Erstmals wurde eine gentechnisch veränderte Schweineniere an den Blutkreislauf einer hirntoten Frau angeschlossen – ein medizinischer Durchbruch?
Wie aus einer Reportage von USA Today hervorgeht, hat der Transplantationschirurg Robert Montgomery aus den USA in einer Operation eine Schweineniere mit dem Kreislauf einer hirntoten Frau verbunden. Ziel des Experiments sei der Nachweis gewesen, dass die Schweineniere – außerhalb des Körpers über die Beinvenen mit der Hirntoten verbunden – keine unmittelbare Immunattacke auslöst. Nach 54 Stunden wurde das Experiment laut der Zeitung beendet und die lebenserhaltenden Maschinen abgeschaltet. Die Familie der Frau stimmte dem Versuch im Vorfeld zu.
Nach der Transplantation begann die Schweineniere offenbar sofort mit der Urinproduktion. Bei menschlichen Spendernieren könne das mitunter Tage dauern, erklärt Montgomery gegenüber US-amerikanischen Medien. Eine wissenschaftliche Veröffentlichung gibt es bislang nicht über den Fall.
Die US-Firma Revivicor hatte das Spenderschwein eigens für dieses Prozedere gezüchtet. Dem Embryo war das Gen Gal entfernt worden, um den Zucker α-Gal von der Oberfläche der Schweinezellen zu eliminieren. Dieser Zucker kommt nicht auf Primatenzellen vor und kann Allergien auslösen (Fleischallergie).
Unter Experten ist umstritten, ob es sich bei dem Experiment um einen echten medizinischen Durchbruch handelt. Herzchirurg Bruno Reichart, der 1981 die erste Herztransplantation in Deutschland vollführte, schätzt den wissenschaftlichen Wert des Versuchs in den USA als „nicht besonders hoch“ ein. Handwerklich sei das Prozedere einfach und der Erkenntnisgewinn durch die kurze Versuchsdauer gering. So bleibe durch den Anschluss außerhalb des Körpers unklar, ob die Niere auch tatsächlich die für den Organismus so wichtige Filterleistung erbringen könnte.
Nicht nur die akute Abstoßungsreaktion artfremder Organe ist eine entscheidende Barriere für eine klinische Transplantation von Schweineorganen in den Menschen. Es besteht zudem das theoretische Risiko, den Empfänger durch eine Transplantation mit im Erbgut vorhandenen endogenen Schweine-Retroviren zu infizieren (Porcine Endogene Retro Virus, PERV). In dem berichteten Fall wurden diese nicht aus dem Erbgut des gentechnisch veränderten Schweins entfernt. Somit lassen sich auch keine Aussagen zu einer möglichen Übertragung von Schweineviren auf die hirntote Patientin machen. Es gibt bereits einige Biotechfirmen, die versuchen, virenfreie Laborschweine zu züchten, deren Organe als Transplantate infrage kommen.
Das Science Media Center macht zudem darauf aufmerksam, dass das verwendete gentechnisch veränderte Schwein, GALSafe der Firma Revivicor, im Feld der Xenotransplantation nicht mehr State of the Art ist. Von einem echten Wendepunkt könne in diesem Fall keine Rede sein. Der Bericht könnte laut SMC eher als Anzeichen dafür gedeutet werden, dass sich der weltweite Wettlauf um erste ethische vertretbare klinische Xenotransplantationsversuche verschärft. Derzeit publizieren mehrere seriöse Forscherteams zu möglichen regulatorischen Wegen, ersten Indikationen und klinischen Studien für eine Xenotransplantation von soliden Organen in den Menschen.
Dr. Joachim Denner, Leiter der Arbeitsgruppe Virussicherheit der Xenotransplantation am Institut für Virologie an der Freien Universität Berlin, sieht das Experiment positiver: „Wenn auch die Beobachtung der funktionierenden Schweineniere nur 54 Stunden erfolgte, eine Zeit, die viel zu kurz ist, um Aussagen zur immunologischen Abstoßung oder zur möglichen Übertragung von Schweineviren zu treffen, ist dies doch ein weiterer Schritt der Xenotransplantation in die Klinik.“
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