US-Mediziner konnten eine schwer depressive Patientin mittels neuartigem Hirnschrittmacher erfolgreich behandeln. Könnte das die Lösung für behandlungsresistente Depressionen sein?
Die tiefe Hirnstimulation (DBS) war bei der Behandlung von Depressionen bislang nur begrenzt erfolgreich. Das liegt zum Teil daran, dass die meisten Geräte nur eine konstante elektrische Stimulation abgeben können, und das meist nur in einen Bereich des Gehirns. Eine große Herausforderung besteht darin, dass Depressionen bei verschiedenen Menschen unterschiedliche Hirnregionen betreffen können.
US-Mediziner stellten nun in einer Grundsatzstudie, die in Nature erschienen ist, einen neuen Hirnschrittmacher vor. Was ihn so erfolgreich macht, war die Entdeckung eines neuronalen Biomarkers – eines bestimmten Musters von Hirnaktivität, das das Auftreten von Symptomen anzeigt – und die Fähigkeit der Forscher, ihr Gerät so anzupassen, dass es nur reagiert, wenn es dieses Muster erkennt. Das Implantat stimuliert dann einen Bereich des Hirnkreislaufs und schafft so eine bedarfsgerechte, sofortige Therapie, die sowohl auf das Gehirn der Patientin als auch auf den neuronalen Kreislauf, der ihre Krankheit verursacht, zugeschnitten ist.
Bei der Patientin handelt es sich um eine 36-jährige Frau mit einer langjährigen, schweren und behandlungsresistenten depressiven Störung. Sie sprach im Vorfeld auf mehrere Kombinationen von Antidepressiva und Elektrokrampftherapie nicht an.
„Dies ist eine interessante Studie von einer der führenden Gruppen auf diesem Gebiet“, erklärt Vladimir Litvak, Professor für Translationale Neurophysiologie, der nicht an der Studie beteiligt war. „Spannend finde ich, dass die Autoren ein bestimmtes neuronales Aktivitätsmuster in der Amygdala als zuverlässigen Prädiktor sowohl für die Schwere der Symptome als auch für die Wirksamkeit der Stimulation identifiziert haben.“
So gingen die Mediziner vor: Zunächst platzierten sie Elektroden an verschiedenen Stellen im Gehirn der Patienten. In den folgenden Tagen überwachten sie die elektrische Aktivität an diesen Stellen und versuchten, die neuronalen Muster mit den selbstberichteten Depressionssymptomen in Beziehung zu setzen. Sie stellten fest, dass die Gamma-Wellen in der Amygdala ihres Gehirns zu Zeiten, in denen sich ihre Depressionssymptome verschlimmerten, Spitzenwerte erreichten.
Die Amygdala ist Teil des limbischen Systems des Gehirns, und ist an Emotionen, Stimmungsregulierung und Depressionssymptomen beteiligt. Eine Stimulierung dieser Region würde jedoch zu mehr Stress und mehr Depressionssymptomen führen. Stattdessen schlugen die Mediziner vor, dass eine Spitze der Gamma-Welle in der Amygdala ein Indikator für eine beginnende Depression sein könnte. Diese neuronale Signatur könnte dann genutzt werden, um an anderer Stelle im Gehirn eine Stimulation auszulösen, die die Gamma-Oszillationen in der Amygdala dämpft und so eine drohende Depression lindert.
Durch ihre Trial-and-Error-Herangehensweise fanden die Mediziner heraus, dass die Stimulation einer Elektrode in einem Teil ihres Gehirns, dem ventralen Striatum, die Gamma-Wellen in ihrer Amygdala unterdrückte und ihre Symptome tatsächlich linderte.
Anschließend implantierten die Mediziner der Patientin das von der FDA zugelassene NeuroPace RNS-System, das eigentlich zur Behandlung von Epilepsie-Patienten eingesetzt wird, unter die Schädeldecke. Eine einzelne Messleitung des Closed-loop-Stimulators platzierten sie in der Amygdala und die zweite Stimulationsleitung im ventralen Striatum. Wenn die Messleitung das mit Depressionen assoziierte Aktivitätsmuster erkennt, gibt die andere Leitung 6 Sekunden lang eine winzige Stromdosis (1 mA) ab, die die neuronale Aktivität verändert.
Dieser maßgeschneiderte Ansatz linderte die Symptome der Patientin fast sofort und hielt bislang über 15 Monate an. Im Gegensatz dazu kommt es bei Standardmodellen zu vier- bis achtwöchigen Verzögerungen. Für Patienten mit behandlungsresistenter Depression könnte dieses Ergebnis wegweisend sein.
„Wir waren in der Lage, einer Patientin mit Depressionen diese maßgeschneiderte Behandlung zu verabreichen, und ihre Symptome wurden gelindert“, sagte Hauptautorin Katherine Scangos. „Diese Art der personalisierten Therapie war in der Psychiatrie bisher noch nicht möglich.“
Obwohl der Ansatz vielversprechend erscheint, weist das Team darauf hin, dass es sich hier nur um die erste Patientin in der ersten Studie handelt. „Es gibt noch viel zu tun“, sagt Scangos. „Wir müssen untersuchen, wie sich diese Schaltkreise von Patient zu Patient unterscheiden und diese Arbeit mehrfach wiederholen. Und wir müssen sehen, ob sich der Biomarker oder der Gehirnkreislauf einer Person im Laufe der Zeit verändert, wenn die Behandlung fortgesetzt wird.“
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