In fast allen Neuroblastom-Patientenproben wurde das krankheitsrelevante Gen IGF2BP1 nachgewiesen, das die Expression des aggressiven MYCN-Proteins in den Tumoren verstärkt. Die Entdeckung könnte Erkenntnisse für die Behandlung von Neuroblastomen liefern.
Neuroblastom, eine Tumorerkrankung des Nervensystems, tritt ausschließlich bei Kindern auf und gilt bisher im fortgeschrittenen Stadium als unheilbar. Die Krankheit ist für etwa 15 Prozent aller Krebstodesfälle im Kindesalter verantwortlich. Obwohl seit mehr als 20 Jahren bekannt ist, dass ein Teil des Chromosoms 17 bei einem Neuroblastom vervielfältigt vorliegt, konnten Wissenschaftler die krankheitsrelevanten Gene nicht identifizieren. Forscher des Instituts für Molekulare Medizin fanden nun heraus, dass die massiv erhöhte Expression des IGF2BP1-Gens in den aggressiven Formen des Neuroblastoms mit einer drastisch erhöhten Sterberate korreliert. Der IGF2BP1-Forscher und Leiter der Studie, Professor Dr. Stefan Hüttelmaier, war überrascht, dass IGF2BP1 in fast allen Patientenproben der fortgeschrittenen Neuroblastom-Stadien so massiv vorhanden war: „In der Regel findet man IGF2BP1 nur in einigen wenigen aggressiven Tumoren anderer Krebsarten wie Lungen-, Brust- oder Dickdarmkarzinom, im Neuroblastom hingegen konnten wir das Protein in fast allen Tumoren nachweisen.“
Nach dem erfolgreichen Nachweis von IGF2BP1 im Neuroblastom galt es anschließend den Grund hierfür herauszufinden. Das Protein moduliert die Expression verschiedener an der Krebsentstehung beteiligter Faktoren und ist dadurch ein Schlüsselfaktor in verschiedenen Tumorerkrankungen. Die Arbeiten zeigten erstmalig, dass IGF2BP1 die Expression von MYCN steigert, welches seinerseits eines der aggressivsten Proteine in Neuroblastomen darstellt. Interessanterweise wurde im Labor beobachtet, dass Neuroblastomzellen in Kultur mit erhöhter IGF2BP1 Expression die chemotherapeutische Behandlung deutlich besser als Vergleichskulturen überleben. Dies deutet darauf hin, dass IGF2BP1 zu einer Chemotherapeutika-Resistenz beitragen kann, und bietet eine Erklärung, warum Chemotherapien bei Neuroblastompatienten oftmals wirkungslos verlaufen. Eine interessante Eigenschaft von IGF2BP1 ist, dass es nicht im adulten Gewebe vorkommt. Normalerweise ist IGF2BP1 während der Embryonalentwicklung aktiv und wird nach der Geburt ausgeschaltet. Warum IGF2BP1 in Neuroblastomen und bei anderen Krebsarten vorkommt, wird von Wissenschaftlern weltweit untersucht. Es hat den Anschein, dass IGF2BP1 von embryonalen und Krebszellen in ähnlicher Weise verwendet wird, z. B. für schnelles Zellwachstum und zelluläre Fortbewegung. Da IGF2BP1 in normalen Körperzellen nicht vorkommt, stellt es ein ebenso ideales wie dringend benötigtes Ziel zur Behandlung des Neuroblastoms und anderer aggressiver Krebsarten dar. Herkömmliche Chemotherapien führen oft zu Nebenwirkungen, welche lebenslange gesundheitliche Schäden bei Kindern verursachen. Forschungsergebnisse wie diese helfen bei der Entdeckung neuer Behandlungsmethoden und werden speziell für Kinder entwickelt, denn es ist wichtig nicht nur den Krebs zu besiegen, sondern den Kindern eine hohe Lebensqualität zu bieten. Originalpublikation: IGF2BP1 Harbors Prognostic Significance by Gene Gain and Diverse Expression in NeuroblastomaStefan Hüttelmaier et al.; Journal of Clinical Oncology, doi: 10.1200/JCO.2014.55.9880; 2015