Dendriten spielen eine wichtige Rolle bei der Umwandlung synaptischer Signale in Aktionspotenziale. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse zu ihren Regulationsmechanismen.
Von der Ste20-like-Kinase (SLK) war bereits bekannt, dass sie eine wichtige Rolle bei der Embryonalentwicklung spielt: Sie beeinflusst unter anderem das Wachstum von Zellen und ihre Wanderung im Körper – Prozesse, die auch für die Reifung der Neuronen essentiell sind. „Wir haben daher untersucht, welche Funktion SLK in Nervenzellen übernimmt“, erklärt Prof. Albert Becker vom Institut für Neuropathologie, Universität Bonn.
Die Wissenschaftler hemmten in Neuronen von Mäusen die Produktion des SLK-Proteins. „Zugleich veränderte sich das Aussehen der Nervenzellen“, sagt Anne Quatraccioni. „Die Dendriten […] verzweigten sich weniger stark.“
Die beobachtete Ausdünnung betraf nicht die dicken Hauptäste, sondern ausschließlich die kleinsten Verästelungen. Die Synapsen an diesen kleinen Zweigen sind exzitatorisch: Signale, die dort empfangen werden, wirken erregend. Sie erhöhen also die Wahrscheinlichkeit, dass die Nervenzelle ihrerseits ein elektrisches Signal erzeugt.
Wenn es weniger Seitenzweige gibt, konzentrieren sich die Synapsen auf eine geringere Fläche – dadurch würde ihre Dichte zunehmen. Normalerweise führt das dazu, dass ihr Einfluss größer wird; die Nervenzelle lässt sich also leichter erregen. „Erstaunlicherweise konnten wir aber keine erhöhte Dichte der exzitatorischen Synapsen feststellen“, betont Quatraccioni. „Dennoch waren die betroffenen Neuronen erregbarer. Das musste jedoch andere Gründe haben.“
Die Ursache ist nicht in den feinen Verästelungen zu finden, sondern in den dicken Hauptzweigen. Auch dort sitzen zahlreiche Synapsen, allerdings ein anderer Typ: Sie wirken inhibitorisch. „Die Mäuse bildeten zunächst eine normale Menge dieser inhibitorischen Synapsen“, erklärt Quatraccioni. „Nach einigen Lebenstagen begann ihre Dichte jedoch abzunehmen. Dieser Verlust schritt immer weiter voran.“
SLK scheint also wichtig zu sein, um die normale Menge inhibitorischer Synapsen aufrechtzuerhalten. Ohne die Kinase lassen sich die betroffenen Nervenzellen mit der Zeit immer schlechter hemmen. Dazu passt, dass die Forscher in Hirngewebe von Epilepsiekranken einen SLK-Mangel in Nervenzellen nachweisen konnten. Bei epileptischen Anfällen kommt es zu einer Übererregung ganzer Hirnareale.
Die Ergebnisse könnten erklären, warum bei manchen Erkrankten die Wirkung der Medikamente mit der Zeit nachlässt. „Vielleicht rührt dieser Effekt nicht von einer Resistenz gegen die Wirkstoffe, sondern von dem fortschreitenden Verlust der hemmenden Synapsen“, sagt Prof. Susanne Schoch McGovern. Die Ergebnisse liefern also neue Einblicke in die Krankheitsentstehung.
Sie könnten zudem auch therapeutische Relevanz haben. „Oft versuchen wir, die Übererregung der Nervenzellen durch Medikamente zu verhindern, die die inhibitorischen Synapsen stimulieren“, erklärt Schoch McGovern. „Bei einem SLK-Mangel könnte das die falsche Strategie sein: Dort gibt es irgendwann nur noch so wenige inhibitorische Synapsen, dass das nicht mehr funktioniert. Erfolgversprechender ist es bei diesen Patienten vermutlich, auf der exzitatorischen Seite einzugreifen, also die erregenden Synapsen zu hemmen.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Die Originalpublikation findet ihr hier.
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