Kommt SARS-CoV-2 tatsächlich aus China oder hat es doch eine längere Reise zurückgelegt? Der bislang engste Verwandte des Virus wurde nun in Laos entdeckt.
Immer noch ist nicht genau bekannt, wo der Ursprung von SARS-CoV-2 liegt, das mittlerweile für die seit fast 2 Jahren andauernde Pandemie verantwortlich ist. Nun wurde eine Preprint-Studie auf Research Square veröffentlicht, in der Forscher drei Viren aus Fledermäusen in Laos isoliert haben, die dem SARS-CoV-2 sehr ähnlich sind.
Für die Entdeckung der Viren entnahmen Forscher um Marc Eloit, ein Virologe des Pasteur Instituts in Paris, Speichel-, Fäkal- und Urinproben von rund 645 Fledermäusen in Höhlen im nördlichen Laos. In den Hufeisennasen-Fledermäusen (Rhinolophus) fanden die Forscher Viren, die mehr als 95 Prozent mit der Sequenz von SARS-CoV-2 übereinstimmten. Sie erhielten die Namen BANAL-52, BANAL-103 und BANAL-236.
Das Besondere an den Viren ist, dass die Rezeptorbindende Domäne (RBD) fast identisch ist zu denen des SARS-CoV-2. Dadurch sind sie ebenfalls in der Lage, Menschen zu infizieren. Durch die spezifische RBD ist SARS-CoV-2 in der Lage an den menschlichen ACE2-Rezeptor zu binden.
„Als SARS-CoV-2 zum ersten Mal sequenziert wurde, sah die Rezeptorbindungsdomäne nicht wirklich wie etwas aus, was wir zuvor gesehen hatten“, sagt Edward Holmes, Virologe an der University of Sydney in Australien. Daher kam unter anderem auch die Hypothese auf, dass der Ursprung des Virus durch einen Laborausbruch verursacht worden sein könnte (wir berichteten). Die Coronaviren aus Laos bestätigen nun, dass diese Teile des SARS-CoV-2 in der Natur existieren, erklärt der Virologe.
Zusammen mit anderen Verwandten von SARS-CoV-2, die in Thailand, Kambodscha und Yunnan in Südchina entdeckt wurden, zeigt diese Studie, dass Südostasien ein „Hotspot der Diversität für SARS-CoV-2-verwandte Viren“ ist, sagt Evolutionsbiologin Alice Latinne bei der Wildlife Conservation Society Vietnam in Hanoi.
Des Weiteren konnte in der Studie gezeigt werden, dass die RBD der Viren genauso effizient an den menschlichen ACE2-Rezeptor binden können wie einige frühe Varianten von SARS-CoV-2. Außerdem kultivierten die Forscher BANAL-236 auch in Zellen, um in Zukunft anhand von Tiermodellen zu ermitteln, wie pathogen das Virus ist.
Im letzten Jahr wurde bereits ein SARS-CoV-2-verwandtes Virus (RaTG13) in Fledermäusen aus Yunnan, einer südwestlichen Provinz Chinas, beschrieben, welches zu 96,1 Prozent identisch zu SARS-CoV-2 ist. Beide Viren haben wahrscheinlich 40 bis 70 Jahre zuvor einen gemeinsamen Vorfahren gehabt. BANAL-51 ist zu 96,8 Prozent ähnlich zu SARS-CoV-2, erklärt Eloit. Alle drei beschriebenen Viren haben individuelle Sequenzen, die sehr ähnlich zu denen von SARS-CoV-2 sind.
Der Austausch von genetischem Material erfolgt bei Viren durch Rekombination. BANAL-103 und BANAL-52 weisen eine Sequenz auf, die sie mit dem Vorfahren der Sequenz von SARS-CoV-2 vor weniger als einem Jahrzehnt geteilt haben, sagt Spyros Lytras, ein Evolutions-Virologe der Universität Glasgow. „Diese Viren rekombinieren so stark, dass verschiedene Teile des Genoms unterschiedliche Evolutionsgeschichten haben“, sagt Eloit.
Auch wenn diese Studie sehr für einen natürlichen zoonotischen Ursprung spricht, bleiben viele Fragen offen: Die Viren aus Laos tragen nicht wie SARS-CoV-2 die Furin-Spaltungsstelle auf dem Spikeprotein, was den Eintritt in die menschliche Zelle fördert. Auch kann nicht erklärt werden, wie es zu den ersten COVID-19-Fällen in Wuhan in Zentralchina kam.
Auch wenn dies als Hinweise für einen Ursprung aus einem Labor gedeutet werden können, gibt es viele Forscher die meinen, dass das Virus einen natürlichen Ursprung hat. So gibt es auch Theorien, dass SARS-CoV-2 mehrmals von Tieren auf Menschen übertragen worden ist. Das Virus könnte demnach auf multiplen Märkten in Wuhan entsprungen sein. Die ursprünglichsten viralen Sequenzen können nämlich in zwei Linien, A und B, unterteilt werden, wobei Abstammungslinie B global dominant wurde und A mehrheitlich in China kursierte. Es ist jedoch nicht ganz klar, wie die Linien A und B miteinander verbunden sind.
Eine weitere Preprint-Studie geht noch ein Schritt weiter und weist darauf hin, dass ein Spillover von SARS-ähnlichen Coronaviren von Fledermäusen häufiger geschieht als bisher angenommen und den Rahmen der zwei SARS-Pandemien deutlich übersteigt. Die Forscher schätzen dabei eine jährliche Übertragung in Süd- und Südostasien auf durchschnittlich 400.000 Menschen.
Wo der genaue Ursprung von SARS-CoV-2 liegt, ist immer noch nicht ganz bekannt. Es gibt einige Theorien und Hinweise, dennoch bleiben viele Fragen offen. Ein natürlicher Ursprung wird jedoch immer wahrscheinlicher. Klar ist, dass es nicht unbedingt die einzige Pandemie sein wird, die uns begegnen wird. Mehr über das Virus und dessen Ursprung zu wissen, kann hilfreich dabei sein, präventiv gegen eine mögliche nächste Pandemie vorzugehen bzw. diese so schnell wie möglich einzudämmen.
Bildquelle: Anna Hoch-Kenney, unsplash