Ein neues Messgerät zur Zell-Analyse kann knapp 100 Tumorzelllinien und deren Reaktion auf verschiedene Medikamente parallel analysieren und charakterisieren. Die Messung des Vitalzustandes der Tumorzellen erfolgt über den elektrischen Widerstand und Halbleitermessungen.
„Wir können zum Beispiel zeitgleich an 96 Zellproben von einem Tumor die Wirkung von unterschiedlichen Medikamenten testen, aber auch die Wirkung eines Medikaments auf 96 unterschiedliche Tumorzellen“, umreißt Prof. Dr. Andrea Robitzki vom Biomedizinisch-Biotechnologischen Zentrum (BBZ) der Universität Leipzig zwei mögliche Anwendungsmöglichkeiten der neu entwickelten Zellkultur-Apparatur, die den elektrischen Widerstand in den Tumorzellen als Vitalparameter für die Analysen nutzt.
„Die große Flexibilität des Systems erlaubt es natürlich auch, die 96 auf einer Platte angeordneten kleinen Behälter gruppenweise zu bestücken“, berichtet Robitzki weiter. Anhand der Messung des elektrischen Widerstandes der Tumorzellen lässt sich deren Zustand permanent kontrollieren und dokumentieren, wie diese auf die Medikamentengabe reagieren. „Dabei interessiert uns: Wie viele Zellen werden angegriffen, welche Zellen sind eventuell resistent, wann tritt der ‚programmierte Zelltod‘ ein? Wenn diese Fragen beantwortet werden können, sind eventuelle Rückschlüsse darüber möglich, mit welchen Chemotherapeutika, vielleicht auch mit welchen Medikamentenkombinationen die Tumore am besten bekämpft werden können", sagt die Wissenschaftlerin. Durch die Messungen sowohl an 2-D- wie auch an 3-D-Modellen gewinnen die Wissenschaftler einen „elektronischen Fingerabdruck“ der Zellen und deren Reaktion auf die Therapie. Alle Untersuchungen werden an lebenden Zellen durchgeführt. Durch die Zell-Analysen ist es möglich, über längere Zeiträume zu beobachten, wie sich die Therapie auf die Tumorzellen auswirkt. „Mit dem neuen Messsystem können die vitalen Zellen innerhalb weniger Sekunden analysiert werden. Da die Messung die Zellen nicht beeinflusst, ist es nun möglich, über mehrere Tage zu beobachten, wie sich die Behandlung auf die Tumorzellen auswirkt“, erklärt Robitzki. Ein weiteres Feature erweitert die Funktionalität des Systems um eine zusätzliche Dimension: Die Messfelder können mit Halbleiterelektroden bestückt werden. „Da diese durchsichtig sind, kann nicht nur elektrisch gemessen, sondern auch optisch überprüft werden, wie sich die Zellen verhalten.“ So können verschiedene Nachweismethoden parallel betrieben werden.
Doch noch sind zahlreiche Hürden zu nehmen. „Wir wissen derzeit noch nicht, ob sich der Tumor im Organismus tatsächlich so verhält, wie seine Zellen in der Analyse“, gibt Robitzki zu bedenken. Dennoch könnte das System den Weg in die „personalisierte Medizin“ erleichtern. „Möglicherweise kann zum Beispiel auf eine Breitband-Gabe von Medikamenten verzichtet werden, weil bereits außerhalb des Körpers gezeigt werden kann, wie die Tumorzellen auf ganz bestimmte Arzneimittel reagieren.“ Dadurch könnten auch unerwünschte Nebenwirkungen von Chemotherapien auf ein Mindestmaß reduziert werden. „Wir lernen durch die Untersuchungen sehr viel über das Verhalten von Tumorzellen“, sagt Robitzki. Nachgewiesen werden kann zum Beispiel, wie sich Tochtergeschwülste vom Ursprungstumor unterscheiden, wie sich sehr aggressive Tumore von weniger aggressiven unterscheiden, wann möglicherweise ein chemotherapiesensitiver Tumor chemotherapieresistent wird. Untersuchungen wurden dabei nicht nur an Zellen von Hirntumoren gemacht, auch das Melanom wurde in Kooperation mit der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Dermatologie des Universitätsklinikum Leipzig detailliert analysiert. Originalpublikation: A novel 96-well- multielectrode array based impedimetric monitoring platform for comparative drug efficacy analysis on 2D and 3D brain tumor cultures Andrea A. Robitzki et al.; Biosensors and Bioelectronics, doi: 10.1016/j.bios.2014.09.049; 2015