Die Grippesaison kommt und Fragen wie diese höre ich in der Praxis jetzt wieder öfter. Wenn es euch auch so geht, helfen euch diese Antworten sicher weiter.
Eigentlich ist es unkompliziert und ganz einfach: Wer eine Grippeimpfung benötigt, geht zu seinem Hausarzt, knallt seine Krankenkassenkarte auf den Tresen und lässt sich die Impfung verabreichen. Wir als Hausärzte haben ja in den letzten Monaten bewiesen, dass wir Impfprofis sind.
Und da durch die Corona-Impfung seit einigen Monaten dem Thema mehr Beachtung geschenkt wird, was ich begrüße, ist auch für die Impfung gegen saisonale Influenza mehr Aufklärung gewünscht. So jedenfalls mein Eindruck.
Einige Fragen versuche ich in diesem Blogartikel zu beantworten. Meine Antworten helfen euch vielleicht schon im nächsten Patientengespräch direkt weiter – die Grippesaison kommt ja.
Die Impfung gegen die echte Grippe, die Influenza, ist nicht neu und wird seit vielen Jahren empfohlen. Die STIKO empfiehlt sie insbesondere Personen über 60 Jahren, älteren und vorerkrankten Patienten sowie Menschen aus dem Gesundheitswesen und aus Gemeinschaftseinrichtungen. Denn die Influenza kann sehr unangenehm werden und sehr krank machen, zudem ist sie hochansteckend.
Die saisonale Grippe (nicht zu verwechseln mit „grippalen Infekten“) wird insbesondere durch Tröpfchen übertragen, aber auch durch kleinste Viruspartikel in der Atemluft – also über Aerosole – und über direkten Kontakt, beispielsweise durch Händeschütteln und das Anfassen von Oberflächen, an denen Viruspartikel haften (hier habe ich im letzten Jahr über die Influenza geschrieben).
Nachdem die letzte Influenzawelle durch die coronabedingten AHA+L-Maßnahmen weitgehend ausgeblieben ist, wird in dieser Saison ein starker Anstieg der Infektionszahlen befürchtet, sobald die Schutzmaßnahmen fallen. Einen Anstieg der Infektionszahlen sieht man aktuell auch bei dem respiratorischen Synzytial-Virus (RSV), das eher untypisch für diese Jahreszeit in der Kinderpopulation um sich greift und von einfachen Atemwegsinfekten bis hin zur beatmungspflichtigen Bronchiolitis, die sich innerhalb von Stunden entwickeln kann, vielfältige Krankheitsbilder auslöst. In Zeiten von COVID-19 kann es dann kritisch werden, wenn kein Intensivbett für ein Kind gefunden wird.
Ähnliches gilt auch für die Influenza. Die typische Influenza-Symptomatik ist durch einen plötzlichen Beginn gekennzeichnet, der mit trockenem Husten, Fieber und Gliederschmerzen einhergeht. Die Patienten fühlen sich sehr krank, nach einer Grippe braucht es teilweise Wochen, um wieder fit zu sein.
Bei einem Drittel der Patienten kommt es zu einer leichteren Symptomatik und bei einem weiteren Drittel zu einem asymptomatischen Verlauf. Komplikationen können eine Pneumonie durch das Virus selbst oder durch bakterielle Superinfektionen sein, des Weiteren sind Entzündungen des Herzmuskels oder des Gehirns möglich. Ich habe zu meinen Klinikzeiten nicht wenige Menschen gesehen, die nach einer Grippe eine Myokarditis mit einem schweren Herzschaden bis hin zu einer dilatativen Kardiomyopathie entwickelt hatten.
Eine Influenza kann tödlich sein, daher sollte man die Infektion nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wichtig: Kinder mit einer Influenza dürfen auf keinen Fall ASS einnehmen, da dies ein lebensbedrohliches Reye-Syndrom mit Hirn- und Leberschädigung auslösen kann.
Eine Impfung gegen die echte Grippe ist also durchaus sinnvoll und die Auslieferung des Vakzins hat bereits begonnen. Mit Stand September 2021 sind in Deutschland 18,9 Millionen Dosen des Impfstoffes verfügbar.
Seit dem Jahr 2017 werden nur noch tetravalente Impfstoffe verabreicht. Sie schützen gegen vier verschiedene Stränge des Virus, denn so mutationsfreudig wie das Grippevirus sich präsentiert, kann man im Vorfeld nicht genau sagen, welche Variante vorherrschend sein wird. Das Influenzavirus unterteilt sich in die Influenza A, B und C, wobei die Typen A und B für Menschen relevant sind.
Das Influenzavirus Typ A wird anhand seiner Oberflächenstrukturen HA (Hämagglutinin) und NA (Neuraminidase) eingeteilt und heißt dann zum Beispiel H1N1 oder H3N2. Die Influenza B zirkuliert seit Jahren in zwei genetisch unterschiedlichen Linien, die Yamagata und Victoria heißen. Der Impfstoff in dieser Saison 2021/22 setzt sich zusammen aus H1N1, H3N2, Victoria und Yamagata.
Eine Liste mit den verfügbaren Impfstoffen gibt es auf der Website vom Paul-Ehrlich-Institut.
Erstmals in diesem Jahr ist der Impfstoff Efluelda® verfügbar. Es handelt sich um einen Hochdosisimpfstoff, der im Gegensatz zur Standardimpfung die vierfache Menge Virusantigen enthält und für Menschen ab dem 60. Lebensjahr zugelassen ist. Denn insbesondere ältere Menschen reagieren auf die Standardimpfungen mit einer geringeren Antikörperproduktion und somit einem geringeren Schutz gegen die Grippe. Der Impfstoff zeigte in Studien bisher keine schwerwiegenden Nebenwirkungen, wenn auch die Impfreaktionen durch die höhere Dosierung stärker ausfallen können. Lokale Schmerzen an der Injektionsstelle, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Fieber waren häufige Nebenwirkungen.
Schwangere können ab dem 2. Trimenon gegen Grippe geimpft werden, was auch explizit empfohlen wird. Da es sich um einen Totimpstoff handelt, ist er in der Schwangerschaft unbedenklich.
Die STIKO empfiehlt Kindern ab 6 Monaten eine Impfung, wenn sie eine Grunderkrankung haben. Bis zu einem Alter von 9 Jahren sollen zwei Impfungen innerhalb von vier Wochen verabreicht werden, wenn sie bisher noch nicht gegen die Influenza geimpft worden sind. Zusätzlich zu den bekannten Totimpfstoffen, die Kindern verabreicht werden können (hier einsehbar) gibt es einen nasal applizierbaren Lebendimpfstoff, der im Alter von 2–17 Jahren gegeben werden kann.
Viele Patienten im hausärztlichen Setting müssen immunsupprimierende Medikamente einnehmen oder spritzen. Wenn das der Fall ist, gelten besondere Bedingungen. Zum einen ist es gerade unter Immunsuppression wichtig, vor Infektionskrankheiten geschützt zu sein, denn das körpereigene Immunsystem ist schwächer als bei Gesunden. Zum anderen ist aber auch auf die Wahl des Impfstoffes zu achten, denn Lebendimpfungen sind in diesen Fällen kontraindiziert.
Da der Grippeimpfstoff (bis auf das Nasenspray für Kinder) ein Totimpfstoff ist, kann er bedenkenlos verabreicht werden. Am besten wäre es natürlich, wenn die Immunisierung vor Beginn einer immunsupprimierenden Therapie abgeschlossen wäre. Da dies nicht immer möglich ist, wird das Vakzin in der Regel zwischen zwei Therapien gegeben.
Der Impfschutz, der durch die Impfung aufgebaut werden soll, kann bei immungeschwächten Patienten niedriger ausfallen. Daher ist auch die Impfung von Angehörigen ratsam.
Die Grippewelle geht meistens zu Jahresbeginn richtig los. Empfohlen wird die Impfung daher im Oktober und November, damit bis zum Winter ein guter Schutz aufgebaut werden kann. Doch auch, wer erst sich erst im Januar die Spritze geben lässt, hat gute Chancen, der Grippe zu entgehen, denn die meisten Fälle gibt es oft im Februar und März.
Nach der Impfung benötigt der Körper etwa 14 Tage, bis die Schutzwirkung eintritt. Wie groß diese ist, kann prospektiv nicht beantwortet werden. Wenn die richtigen Virusstämme getroffen werden, ist eine Wirkung um die 80 Prozent möglich. Es gab aber auch schon Jahre, in denen es eine deutlich geringere Effektivität gegeben hat. Dennoch bietet die Impfung einen Schutz vor schwerer Erkrankung, insbesondere bei Vorerkrankten. Und umso mehr Menschen sich impfen lassen, umso weniger wird das Virus weitergegeben.
Ja, allerdings in unterschiedliche Oberarme. Das RKI schreibt dazu aktuell auf seiner Website:
Gemäß Empfehlung der STIKO muss zwischen COVID-19-Impfungen und der Verabreichung anderer sog. Totimpfstoffe kein Impfabstand von 14 Tagen mehr eingehalten werden. Die Impfungen können simultan, d. h. gleichzeitig, verabreicht werden. Die Injektion soll jeweils an unterschiedlichen Gliedmaßen erfolgen.
Die Influenza-Impfung sollte wie üblich im Spätherbst (Mitte Oktober bis Mitte Dezember) verabreicht werden. Unter der Voraussetzung, dass eine Indikation zur Impfung sowohl gegen Influenza als auch gegen COVID-19 besteht, ist die gleichzeitige Verabreichung der beiden Impfstoffe möglich.
Das Influenzavirus kann zu Entzündungen in Blutgefäßen führen, was wiederum Schlaganfälle und Herzinfarkte begünstigt. Laut einer Studie, die beim ESC-Kongress veröffentlich wurde, senkt eine sofortige Impfung gegen die Grippe nach einem stattgehabten Herzinfarkt das Risiko für Todesfälle und kardiovaskuläre Komplikationen. Die Studie wies zwar Limitationen auf, da die Fallzahl coronabedingt reduziert werden musste (von geplant 4.400 auf 2.571) und zudem ist man sich noch nicht sicher, woher der schützende Effekt konkret herrührt; aber das Fazit ist dennoch sicher: Impfen.
Und wie immer schließe ich meinen Text mit dem schönen Hashtag: #ImpfenSchützt.
Quellen:
Bildquelle: Steven Cornfield, Unsplash