KARDIO-KLARTEXT | Welche Formen der Kardiomyopathie gibt es? Welche Ursachen gibt es für die DCM? Welche Bedeutung hat die genetische Sequenzierung? Ihr habt gefragt, die Antworten gibt's hier.
In der Kardiologie-Sprechstunde von DocCheck Experts ging es um Themen rund um Kardiomyopathien und chronisches Koronarsyndrom. Anders als das bisherige Chat-Format fand unsere Sprechstunde diesmal als Live-Stream via Zoom statt. Moderiert wurde das Ganze von unserem Medical Content Manager Mats Klas, der eure Fragen ganz einfach an unseren Experten Dr. Christopher Schneeweis gestellt hat. Den ersten Teil unserer Reihe, in dem es um die Kardiomyopathien geht, könnt ihr hier nachlesen oder euch einfach als Video anschauen.
Ja, das ist ein ziemlich weitläufiges Feld. Wir haben ganz unterschiedliche Arten der Kardiomyopathie. Es gibt die hypertrophe Kardiomyopathie, die mit einer Obstruktion, also mit einer Einengung des linksventrikulären Ausflusstrakts einhergehen kann. Dann gibt es die dilatative Kardiomyopathie, bei der es zu einer Vergrößerung der Herzhöhlen kommt und zur Einschränkung der Pumpfunktionen. Dann haben wir die arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie, bei der vor allem der rechte Ventrikel, aber auch der linke Ventrikel, betroffen sein kann. Dann haben wir die restriktive Kardiomyopathie.
Da muss man differenzieren: Da gibt es eine idiopathische Form, aber auch andere Formen, wie die Löffler-Endokarditis oder im Rahmen von Speichererkrankungen, beispielsweise die Hämochromatose oder Amyloidose. Dann haben wir die linksventrikuläre Non-Compaction-Kardiomyopathie, sicherlich eine sehr seltene Kardiomyopathie, aber das ist auch eine Kardiomyopathie, die letztendlich dazugehört. Und man muss natürlich auch sagen, bei den Kardiomyopathien sehen wir strukturelle Veränderungen. Und es gibt natürlich auch noch die Kanalopathien, die muss man davon abgrenzen. Also eine Herzerkrankung, bei der es eher zu einer Reizleitungsstörung kommt, die wir dann gar nicht bild-morphologisch erfassen können, also beispielsweise Long-QT-Syndrom oder Ähnliches. Das würde ich jetzt hier nicht direkt bei den Kardiomyopathien aufführen.
Ja, in der Reizweiterleitung. Wenn man Glück hat, kann man feststellen, Brugada-Syndrom oder ähnliches Long-QT-Syndrom. Das sind eigentlich Diagnosen, die primär im EKG im 12-Kanal gestellt werden, da sieht man häufig überhaupt gar keine strukturellen Veränderungen des Herzmuskels.
Also am häufigsten, muss man sagen, ist die dilatative Kardiomyopathie. Und dann folgt eigentlich schon die hypertrophe Kardiomyopathie. Die Inzidenzrate ist bisschen unterschiedlich: Hypertrophe Kardiomyopathie ist so bei 1:500, die dilatative Kardiomyopathie – kommt natürlich immer auf die Studien an – etwas häufiger. Das sind die Haupt-Kardiomyopathien. Seltener ist dann die arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie und die Non-Compaction-Kardiomyopathie. Was man aber auch häufig sieht, dass es manchmal schwierig ist, zu differenzieren, was vorliegt. Gerade eine linksventrikuläre Hypertrophie, also eine Verdickung des Herzmuskels im Ultraschall, ist ja noch keine eindeutige Diagnose. Und dann geht es darum, was kann dahinterstecken? Kann dahinter eine Kardiomyopathie stecken? Kann dahinter eine Speichererkrankungen stecken? Amyloidose, Hämochromatose oder hypertensive Herzerkrankungen? Das wären jetzt – so glaube ich – die beiden Kardiomyopathien, dilatative und hypertrophe, die am häufigsten sind.
Ja genau, das ist total schwierig so allgemein zu sagen. Es gibt ganz symptomlose Patienten, die eine Kardiomyopathie haben, aber davon nichts wissen. Dann gibt es Patienten, die Palpitationen, also Herzrhythmusstörungen, verspüren. Dann gibt es natürlich Patienten, bei denen die Herzrhythmusstörungen aufgezeichnet wurden. Dann gibt es Patienten, die über Synkopen, also plötzlichen Bewusstseinsverlust, oder prodromi-synkopal oder präsynkopal sind, oder sich im schlimmsten Fall auch mit einer Herzschwäche erstmalig vorstellen. Und der worst case wäre natürlich ein plötzlicher Herztod oder ein überlebter plötzlicher Herztod. Aber auch das wäre möglich, dass das die Ersterscheinung einer solchen Kardiomyopathie ist.
Ja, ich glaube die Anamnese ist schon relativ wichtig, um einzuschränken. Gerade bei Synkopen. Ganz häufig wird ja im klinischen Alltag gesagt: „Hat eine Synkope“. Und dann stellt sich aber eigentlich heraus, es war keine wirkliche Synkope. Oder auch die Differenzierung ist wichtig: Was ist das für eine Synkope? Vasovagale Synkope oder Ähnliches? Das sind dann eher Dinge, die vielleicht nicht durch eine Kardiomyopathie verursacht werden. Da ist sicherlich die Anamnese schon wichtig, z.B. Familien-Anamnese: Gibt es Herzmuskel-Erkrankungen in der Familie, weil die meisten Herzmuskel-Erkrankung bzw. Kardiomyopathien autosomal dominant vererbt werden, wenn auch mit unterschiedlicher Penetranz. Es gibt natürlich auch Wild-Mutationen, ganz klar. Aber dann kann man natürlich das EKG machen: Ein Langzeit-EKG oder Ruhe-EKG, da kann man ja auch schon Auffälligkeiten feststellen. Und ja, es gibt ja auch durchaus versierte Kollegen, die jetzt vielleicht allgemeinmedizinisch tätig sind, aber auch ruhig mal den Ultraschallkopf in die Hand nehmen und dann aufs Herz schauen. Auch das wäre ja eine gute Möglichkeit. Und natürlich, wenn man da jetzt an Mitbeteiligung an anderen Erkrankungen denkt – Amyloidose oder Hämochromatose – da kann man dann natürlich die spezifischen Pfade der Diagnostik einschlagen.
Im Herzecho kann man schon häufig mal den Verdacht sehen. Es gibt natürlich auch ganz klare Krankheitsbilder, die man im Ultraschall gut sehen kann. Aber gerade, wenn es darum geht, die Myokardtextur zu beurteilen, also wie ist das Myokard beschaffen, dann muss man schon eher eine weiterführende bildgebende Diagnostik, wie das Kardio-MRT oder Ähnliches, machen.
Genau, nicht jeder braucht gleich die maximale Diagnostik, sondern sicherlich, wenn was auffällig ist oder die Symptome auch auffällig sind. Manchmal ist ja auch der Ultraschall bei einigen Patienten vielleicht gar nicht so gut durchführbar, wie bei adipösen Patienten oder man sieht den rechten Ventrikel nicht richtig. Das hat manchmal auch anatomische Barrieren, daran muss man denken.
Das ist ein bisschen schwierig, weil der gemeinsame Pfad ist immer eine Basis-Diagnostik, dass man schon einen EKG und Ultraschall hat, um weiter zu kommen. Weiter differenziert wird es dann natürlich, wenn man Befunde hat, die im Graubereich sind, wo man überlegen muss: Ist es jetzt eine Kardiomyopathie, ja oder nein? Dann kann man natürlich weiter in ganz differenzierte genetische Testung oder ähnliches gehen. Aber das sind natürlich dann schon sehr spezifische diagnostische Schritte, wenn man jetzt beispielsweise nach dem MRT immer noch nicht ganz genau einordnen kann. Es gibt ja manchmal Graubefunde, da muss man sich das genau überlegen. Wobei die aussagekräftigste Möglichkeit zur strukturellen Veränderung des Herzmuskels ist dann schon das MRT, um auch dort eine Myokard-Texturanalyse vornehmen zu können oder das weiter einordnen zu können. Da gibt es spezifische Muster für spezifische Kardiomyopathien, sodass man das dann schon sehr gut und sehr eng einschränken kann.
Das ist eine spannende Frage. Es gibt natürlich eine idiopathische Form, also eine Form, bei der wir nicht wissen, was die Ursache ist. Aber dann gibt es auch Formen, die medikamentös toxisch bedingt sein können, also beispielsweise Alkohol wäre so ein klassischer Auslöser, aber auch Chemotherapeutika. Wir wissen, dass Chemotherapien alle kardiotoxisch sein können. Wir haben keinen cut-off, wo wir sagen können „dieses Chemotherapeutikum hat jetzt nur eine kardiotoxische Halbwertszeit von fünf Jahren“ oder so. Das muss man definitiv im Auge behalten. Patienten unter Chemotherapie sollten prinzipiell auch vorher mal ein Echo bekommen. Und unter laufender Chemotherapie gibt es natürlich bestimmte Chemotherapeutika, die mehr kardiotoxisch sind als andere. Beispielsweise beim Brustkrebs unter dem Herceptin® muss man genau hingucken. Was immer in der dilatativen Kardiomyopathie eine Rolle spielt, ist die Koronarischämie, also die myokardiale Ischämie. Die muss natürlich einmal ausgeschlossen sein. Nicht, dass wir hier eine dilatative Kardiomyopathie haben. Das Bild vom Ultraschall kann manchmal ganz ähnlich aussehen: dilatierter Ventrikel, schlechte Pumpfunktion, globale schlechte Pumpfunktion. Und das ist dann trotzdem eine koronare Dreigefäßerkrankung. Das wären relativ spezifische Dinge, die dadurch ausgelöst werden oder die als Auslöser infrage kommen. Myokarditiden muss man vielleicht doch noch erwähnen: Eine abgelaufene Myokarditis ist natürlich auch ein Risikofaktor für eine dilatative Kardiomyopathie. Also was ist Risikofaktor? Viele Myokarditiden heilen ja glücklicherweise auch gut aus, aber können sich entwickeln. Und man darf nicht vergessen, medikamentös hatten wir ja jetzt die Chemotherapeutika, aber da kommen sicherlich auch noch andere Medikamente in Frage. Anabolika oder ähnliches können auch so was machen. Oder durch thyreotoxische Krisen kann natürlich auch sowas ausgelöst werden.
Das ist schon relativ spezifisch. Auch bei der hypertrophen Kardiomyopathie gibt es ganz unterschiedliche Muster. Es gibt Verteilungsmuster der hypertrophen Kardiomypathie, die auch mal konzentrisch sind, also der ganze Ventrikel kann hypertroph sein. Die hypertensive Herzerkrankung ist auch häufig konzentrisch. Die kann natürlich in Extremfällen auch mal mehrere Millimeter Septumdicke ausmachen, also so 14 bis 15 mm. Da ist schon ein maximaler cut-off gesetzt. Die hypertensive Erkrankung, wie gesagt, ist eher konzentrisch. Bei der hypertrophen Kardiomyopathie sehen wir häufig ein asymmetrisches Muster der Hypertrophie. Manchmal sieht man nur ein rein apikales Muster. Dadurch, dass es zu diesem Disarray, also nicht zur reinen Hypertrophie, sondern auch zur falschen Anordnung der Muskelfasern kommt. Wir sehen dann im MRT auch häufiger mal so Kontrastmittelanreicherung, also patchy lesions, die dann schon relativ spezifisch eher für eine hypertrophe Kardiomyopathie sprechen. Wichtig ist natürlich auch die Anamnese. Wenn jemand einen ganz schlecht eingestellten Blutdruck hat und fünf Antihypertensiva bekommt, aber immer noch ein Blutdruck von 180 systolisch hat, dann liegt das ja eher in dieser Richtung. Aber mit feineren Verfahren, die wir im MRT neben den Kontrastmittelanreicherungen haben, wie auch parametrisches Mapping – die immer genauer werden, was den Einblick in die myokardiale Textur angeht – können wir schon weiter differenzieren. Es ersetzt natürlich im schlimmsten Fall keine Biopsie. Die Frage ist immer: Sieht die Therapie anders aus, wenn wir eine Biopsie haben?
Wir hatten vorhin ganz kurz angerissen, dass die meisten Kardiomyopathien doch vererbbare Erkrankungen sind, wenn auch mit unterschiedlicher Penetranz. Das heißt, wir wissen nicht eindeutig, nur weil jemand diesen Gendefekt hat, dass das zum Ausbruch der Erkrankung führen muss. Wenn man jetzt mal als Beispiel die hypertrophe Kardiomyopathie nimmt, da haben wir über 20 Gene, über 400 bekannte Mutationen. Da ist es natürlich ganz schwierig, einfach eine ganz spezifische Mutation herauszunehmen und zu sagen, derjenige wird eine hypertrophe Kardiomyopathie entwickeln. Wichtig ist natürlich, dass man sich den Stammbaum anguckt. Gibt es schon Erkrankungen in der Familie? Und man muss natürlich sagen, man kann eine genetische Testung durchführen, sollte es dann auch in einigen Bereichen vielleicht durchführen, vorallem, wenn es der Diagnosesicherung oder der therapeutischen Konsequenz dient. Es gibt bei der dilatativen Kardiomyopathie bestimmte Mutationen, wo wir eine Laminin-Mutation sehen, wodurch dann natürlich schon auch ein höheres Gefährdungspotenzial für die Patienten und Patientinnen vorliegt, sodass man da natürlich schon andere therapeutische Schritte einlenkt. Oder bei den Kanalopathien oder beim Long-QT-Syndrom, wenn man da eine ganz bestimmte Mutation hat, dann hat man ein höheres Risiko und es könnte dann beispielsweise zu einer prophylaktischen ICD-Implantation kommen, in die man dann mehrere Punkte zusammen hat. Oder halt die Diagnosesicherung, dass man weiß, das ist die Erkrankung und das ist ja dann auch wichtig. Man darf natürlich nicht vergessen, dass das auch Konsequenzen haben kann, wenn man eine genetische Testung macht und etwas Auffälliges findet. Da ist natürlich immer die ganze Familie, also vorallem die Verwandten ersten Grades mitbetroffen. Und über diese Konsequenzen muss man eng mit den Patienten und Patientinnen sprechen.
Wenn man jetzt eine ganz klare Erkrankung hat, dann ist es natürlich so, dass gerade die Verwandten ersten Grades engmaschig gescreent werden sollten. Ob die jetzt alle eine genetische Testung haben müssen, ist noch nicht so ganz eindeutig klar. Es gibt aber schon bestimmte Empfehlungen wie Verwandte ersten Grades gescreent werden müssen und in welchem Altersabschnitt. Beispielsweise bei der hypertrophen Kardiomyopathie, da gibt es schon relativ enge Screening-Muster, dass man jemanden screent bis zum gewissen Zeitraum und wenn man dann aber erst mal nichts gefunden hat, dass man den Zeitraum dann weiter erweitern kann. Es gibt schon Empfehlungen, dass man engmaschige Kontrollen im jugendlichen Alter macht und im Erwachsenenalter Kontrollen, die im Abstand zwischen zwei und fünf Jahren liegen, im Regelfall bei zwei Jahren bei den Kardiomyopathien und dann aber ab einem gewissen Alter wird die Wahrscheinlichkeit der Penetrante dann vielleicht doch ein bisschen geringer. Dann sollte man trotzdem kontrollieren, aber nicht mehr ganz engmaschig.
Ja, es gibt schon ein gutes Statement-Paper dazu, wann bei welcher Kardiomyopathie getestet werden sollte. Wenn man in dieses Empfehlungsschreiben reinguckt, ist es natürlich manchmal schon sehr verwirrend – wenn man kein Genetiker ist, bei so vielen unterschiedlichen Genmutationen. Es wird schon empfohlen, was getestet wird, bei welcher Erkrankung oder bei welcher vermuteten Erkrankung. Man sollte jetzt nicht alles durchtesten, sondern spezifisch für die vermutete Erkrankung. All das wäre ja das, was gefragt ist und nicht: „Gibt es noch irgendeine Mutation für irgendeine andere Erkrankung, die mit dem Krankheitsbild gar nichts zu tun hat?“