Bei Patienten mit bipolarer Störung zeigen sich im Laufe der Erkrankung anormale Hirnveränderungen. Ob sich diese Hirnanomalien im zeitlichen Verlauf verändern und von manischen Episoden beeinflusst werden, war bisher unklar.
Die bipolare Störung ist eine psychiatrische Störung, die durch wiederkehrende Episoden von Manie und Depression gekennzeichnet ist. Darüber hinaus geht die Erkrankung mit kortikalen und subkortikalen strukturellen Hirnanomalien einher, was frühere bildgebende Studien zeigen konnten. Der Kortex nimmt mit zunehmendem Alter auf natürliche Weise ab. Im Vergleich zwischen gesunden Menschen und Patienten mit bipolaren Störungen zeigt sich jedoch eine beschleunigte kortikale Ausdünnung.
Die meisten bisherigen Neuroimaging-Studien zur bipolaren Störung waren Querschnittsstudien und wurden nur in kleinen Stichproben durchgeführt, wodurch die Veränderungen des Gehirns im Laufe der Zeit nicht untersucht werden konnten. Deswegen war bisher unklar, ob sich diese Hirnanomalien im zeitlichen Verlauf progressiv verändern und inwiefern dies mit manischen Episoden zusammenhängt.
In einer Längsschnittstudie wurden nun MRT-Daten von 14 Forschungszentren weltweit gesammelt, um strukturelle Hirnanomalien über einen Zeitraum von bis zu neun Jahren zu untersuchen. An der Studie nahmen insgesamt 1.232 Personen teil, darunter 307 Patienten mit bipolarer Störung und 925 gesunde Kontrollpersonen.
Die Forscher fanden einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der manischen Episoden und dem Ausmaß der kortikalen Gehirnveränderungen, die während des Untersuchungszeitraums auftraten: Eine Zunahme von manischen Episoden hängt mit einer schnelleren Ausdünnung der kortikalen Struktur zusammen. Andererseits zeigten Patienten, die keine Episoden erlebten, entweder keine Veränderungen oder sogar eine Zunahme der Kortikaldicke. Am deutlichsten waren diese Veränderungen im präfrontalen Kortex, der für die Emotionsregulation, Planung, Entscheidungsfindung, Impulskontrolle und andere wichtige kognitive Funktionen von zentraler Bedeutung ist.
Beim Vergleich von Patienten mit bipolarer Störung und Kontrollpersonen unterschieden sich die Veränderungen im Laufe der Zeit signifikant insgesamt in drei Hirnregionen: Die Hirnventrikel, die für den Schutz des Gehirns wichtige Liquorflüssigkeit produzieren, waren bei bipolaren Patienten schneller vergrößert. Demgegenüber zeigte sich eine langsamere Ausdünnung im fusiformen und parahippocampalen Kortex, die beide mit der Erkennung und dem Gedächtnis verbunden sind.
Die abnormen Hirnventrikelvergrößerungen und die Assoziation zwischen kortikaler Ausdünnug und manischen Symptomen deuten darauf hin, dass es sich bei der bipolaren Störung um eine neuroprogressive Störung handeln könnte. Das könnte die „Verschlimmerung der bipolaren Symptome bei einigen Patienten erklären“, sagt der korrespondierende Autor Christoph Abé, Forscher am Department of Clinical Neuroscience, Karolinska Institut in Schweden.
Die Forscher merken an, dass die Feststellung einer langsameren kortikalen Ausdünnung in einigen Hirnregionen von bipolaren Patienten möglicherweise durch sogenannte Bodeneffekte erklärt werden könnte, da Patienten mit bipolarer Störung in der Regel von Anfang an eine geringere kortikale Dicke aufweisen als gesunde Personen.
Eine andere mögliche Erklärung ist, dass dieses Ergebnis strukturelle Verbesserungen aufgrund von Behandlungseffekten widerspiegelt, wie beispielweise neuroprotektive Wirkungen, die auf Lithiummedikamente zurückzuführen sind. Daher spiegeln die in dieser Studie beobachteten Veränderungen des Gehirns nicht unbedingt die Veränderungen wider, die im natürlichen Verlauf der bipolaren Störung auftreten, wenn sie unbehandelt bleibt.
Trotzdem gibt die Studie wichtige Einblicke in den Krankheitsverlauf von bipolarer Störung und unterstreicht die Bedeutung der Manieprävention bei der Behandlung.
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