD-IgG) in den älteren Personen niedriger, als in der jüngeren Kohorte, sowie die Virusneutralierungs-Titer (56,6 vs. 88,1 Prozent). Der Pseudovirus-Neutralisations-Test zeigte bereits zwei Monate nach erster Impfung und vier Wochen nach zweiter Impfung eine signifikante Abnahme in der Serumneutralisierung der Delta-Variante. Sechs Monate nach der Impfung war eine Serumneutralisation von Delta lediglich in 60,6 Prozent (43 von 71) der älteren Kohorte nachweisbar, hingegen bei der Vergleichsgruppe in 95,2 Prozent (79 von 83). Ähnliche sah es auch sechs Monate nach Erstimpfung bei der Neutralisierung von Alpha in der älteren und jüngeren Kohorte aus (69,0 vs. 95,2 Prozent). Einhergehend mit den reduzierten Antikörper-Antworten in der älteren Gruppe ist auch die T-Zell-Reaktivität gegen die S1-Untereinheit des Spike-Proteins in dieser Kohorte im Vergleich zur jüngeren reduziert (261,6 mlU/ml vs. 1198,0 mlU/ml).
Insgesamt liefert die Studie Hinweise auf eine nachlassende Immunität gegen die COVID-19-Impfung bei älteren Menschen: 39,4 Prozent der älteren Probanden wiesen sechs Monate nach der ersten Impfung keine nachweisbare neutralisierende Aktivität gegen die Delta-Variante vor. Im Kontrast dazu war bei der überwiegenden Mehrheit der jungen Kohorte eine positive neutralisierende Aktivität zu beobachten. Alle untersuchten Immunogenität-Marker zeigten im Vergleich zu der jüngeren Kohorte eine deutliche Abnahme in der älteren Gruppe auf.
Die Autoren betonen dabei, dass innerhalb eines Nachbeobachtungszeitraum von 6 Monaten in den Phase-3-Studien zu dem Pfizer/Biontech-Impfstoff eine hohe Wirksamkeit gegen eine symptomatische COVID-19-Erkrankung von 91 Prozent erfasst wurde, jedoch bezogen sich die Daten nicht auf die aktuellen Variants of Concern (VOC). Zudem waren fast 60 Prozent der Probanden in der klinischen Zulassungsstudie jünger und im Alter zwischen 16 und 55 Jahren. Neben den steigenden Hospitalisierungen, insbesondere in Ländern mit hohen Impfquoten wie Israel, unterstützen die Forschungsergebnisse den Einsatz von Auffrischimpfungen in einer älteren Altersgruppe, da in dieser Gruppe auch die Rate für Todesfälle und schwere Erkrankungen durch COVID-19 höher ist, erklären die Autoren.
Wie jede Studie hat auch diese ihre Limitierungen: Die Probandengröße ist recht klein und daher ist die Aussagekraft der Ergebnisse begrenzt. Auch der Nachbeobachtungszeitraum ist mit sechs Monaten recht kurz. Des Weiteren sind die Ergebnisse einer einzigen Studie nicht ausreichend, um die Wahl zur Auffrischimpfung zu bestärken. Jedoch weisen nach und nach immer mehr Forschungsergebnisse auf eine Notwendigkeit für einen Booster in immunsupprimierten Gruppen hin.
Bildquelle: Mathew Bennett, unsplash