Medikamente aus der Substitutions-Austauschliste unterliegen nicht der Aut-idem-Regelung. Der Apotheker darf sie nicht durch eine wirkstoffgleiche Alternative ersetzen. Nach G-BA-Angaben sollte die Liste um Inhalativa zur Therapie von Asthma bronchiale und COPD erweitert werden.
Seit dem vergangenen Jahr hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Aufgabe, Arzneimittel zu bestimmen, deren Austausch durch wirkstoffgleiche Arzneimittel ausgeschlossen ist. Mit Beschluss vom 18. September 2014 wurde der Aufbau einer solchen Substitutions-Ausschlussliste begonnen, wobei zunächst vor allem Medikamente zur Behandlung von Herzerkrankungen, Immunsuppressiva, Schilddrüsenhormone und Antikonvulsiva aufgenommen wurden. Medikamente, die in die Substitutions-Austauschliste aufgenommen werden, unterliegen nicht der sogenannten Aut-idem-Regelung und können somit nicht vom Apotheker durch eine kostengünstigere wirkstoffgleiche Alternative ersetzt werden. Die Liste soll nach G-BA-Angaben fortgeführt werden. Beraten wird derzeit über die Aufnahme von Antikonvulsiva, Opioidanalgetika, Dermatika sowie Inhalativa zur Behandlung des Asthma bronchiale und der COPD. Die deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, der Bundesverband der Pneumologen und der Verband Pneumologischer Kliniken sowie die Deutsche Atemwegsliga repräsentieren die deutsche Pneumologie wissenschaftlich und bezüglich der klinischen und ambulanten Versorgung. Die vier Verbände möchten nach Absprache untereinander den G-BA bei seiner Entscheidungsfindung unterstützen. Besondere Dringlichkeit für eine Stellungnahme der vorgenannten Verbände ergibt sich aus der Tatsache, dass die Datenlage insbesondere hinsichtlich möglicher Folgen einer Substitution von Inhalativa schlecht ist. Randomisierte, kontrollierte Studien sind praktisch nicht verfügbar. Dies gilt auch hinsichtlich des Einflusses unterschiedlicher Inhalationssysteme mit gleichem Wirkstoff auf klinisch messbare Effekte. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass die wichtigen Fragen nach dem Einfluss des Inhalationssystems auf die Therapieeffekte nur bedingt durch RCT zu beantworten sind.
Charakteristisch für RCT ist, dass die jeweilige Medikation in allen Gruppen (üblicherweise als Arme in der Studie bezeichnet) verlässlich und konstant eingenommen wird. Dies ist z.B. bei oral applizierten Substanzen relativ leicht sicher zu stellen und die Effekte sind bei bekannter Pharmakokinetik und -dynamik sowie bekannter Komedikation gut interpretierbar. Eine Analyse der verfügbaren RCT zur Therapie mit Inhalativa kommt zu dem Schluss, dass alle Inhalationssysteme vergleichbar gut wirksam sind. Wäre dies unter Studienbedingungen, die immer alltagsfremd sind, nicht so, so gäbe es schon primär für die verschiedenen Inhalationssysteme keine Zulassung. Die Probleme in der Realität werden aber durch RCT im üblichen Design nicht abgebildet. Aus diesem Grund ist die Beurteilung bezüglich einer Aut-idem-Regelung bei Inhalativa durch klinisch und praktisch tätige Ärzte mit umfänglicher Erfahrung bedeutsam. Eines der für den Effekt der inhalativen Therapie und damit den Behandlungserfolg wichtigsten Probleme ergibt sich gerade aus der inadäquaten Anwendung des verordneten Systems. Da für die Wirkung des inhalierten Arzneimittels allein die intrabronchial deponierte Dosis entscheidend ist und diese in einem Höchstmaß von einem adäquaten Inhalationsmanöver mit dem Inhalationssystem abhängt, liegt hier der Schlüssel zu den klinischen Effekten. Inadäquate Nutzung führt zu einer schlechteren Symptomkontrolle, häufigeren Besuchen in Notfallambulanzen und häufigeren Exazerbationen, letztlich also zu einer erhöhten Belastung im Gesundheitssystem. Jedes Inhalationssystem erfordert ein anderes (quasi systemspezifisches) „optimales“ Inhalationsmanöver. Selbst zwischen den Trockenpulversystemen sind die erforderlichen Inhalationsmanöver unterschiedlich. Daher sind intensive, auch wiederholte Patientenschulungen und Überprüfungen ebenso erforderlich wie ggf. der gezielte Wechsel auf ein anderes Inhalationssystem, dessen adäquate Nutzung die Patienten sicher und reproduzierbar erlernen können.
Die Inhalationstherapie hat einen zentralen Stellenwert bei der Asthma- wie auch der COPD-Behandlung. Beide Erkrankungen gelten auf Grund ihrer Prävalenz als Volkskrankheit. Die überwiegende Zahl der Patienten mit den obstruktiven Atemwegserkrankungen Asthma und COPD wird ausschließlich mit LALA-Substanzen (Locally Applied, Locally Acting) behandelt. Das verordnete Arzneimittel besteht bei Inhalativa aus dem Wirkstoff und dem Applikationssystem (Inhalationssystem oder kurz Inhalator) und in den meisten Fällen aus Zusatzstoffen wie Laktose bei Dry Powder Inhalern (DPI, Trockenpulverinhalationssystemen) oder Treibgasen bei Metered Dose Inhalern (DPI, Druckgasinhalationssysteme). Wirkstoff und Zusatzstoffe sind galenisch auf das Applikationssystem abgestimmt. Anders als üblicherweise bei Arzneimitteln zur oralen Therapie wird bei der Inhalationstherapie jedoch nicht allein der Wirkstoff verordnet, sondern ein Inhalationssystem bestehend aus den zu inhalierenden Wirkstoffen oder der Wirkstoffkombination und dem jeweiligen Inhalator, aus dem diese freigesetzt werden. Der Inhalator ist dabei ein integraler Teil des Arzneimittels und damit der Therapie.
Die Applikationssysteme unterscheiden sich in ihrem Aufbau und ihrer Funktionalität wie auch ihrer Anwendung erheblich. Bei Inhalation wirkstoffgleicher Präparate aus unterschiedlichen Inhalatoren kann daher nicht zwangsläufig von einer therapeutischen Äquivalenz ausgegangen werden. Die für die Wirksamkeit entscheidende bronchiale Wirkstoffdeposition wird in erster Linie durch das Inhalationsmanöver im Sinne der korrekten Handhabung des Systems bestimmt. Ein weiterer bedeutsamer Einflussfaktor für die Wirkstoffdeposition ist in der individuellen Pharynx- und Glottisanatomie zu sehen. Von Seiten des Inhalationssystems bestimmen die physikalischen Faktoren Teilchengröße, -geschwindigkeit und Inspirationstiefe die Deposition. Bei Trockenpulversystemen sind Dosisabgabe (in Prozent der abgemessenen oder der am Mundstück freigesetzten Dosis) und Teilchengröße immer, unter den Systemen aber in unterschiedlichem Ausmaß, vom Inspirationsfluss durch das System abhängig. Daher kann unter Berücksichtigung der vorgenannten physikalischen Einflussgrößen und der anatomischen Variabilität der Rachen- und Glottisanatomie nie die tatsächlich erreichte Wirkstoffdeposition vorausgesagt werden. Die sich ergebenen Therapieeffekte werden klinisch beurteilt und die Behandlung wird gegebenenfalls angepasst, auch im Sinne einer Dosisanpassung (z.B. bei ICS). Wird also bei einem „stabil“ eingestellten Patienten das Inhalationssystem gewechselt, so stellt dies eine bedeutsame Veränderung der Behandlung dar und es muss mit klinischen Auswirkungen (Über- wie Untertherapie) gerechnet werden. In diesem Zusammenhang gilt es auch zu bedenken, dass eine spürbar wirksame Therapie einer der wichtigsten Faktoren für eine gute Adhärenz bzw. Compliance ist. Der Austausch eines Inhalationssystems stellt in einer etablierten und adjustierten Behandlung einen erheblichen Eingriff in die Patientenbetreuung und die Therapie dar und kann nur medizinisch begründet werden. Bei Inhalativa handelt es sich eindeutig um Präparate mit „kritischer Darreichungsform“, bei denen eine Aut-idem-Substitution aus medizinischer Sicht (Therapieeffekte und Compliance) außerordentlich problematisch ist.
Welches Medikament in welchem Inhalator im individuellen Fall zum Einsatz kommt, ist abhängig von der klinischen Situation und auch von den Bedürfnissen und Fähigkeiten des Patienten. Die Therapieentscheidung und damit auch die Entscheidung über das jeweilige Medikament fallen auf Basis der individuellen Befunde im Gespräch zwischen Arzt und Patient. Dabei sind auch Besonderheiten der Situation des Patienten zu berücksichtigen wie beispielsweise das Lebensalter oder mögliche Komorbiditäten (z.B. Arthrose oder rheumatoide Arthritis), die sich auf die Handhabung des Inhalators auswirken können. Für den Therapieerfolg ist es von entscheidender Bedeutung, dass das verordnete Inhalationssystem optimal auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten abgestimmt ist. Handhabungsfehler können dabei das angestrebte Ziel der Krankheitskontrolle erheblich beeinträchtigen. Es gibt Befunde, wonach abhängig vom Inhalator bis zu 94 Prozent der Patienten das ihnen verordnete Inhalationssystem nicht korrekt anwenden. Deshalb ist eine eingehende Schulung des Patienten zur Inhalationstherapie einschließlich der korrekten Handhabung des Inhalationssystems unerlässlich. Die Bedeutung der Schulung verdeutlichen die bereits im DMP Asthma/COPD etablierten Schulungsprogramme wie NASA (Nationales Ambulantes Schulungsprogramm für erwachsene Asthmatiker) und COBRA (Chronisch obstruktive Bronchitis mit und ohne Emphysem, Ambulantes Schulungsprogramm für COPD-Patienten). Die Bedeutung des Inhalationssystems für den Therapieerfolg heben darüber hinaus die deutschen Leitlinien zum Asthma und zur COPD, die Versorgungsleitlinien und auch die internationalen Leitlinien, Stellungnahmen und Empfehlungen wie GOLD, GINA und die Brüsseler Deklaration besonders hervor. Die eingehende Einweisung der Patienten hinsichtlich des ihm verordneten Inhalationssystems ist eine wesentliche Voraussetzung für ein korrektes Inhalationsmanöver und damit für eine ausreichende Wirkstoffdeposition in den Atemwegen und für einen guten Therapieerfolg. Wegen der hohen Bedeutung der richtigen Handhabung des Inhalators wird in praxi die Inhalationstechnik des Patienten geschult und zudem regelmäßig überprüft.
Entscheidend für den Therapieerfolg ist neben der Wahl des optimalen Inhalationssystems und dessen korrekter Handhabung allerdings auch die Adhärenz des Patienten. Diese dürfte umso besser sein, je vertrauter dem Patienten das Inhalationssystem ist, wobei eine direkte Assoziation zwischen der Zufriedenheit des Patienten mit dem Inhalator und der Therapietreue dokumentiert wurde. Vor diesem Hintergrund kann jeder Präparatewechsel bei einem gut auf „sein Device“ geschulten Patienten den Therapieerfolg beeinträchtigen, ist daher potenziell problematisch und nur bei entsprechender medizinischer Begründung gerechtfertigt. Erfolgt ein Wechsel auf ein anderes Präparat, so ist zudem eine erneute eingehende Schulung des Patienten auf das neue Inhalationssystem vorzunehmen. Aus Sicht der Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, des Verbandes Pneumologischer Kliniken, des Bundesverbandes der Pneumologen und der Deutschen Atemwegsliga ist ein grundsätzlicher Ausschluss der beim Asthma wie auch der COPD eingesetzten Inhalativa von der Aut-idem-Regelung zu fordern. Originalpublikation: