KARDIO-KLARTEXT | Wie hoch ist das Myokarditis-Risiko bei Corona? Welchen Einfluss hat Kochsalz auf die Herzgesundheit? Unser Experte beantwortet eure Fragen.
Im dritten Teil der Kardiologie-Sprechstunde von DocCheck Experts ging es rund um die Themen COVID-19, SARS-CoV-2-Impfung und spannende ESC-Studien. Anders als das bisherige Chat-Format fand unsere Sprechstunde als Live-Stream via Zoom statt. Moderiert wurde das Ganze von unserem Medical Content Manager Mats Klas, der eure Fragen an unseren Experten Dr. Christopher Schneeweis gestellt hat. Die Antworten lest ihr hier.
Das ist eine gute Frage: Wir wissen, dass Myokarditiden und Perikarditiden schon beobachtet werden unter einer COVID-19-Infektion, wobei das wahrscheinlich pathogenetisch oder pathologisch anders abläuft als bei einer reinen Virus-Myokarditis, wie wir sie sonst kennen – weil es bei COVID-19 thromboembolische Komplikationen in den kleinsten Gefäßen gibt. Wir wissen zwar, dass Patienten, die herzkrank sind, ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf bei COVID haben. Aber daraus zu schlussfolgern, dass jetzt ein höheres Risiko für eine reine Myokarditis durch COVID-19 besteht, kann man nicht. Das kann man an den Studiendaten nicht ablesen. Die Studiendaten, die wir zur Verfügung haben, sind ja relativ heterogen. Es gibt Studiendaten, die sehr hohe kardiale Mitbeteiligung sehen. Da kommt es immer darauf an, welche Patienten eingeschlossen wurden. Waren das Patienten, die in einer akuten Phase eingeschlossen wurden? Waren es Patienten, bei denen man im Krankenhaus ein erhöhtes Troponin festgestellt hat? Und man muss natürlich auch mal gucken, wie sehen die strukturellen Veränderungen des Herzens dann aus? Ist das eine typische Myokarditis? Ist das eher ein Late enhancement, also eine Kontrastmittel Anreicherung durch eine chemische Komponente. Auch das wäre möglich. Aber da gehen die Daten auseinander. Es gibt eine gute Publikation im European Heart Journal, wo Patienten stationär in der Klinik waren. Das ist ein Indikator, dass die Patienten schwerer krank sind als jemand, der zu Hause einen sehr milden Verlauf hat. Da hat man gesehen, dass man in etwa 25 Prozent der Fälle etwas nachweisen konnte. Aber es gibt auch andere Daten; bei ambulanten Patienten, wo man wenig sieht. Bei Hochleistungsathleten gibt es Daten aus Amerika, die zeigen, dass man im MRT 2 Prozent an kardialer Mitbeteiligung gefunden hat, während man in den reinen Screening-Methoden, die man sonst anwendet, nur 0,7 Prozent sieht. Da wird die Genauigkeit durch die ergänzende MRT-Diagnostik höher. Aber das heißt nicht, dass jeder so eine Diagnostik bräuchte, sondern nur, wenn kardiale Symptome fortbestehen. Aber wenn die Erkrankung folgenlos ausheilt, brauchen wir das nicht unbedingt.
Da gibt es ganz klare Daten: Nennen wir es mal Myokarditis, egal wie es pathologisch ausschaut. Die Myokarditisrate unter COVID-19 ist definitiv höher als wenn man eine Impfung bekommt. Also viel, viel höher. Man sollte nicht denken, ich lass mich nicht impfen, weil es Myokarditis-Berichte gab. Das kann auftreten, aber das sind dann eher Einzelfälle. Die Wahrscheinlichkeit, eine solche kardiale Mitbeteiligung bei COVID-19 zu bekommen, ist um das Zehnfache erhöht.
Da reichen die Daten nicht. Und zum anderen sprechen wir dann über ein junges Kollektiv und die waren alle herzgesund, zumindest bis dahin. Ich glaube nicht, dass jeder mit dem Verdacht behandelt werden sollte. Wenn jemand anhaltende Symptome hat, dann muss man dem nachgehen. Aber ich meine, nach der Impfung hat jeder unterschiedlich reagiert. Er hat sich zwei, drei Tage schlapp gefühlt. Solange man sich schont und dann wieder fit wird, gibt es keinen Grund. Aber wenn man dann Symptome behält oder typische Myokarditis-Symptome hat, die können ähnlich dem Infarkt sein – Druckgefühl auf der Brust, Luftnot, verminderte Belastbarkeit, Palpitationen – dann muss man dem nachgehen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir durch die Impfung primär unser Immunsystem fordern und durch Sport direkt im Anschluss. Sport ist gut, auch für das Immunsystem. Aber es macht erstmal einen Trigger aus und es kommt kurzfristig zu einer Schwächung des Immunsystems. Deswegen ist es nicht gut, direkt Sport zu machen. Man würde einige Tage Sportkarenz empfehlen. Da gibt es aber keine Daten im Zusammenhang mit der Impfung. Ob wir damit Myokarditiden verhindern, kann man nicht sagen. Aber ich würde generell sagen, dass man das mit Augenmaß sehen muss. Wenn man sich nach der Impfung nicht gut fühlt, dann sollte man nicht den 10 km Lauf starten.
Ja, es gab eine spannende Studie mit Salzersatz. Man hat in einer Studie aus China in einem großen Kollektiv von Patienten Kochsalz ersetzt. 25 Prozent des normalen Kochsalzes hat man durch Kaliumchlorid ersetzt und dadurch konnte man den Blutdruck um 3 mmHg senken. Das klingt gar nicht so viel, aber dadurch hat man viele Ereignisse verhindern können. Das zeigt, was das für ein Potenzial hat. Denn es wurde auch untersucht, wie viele der Teilnehmer im Anschluss an die Studie dieses Ersatz-Salz weiter benutzt haben. Ich meine, das waren 90 Prozent. Das zeigt, da gab es einen Gewöhnungseffekt und es scheint gar nicht so anders zu schmecken. Da tun sich neben der medizinischen Bedeutung auch Lebensmittelindustrie-Ideen auf. Es gibt immer die Frage „Wie viel Salz ist gesund?“ 5 Gramm, sagen wir, sollte der Tagesbedarf oder die Tagesdosis nicht überschreiten.
Ich denke, es gibt Salz-sensitive Leute. Aber ich glaube, diese Studie ist schon sehr erschlagend, was die Aussagekraft angeht. Und ich denke, dass man auch einen Effekt in der europäischen Gesellschaft sehen wird. Die Studie war darauf angelegt, Patienten mit schlecht kontrolliertem Bluthochdruck einzuschließen. Das ist ganz schön schwierig, so ein großes Kollektiv in Europa zu finden, wo wir schlecht eingestellten Blutdruck haben. Ich glaube, der mittlere Blutdruck lag bei 155 systolisch. Das kriegen wir hier nur im maximalen Kollektiv hin, die schon 5 oder 6 Medikamente benutzen.
Ich weiß nicht, wie es dann schmeckt. Ich habe zumindest keine Probe davon gehabt. Aber es scheint bei 90 Prozent, die es immer noch benutzen, okay zu sein.
Es gab noch interessante Studien aus der Elektrophysiologie bei Patienten mit Vorhofflimmern: Was nicht kontrolliert werden kann; was resistent gegen Pulmonalvenenisolation ist. Da gab es Studien „ablate and pace“, dass man Patienten abladiert und dann einen Schrittmacher mit biventrikulärer Stimulation einsetzt. Da war der Outcome deutlich besser. Profitiert der Patient wirklich davon, wenn man eine AV-Knotenablation macht und dann den Schrittmacher einsetzt? Es zeigte sich, Patienten profitieren davon. Die Stents hatte ich schon angeschnitten. Bei Studien kam raus, dass eine kurze doppelte Plättchenhemmung safe zu sein scheint. Das ist immer von der Stent-Plattform abhängig. Also wie der Stent beschaffen ist, der Drug Eluting Stent bzw. der Medikamentbeschichtete Stent. Natürlich muss man immer genau lesen, welcher Stent verwendet wurde. Das ist wichtig, gerade wenn wir Patienten haben, die vielleicht ein hohes Blutungsrisiko haben oder eine dringliche Operation benötigen, aber unbedingt vorher eine koronare Intervention brauchen, weil sonst keine OP möglich ist. Wenn wir dieses Sicherheitsprofil haben, dass wir nach kurzer Zeit den Patienten nur mit einer Thrombozytenaggregationshemmung behandeln können, ist das klinisch viel wert.