Die Verwendung von Statinen bei Patienten ab 65 Jahren scheint nicht im Zusammenhang mit dem Auftreten von Demenz zu stehen. Kann man Statine also bedenkenlos auch Älteren verschreiben?
Kognitiver Abbau und Demenz sind Probleme, die mit dem Alter relevant werden – betroffen sind etwa 10 % der über 60-Jährigen. Als Statine bezeichnet man eine Gruppe von Medikamenten, die über die kompetitive Hemmung der HMG-CoA-Reduktase eine Senkung der Cholesterin-Serumkonzentration, insbesondere des Low-Density-Lipoprotein-Cholesterins, verursachen. Statine werden somit zur Vorbeugung von primären und sekundären kardiovaskulären Erkrankungen (CVD) eingesetzt.
Die US-Arzneimittelbehörde FDA gab 2012 eine Warnung heraus, dass über Fälle kurzfristiger kognitiver Beeinträchtigungen bei der Einnahme von Statinen berichtet wurde. Gleichzeitig räumte die Behörde aber ein, dass die kardiovaskulären Vorteile diese Risiken überwiegen würden. Systematische Übersichtsarbeiten lieferten hierfür nur unzureichende Beweise und Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen von Statinen sind bisher uneinheitlich: Einige Studien zeigen einen neurokognitiven Nutzen von Statinen, während andere keine Effekte feststellen.
Da Statine bei älteren Erwachsenen weit verbreitet sind und ihre Verwendung voraussichtlich in der Zukunft noch zunehmen wird, ist die Bestimmung der Auswirkungen einer Statintherapie auf die kognitiven Fähigkeiten von Patienten von entscheidender Bedeutung. Eine Gruppe Forscher hat jetzt ihre neusten Erkenntnisse hierzu im Journal of the American College of Cardiology (JACC) veröffentlicht. Ihre Ergebnisse sollen Ärzten dabei helfen, in Zukunft den Nutzen dieser Medikamente besser gegen die damit verbundenen Risiken abwägen zu können.
„Da Statine zunehmend älteren Erwachsenen verschrieben werden, sind die potenziellen langfristigen Auswirkungen auf die kognitive Leistung und das Demenzrisiko von wachsendem Interesse“, erklärt Hauptautor Dr. Zhen Zhou von der australischen University of Tasmania. „Die vorliegende Studie ergänzt frühere Forschungsergebnisse, indem sie nahelegt, dass die Einnahme von Statinen nicht mit dem späteren Auftreten von Demenz und einem langfristigen kognitiven Abbau in Verbindung gebracht werden kann.“
Die Forscher analysierten Daten aus der ASPREE-Studie (ASPirin in Reducing Events in the Elderly). ASPREE war eine große prospektive, randomisierte, placebokontrollierte Studie in der 19.114 Teilnehmer über 64 Jahren aus Australien und den USA mit täglich niedrig dosiertem Aspirin behandelt wurden. Bei den Teilnehmenden durften zuvor keine kardiovaskulären Ereignisse, Demenz oder größere körperliche Behinderungen erfasst worden sein. Eines der wichtigsten Auswahlkriterien von ASPREE war, dass die Probanden bei der Aufnahme in die Studie einen Wert von ≥ 78 beim sogenannten Modified Mini-Mental State Examination Test aufweisen mussten – einem Screening-Test für die Erfassung kognitiver Fähigkeiten.
Die Forscher schlossen Teilnehmer mit fehlenden Testergebnissen bei Studienbeginn aus, so dass 18.846 Probanden übrig blieben. Diese wurden in Gruppen eingeteilt, je nachdem, ob sie zu Beginn der Studie Statine einnahmen oder nicht, wobei dies bei 5.898 (31,3 %) der Teilnehmer der Fall war. Die Studie zielte darauf ab, nicht nur Symptome einer Demenz und ihrer Unterkategorien (u. a. Alzheimer-Krankheit) zu erfassen, sondern auch leichte kognitive Beeinträchtigung (LKB) sowie weitere Veränderungen der bereichsspezifischen Kognitionen.
Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 4,7 Jahren fanden die Forscher 566 Fälle von Demenz (einschließlich wahrscheinlicher Alzheimer-Krankheit und gemischter Formen). Die Einnahme von Statinen war nicht mit einem erhöhten Risiko einer Demenz, einer Alzheimer-Erkrankung oder einer gemischten Form von Demenz verbunden. Es wurden 380 Fälle einer LKB festgestellt. Es gab außerdem keinen statistisch signifikanten Unterschied bei der Kognition und in den einzelnen kognitiven Bereichen zwischen Statinanwendern und Nicht-Statinanwendern. Auch wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen Anwendern hydrophiler und lipophiler Statine festgestellt. Allerdings fanden die Forscher Interaktionseffekte zwischen den kognitiven Grundfähigkeiten und der Statintherapie bei allen Demenzergebnissen.
Die Autoren merken an, dass ihre Studie mehrere Einschränkungen aufweise. Zum einen komme es zu Verzerrungen, da es sich um eine Beobachtungsstudie handele. Auch fehlten Daten über die Dauer der vorherigen Statin-Einnahme und die Dosis der verwendeten Statine wurde in der ASPREE-Studie nicht erfasst. Sie merken an, dass es weiterhin randomisierte klinische Studien zur Untersuchung der neurokognitiven Wirkungen von Statinen in älteren Bevölkerungsgruppen bedarf, um ihre Ergebnisse zu bestätigen.
„Insgesamt wurde die Analyse gut durchgeführt, und ihre Hauptstärken sind eine große Kohorte mit einer Reihe von standardisierten Tests, die es den Forschern ermöglichten, sowohl die Kognition als auch die Häufigkeit von Demenz und ihren Subtypen im Laufe der Zeit zu verfolgen“, erklärt Dr. Christie M. Ballantyne, Professorin am Houstoner Baylor College of Medicine mit Blick auf die Daten. Noch offene Fragen bezüglich unerwünschter Wirkungen von Statinen bei Personen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen könnten nur in randomisierten kontrollierten Studien in der entsprechenden Altersgruppe und Population sowie mit geeigneten Tests und angemessener Nachbeobachtung beantwortet werden.
„In der Zwischenzeit können praktizierende Ärzte zuversichtlich sein und ihren Patienten mitteilen, dass eine kurzfristige lipidsenkende Therapie bei älteren Menschen, auch mit Statinen, wahrscheinlich keine größeren Auswirkungen auf die Kognition haben wird.“
Zur Studie kommt ihr hier.
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