Resistente Bakterien treiben nicht nur in Kliniken ihr Unwesen – Haus und Hof gelten auch als mögliche Reservoire. Infizieren sich Menschen, schlägt die Stunde der Pharmakotherapie. Sind neue Wirkstoffe tatsächlich der richtige Weg – oder doch eher ein aussichtsloser Wettlauf.
Jahr für Jahr sterben mindestens 15.000 Menschen in Deutschlands Kliniken, weil sie sich mit multiresistenten Keimen infiziert haben – bei unbekannt hoher Dunkelziffer. Jetzt macht Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ernst – mit einem Zehn-Punkte-Plan.
Er schlägt vor, Meldepflichten zu verschärfen. Schon beim ersten Nachweis von multiresistenten gramnegativen Erregern (4MRGN) und Clostridium difficile müssen Ärzte Informationen weitergeben. Außerdem sollen Patienten – wie in anderen Ländern längst üblich – die Möglichkeit bekommen, sich vor stationären Aufenthalten untersuchen zu lassen. Momentan betrifft das nur Risikopatienten. Im Gespräch sind Sonderhonorare für Screenings. Kliniken will Gröhe verpflichten, Hygieneinformationen regelmäßig und vor allem leicht verständlich zu veröffentlichen. Regelmäßige Fortbildungen für Health Professionals plant der Bundesgesundheitsminister ebenfalls mit ein. Besonders heikel: mehr Personal im Hygienebereich. Bis 2016 stünden dem Ministerium zufolge 365 Millionen Euro für Einstellungen, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zur Verfügung. Hinzu kommen umfangreiche Forschungsvorhaben, etwa im Rahmen der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) beziehungsweise der neuen „Task Force Antibiotikaforschung“. Wissenschaftler halten die Pläne für sinnvoll, jedoch nicht für ausreichend.
Zum Hintergrund: Auch Menschen, die weder im Krankenhaus noch im Pflegeheim waren, erkranken immer häufiger an sogenannten CA-MRSA (Community-Acquired MRSA). Wie es dazu kommt, haben Loren G. Miller und Michael Z. David, Los Angeles, untersucht. Aus früheren Arbeiten war bereits bekannt, dass jeder zweite Mitbewohner von MRSA-Erkrankten ebenfalls resistente Keime auf der Haut trägt. Jetzt sequenzierten Molekularbiologen MRSA-Isolate aus 21 Haushalten – von Erkrankten und von weiteren Personen in deren Umfeld. Es handelte sich um den hier zu Lande seltenen Stamm USA300. Aus Genomanalysen folgerten die Forscher, dass sich entsprechende Erreger bereits zwei bis acht Jahre im Haushalt befanden, bevor es zur Infektion gekommen war. Um Patienten zu sanieren, sei es erforderlich, stärker das Lebensumfeld mit einzubeziehen, schreiben sie in ihrer Veröffentlichung. Miller und David können derzeit nicht ausschließen, dass Haustiere ebenfalls MRSA übertragen.
Neben der Epidemiologie gibt es ebenfalls neue Errungenschaften aus der pharmazeutischen Forschung. Doch so manches Präparat ist – wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lapidar feststellt – mit „bedeutenden Risiken“ verbunden. Dazu gehören beim kürzlich zugelassenen Telavancin sogar Nephrotoxizität, QTc-Verlängerungen und Reproduktionstoxizität. Grund genug, den Wirkstoff lediglich als Last-Line-Therapie einzusetzen, sollten alle Stricke reißen. Zeitgleich suchen etliche Labors nach neuen Molekülen. Ihre vielversprechende Strategie: der iChip, ein kleines Gerät, um Bakterien im Erdreich zu finden. Liegt der kultivierbare Anteil im Labor bei einem Prozent, sind es mit iChips immerhin 50 Prozent. Jetzt gibt es einen ersten Durchbruch: Kim Lewis, Boston, hat mit dem neuen Tool 10.000 Bakterienstämme kultiviert. Darunter befand sich auch Elephtheria terrae, eine bislang unbekannte Spezies. Sie produziert das Antibiotikum Teixobactin, ein Depsipeptid, das die Bildung bakterieller Zellwände stört. Diese speziellen Eiweißmoleküle enthalten sowohl Peptid- als auch Esterbindungen. Behandelten Forscher MRSA-infizierte Mäuse mit Teixobactin, blieben die Nager am Leben. Ohne Wirkstoff starben sie an einer Sepsis. Aufgrund von In-vitro-Tests erwartet Lewis auch Effekte gegen Bacillus anthracis, Clostridium difficile, Streptococcus pneumoniae und Mycobacterium tuberculosis. In zwei Jahren sollen erste klinische Studien beginnen. Momentan deutet viel auf eine geringe Resistenzneigung hin. Trotzdem kritisieren Apotheker die ewige Jagd nach neuen Wirkstoffen.
Professor Dr. Stephan Sieber, München, schlägt deshalb andere Wege ein. Sein Ziel ist nicht, Bakterien abzutöten. Vielmehr nimmt er ihnen die Fähigkeit, im Körper Entzündungsreaktionen auszulösen. Siebers Ziel lautet, molekulare Virulenzfaktoren zu bremsen. Als Schlüsselfaktor gilt bei Staphylococcus aureus die Endopeptidase ClpP (caseinolytic protease P). Sie wird durch Beta-Lactone gehemmt. Bei Mäusen schrumpften bakterielle Abszesse nach topischer Gabe entsprechender Moleküle. Derivate dieser Grundstruktur waren auch im Blutkreislauf stabil. Gute Nachrichten, allerdings werden 2,3 Millionen Euro aus dem Fördertopf des Bundesforschungsministeriums früher oder später erschöpft sein. Zur weiteren Entwicklung benötigen die Forscher Sponsoren.