Impfstoffe, die über Mund und Nase verabreicht werden, könnten Corona-Übertragungen noch besser verhindern. Doch brauchen wir sie überhaupt?
Mit Corona-Impfungen schützt man sich vor schweren Verläufen, doch Infektionen können sie nicht gänzlich verhindern. Aber, wie ansteckend sind geimpfte Personen überhaupt? Spekuliert wurde in letzter Zeit viel, weil Studien und Preprints zu diesem Thema unterschiedliche Ergebnissen liefern. Mal ist die Viruslast von Geimpften geringer, mal genau so hoch wie bei Ungeimpften, die sich Corona einfangen. Ein Review, das jetzt im Lancet erschienen ist, soll dahingehend Klarheit schaffen – und räumt Impfstoffen, die über Mund oder Nase verabreicht werden, großes Potenzial ein. Doch ihre Zeit ist noch nicht gekommen.
Alle derzeit zugelassenen SARS-CoV-2-Impfstoffe werden intramuskulär verabreicht und lösen die Bildung von neutralisierenden Antikörpern – vor allem IgG und IgA – im Blutkreislauf aus. Auch in den Schleimhäuten der oberen Atemwege scheint das der Fall zu sein, wenn auch in geringerem Maße: Die derzeit verfügbaren Daten zeigen laut Autoren, dass nach einer Impfung mit den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna sowie mit dem Vektor-Impfstoff von AstraZeneca auch in den Schleimhäuten Antikörper nachweisbar sind – bei letzterem ist die Zahl allerdings etwas niedriger als bei den beiden mRNA-Impfstoffen.
Nur der Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson schneidet noch schlechter ab. In einer Studie konnte im Speichel jener Probanden, die das Janssen-Vakzin erhielten, keine IgG oder IgA nachgewiesen werden. Allerdings handelt es sich hierbei um einen Preprint und eine Studie mit wenigen Probanden.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die intramuskulären Impfungen die Viruslast bei infizierten Personen tatsächlich reduzieren kann, indem sie die Virusreplikation in der Schleimhaut begrenzen. Eine sterile Immunität lässt sich damit aber trotzdem nicht erreichen und Übertragungen sind so weiterhin möglich.
Besser könnte das mit Impfstoffen klappen, die über Mund oder Nase verabreicht werden, schreiben die Autoren. Dem schließt sich Prof. Anke Huckriede, Professorin für Vakzinologie am Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Groningen, an: „Mukosal verabreichte Impfstoffe können lokal, also in Nase und Rachen, Antikörper induzieren, vor allem die der Klasse IgA. Damit können diese Impfstoffe potenziell besser vor Infektion schützen.“ Ein weiterer Vorteil sei, dass die Verabreichung selbst sehr einfach ist und man keine Spritzen und kein ausgebildetes Personal brauche, das die Spritzen setzen kann. „Der Nachteil mukosaler Impfstoffe ist, dass sie häufig weniger effektiv sind, was die Induktion von Antikörpern im Blut betrifft“, erklärt die Expertin weiter. „Darum braucht man mehr (kostbaren) Impfstoff, um einen einigermaßen zufriedenstellenden Respons zu erzielen.“
Zwar werden derzeit einige nasale Impfstoffe getestet, doch so einfach ist die Herstellung dieser Vakzine nicht, auch darauf machen die Autoren des Lancet Reviews aufmerksam. „Das große Problem mit mukosalen Impfstoffen ist, dass trotz großer und langjähriger Anstrengungen bislang nur Lebendimpfstoffe gute Immunantworten hervorrufen.“ Im Falle von SARS-CoV-2 bräuchte man also ein Coronavirus, dass abgeschwächt genug ist, um auch in Menschen mit relativ schwachem Immunsystem sicher benutzt werden zu können, aber noch stark genug um eine gute Immunantwort hervorzurufen – diese Balance zu finden, habe sich bei anderen Viren, z.B. dem RS-Virus als sehr schwierig erwiesen. „Eine mögliche Alternative sind möglicherweise die Adenovirus-basierten Impfstoffe. Adenoviren sind Erkältungsviren und können also Epithelzellen der Atemwege effektiv infizieren. Entsprechende Studien laufen zur Zeit“, so Prof. Huckriede.
Doch die Autoren des Reviews kommen noch zu einem anderen Fazit. Zwar induzieren die zugelassen intramuskulär verabreichten Impfstoffe keine sterile Immunität in den Schleimhäuten. Dennoch helfen sie, die Übertragungen einzudämmen, das zeigen auch die zahlreichen Beobachtungsstudien: Es kommt zwar zu Durchbruchsinfektionen, die Impfstoffe können die SARS-CoV-2-Übertragungen auf Bevölkerungsebene trotzdem massiv eindämmen. Das liegt daran, dass die Impfstoffe die Zahl der Erstinfektion verringern. Das führt zu einer geringeren Zahl infizierter Menschen, die das Virus selbst weitergeben können. Bei Geimpften ist die Infektiösität zudem möglicherweise geringer als bei Ungeimpften. All diese Faktoren führen letztlich zu einer verringerten Virusübertragung auf Populationsebene. Und dafür braucht es (noch) keine mukosalen Impfstoffe.
Bildquelle: Zé Ferrari Careto, unsplash