Es gibt einen neuen Impfstoff im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie. Das Besondere: Es ist der erste „echte“ DNA-Impfstoff für Menschen – und muss nicht gespritzt werden.
Indien hat einen neuen COVID-19-Impfstoff zugelassen: Das Vakzin basiert auf Plasmid-DNA und ist somit der erste erhältliche DNA-Impfstoff gegen das Virus. ZyCoV-D wurde vom indischen Unternehmen Zydus Cadila entwickelt. Die Zulassung erfolgte am 20. August für über 12-Jährige.
Vom Prinzip her ähnelt das Vakzin den schon erhältlichen Vektor-Impfstoffen von AstraZeneca oder Johnson & Johnson. Auch diese enthalten DNA, die für das komplette Spike-Protein von SARS-CoV-2 kodiert, allerdings ist sie in einem harmlosen viralen Vektoren verpackt. Beim neuen Impfstoff aus Indien hingegen liegt die DNA als Plasmid vor und ist von keinem Vektor umhüllt. Das Plasmid kodiert das Spike-Protein sowie eine Promotor-Sequenz, die das Gen einschaltet.
Sobald das Plasmid in den Zellkern eintritt, wird es in mRNA transkribiert, die dann wiederum ins Zytoplasma der Zelle wandert, wo sie in das Spike-Protein translatiert wird. Das körpereigene Immunsystem reagiert auf das hergestellte Protein mit der Produktion von Antikörpern, die auf zukünftige Infektionen reagieren können. Das Plasmid selbst wird innerhalb von einigen Wochen bis Monaten abgebaut, die Immunität bleibt jedoch erhalten.
Das Problem mit DNA-Impfstoffen war lange Zeit die Induktion starker Immunantworten, weswegen sie bislang nur für Tiere (Pferd, Lachs) zugelassen sind. Auch die Wirksamkeit von DNA-Vakzinen ließ in vergangenen Studien – etwa gegen HIV oder das Zika-Virus – zu wünschen übrig.
Beim neuen COVID-Impfstoff scheint das kein Problem zu sein: ZyCoV-D schützte in klinischen Studien zu 67 Prozent gegen eine symptomatische COVID-19-Infektion, die etwa 28.000 Teilnehmer umfassten. Dabei wurden 21 symptomatische Infektionen in der Impfstoff-Gruppe erfasst und 60 in der Placebo-Gruppe. Die Untersuchungen erfolgten jedoch während die Delta-Variante in Indien dominierte. Somit sei auch die Impfstoffwirksamkeit nicht mit der der mRNA-Impfstoffe vergleichbar, erklärte Shahid Jameel, Virologe an der Ashoka University in Sonipat, Indien. Denn die klinischen Studien zu den bisher erhältlichen Impfstoffen wurden zu anderen bzw. harmloseren Varianten des Virus durchgeführt.
Ein weiterer Unterschied zu den bisher kommerziell erhältlichen Impfstoffen ist, dass keine unangenehme Injektion durch die Haut nötig ist, da die Vakzine intradermal verabreicht wird. Dazu wird das PharmaJet® needle free system verwendet, welches einen schmalen und präzisen flüssigen Strahl erzeugt, der den Impfstoff direkt in die Haut entlässt. „Das hilft, die DNA viel effizienter einzufangen als im Muskel“, erklärt Jameel. Durch die intradermale Verabreichung sei die Wahrscheinlichkeit auf Nebenwirkungen nicht so hoch wie bei der intramuskulären. Ein Nachteil dieser Vakzine ist jedoch, dass drei Dosen benötigt werden, um die beschriebene Impfstoffwirksamkeit zu erzielen.
DNA-Impfstoffe haben generell noch weitere Vorteile: Sie sind einfach produzierbar und fertige Impfstoffe weisen eine höhere Stabilität als mRNA-Impfstoffe auf, da letztere bei sehr niedrigen Temperaturen gelagert werden müssen. ZyCoV-D dagegen kann bei 2-8 °C gelagert werden und ist bei Temperaturen von 25 °C für mindestens drei Monate stabil. Das ist hinsichtlich des Transports und der generellen Lagerung vom Vorteil, insbesondere in ärmeren Ländern, die kein ordentliches Kühlkettenmanagement haben. Zudem sind für die Herstellung – aufgrund der Plasmid-DNA-Struktur – BSL-1 Standards ausreichend.
Ein großer Kritikpunkt ist allerdings, dass die Ergebnisse der Phase-III-Studie noch gar nicht publiziert wurden, lediglich die der Phase-I/II-Studie. Dies deute laut Forschern auf eine Intransparenz hin. Hersteller Zydus Cadila erklärte dagegen, dass die Studie noch im Gange sei und die vollständige Analyse in Kürze zur Veröffentlichung vorgelegt wird. Die indische Regierung hat den Impfstoff trotz fehlender Daten schon jetzt zugelassen. Die ersten Dosen sollen bereits im September in Indien verabreicht werden. Bis Anfang nächsten Jahres ist Produktion von 50 Millionen Impfdosen in Planung.
„Dies ist ein wirklich wichtiger Schritt nach vorne im weltweiten Kampf gegen COVID-19, denn er zeigt, dass wir eine weitere Klasse von Impfstoffen haben, die wir verwenden können“, sagt Peter Richmond, ein pädiatrischer Immunologe an der University of Western Australia in Perth. „Wenn sich DNA-Impfstoffe als erfolgreich erweisen, ist dies wirklich die Zukunft der Vakzinologie.“
Diverse weitere Unternehmen haben DNA-Impfstoffe gegen COVID-19 bereits in der Pipeline. Zwei Kandidaten befinden sich mittlerweile im späten klinischen Stadium ihrer Studien. „Es ist eine sehr spannende Zeit für Gentechnologien. Endlich haben sie die Chance zu zeigen, was sie können“, so Richmond.
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