Krankenhauskeime wie Klebsiella pneumoniae sind gefürchtet. Jetzt wurden Bakterienstämme identifiziert, die solche Erreger gezielt verdrängen – und sich positiv auf das Mikrobiom nach einer Antibiotikatherapie auswirken.
Hunderte verschiedener Bakterien tummeln sich im Darm eines gesunden Menschen und schützen effizient vor Infektionen. Wird jedoch das Gleichgewicht dieser als Mikrobiota bezeichneten Gemeinschaft gestört, beispielsweise durch eine Antibiotikatherapie, können Krankheitserreger wie Salmonellen oder multiresistente Krankenhauskeime wie Klebsiella pneumoniae die Oberhand gewinnen – mit zum Teil schweren Folgen für die Betroffenen.
DZIF-Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und am Max von Pettenkofer-Institut der LMU München haben aktuell in zwei unabhängigen Studien Bakterienstämme identifiziert, die eine besondere Rolle spielen. Über ihre Ergebnisse (hier geht's zu Studie 1 und Studie 2) berichten sie in Cell Host & Microbe.
Breitband-Antibiotika zerstören nicht nur die Krankheitserreger, sondern gleich auch noch die „guten“ Bakterien im Darm mit. Diese nehmen sonst die wichtigsten Nischen ein und helfen, Krankheitserregern den Zutritt zu verweigern .
Dieser Schutzmechanismus wird als Kolonisierungsresistenz bezeichnet. Doch welche Bakterienarten sind „gut“ bzw. kommensal? Und wie können sie vor Kolonisierung schützen? Prof. Dr. Till Strowig, HZI, und Prof. Dr. Bärbel Stecher, LMU München, haben sich dieser Fragen angenommen.
Einer der gefürchteten Krankenhauskeime ist Klebsiella pneumoniae, da er bei geschwächten Patienten schwere Pneumonien, Harnwegsinfekte oder sogar Sepsis auslösen kann. Er ist zunehmend resistent gegen gängige Antibiotika und kann weitere Infektionen begünstigen.
Die Abteilung um Till Strowig am HZI konnte mit Partnern in Magdeburg und Hannover Stämme eines verwandten Bakteriums aus dem Darm isolieren, die hochwirksam gegen K. pneumoniae sind. Diese als Klebsiella oxytoca identifizierte Art nutzt die gleichen Zucker wie der Krankheitserreger, allerdings so effizient, dass dem Krankheitserreger zu wenig zum Überleben bleibt.
„K. oxytoca kann multiresistente K. pneumoniae-Bakterien gezielt verdrängen, da es die vom Krankenhauskeim zu besetzende Nische effektiv blockiert“, erklärt Strowig. Die Wissenschaftler konnten außerdem im Mausmodell zeigen, dass diese Bakterien dabei helfen, dass sich die Bakterienzusammensetzung im Darm nach einer Antibiotikatherapie schneller regeneriert und der Schutz vor Infektionen wieder hergestellt wird.
„Wir wollten zunächst herausfinden, wie anfällig gesunde Erwachsene und Kinder für eine Besiedelung mit multiresistenten K. pneumoniae-Bakterien sind“, erklärt die Erstautorin Lisa Osbelt den Studienansatz. Dafür haben die Wissenschaftler Stuhlproben von 100 gesunden Personen genommen und mit dem Keim über Nacht inkubiert.
Am nächsten Tag wurde das Wachstum der Bakterien gemessen. Dabei zeigte sich in der Besiedelung eine große Variabilität je nach individueller Mikrobengemeinschaft im Darm. In einem weiteren Schritt untersuchte die Gruppe dann die Proben, in denen der Keim schlecht gewachsen war, und hier konnte immer wieder K. oxytoca identifiziert werden.
In unterschiedlichen Mausmodellen testeten Forscher anschließend das Verhalten der beiden Bakterien und es zeigte sich, dass die Zugabe von K. oxytoca die Anfälligkeit gegen den Krankenhauskeim deutlich verringern kann. Wurden keimfreie Mäuse mit unterschiedlichen Gruppen von Bakterien besiedelt (insgesamt 12 Bakterienarten), zeigten drei weitere Arten ebenfalls eine schützende Wirkung.
Eines der bekanntesten Bakterien im menschlichen Darm ist Escherichia coli, kurz E. coli. Häufig gerät es als „böses“ Bakterium in die Schlagzeilen, da es als Anzeiger für fäkale Verunreinigungen des Trinkwassers gilt und bestimmte Varianten Infektionen auslösen können. Doch das Bakterium hat viele unterschiedliche Stämme und es gibt neben den pathogenen Varianten auch kommensale Vertreter.
Über die Rolle dieser für die menschliche Gesundheit ist bisher allerdings wenig bekannt. Bärbel Stecher und ihr Team am Max-von Pettenkofer-Institut der LMU München haben bereits vor einiger Zeit herausgefunden, dass kommensale E.coli gegen eine Salmonelleninfektion schützen. Auch hier ist es ihr Zuckerverbrauch, der die Salmonellen in die Schranken weist, indem er ihnen Nahrung entzieht.
In der aktuellen Studie konnten die Forscher zeigen, dass diese Schutzwirkung von E. coli auch vom mikrobiellen Umfeld im Darm abhängt. Das heißt, es kommt darauf an, welche Mikroorganismen noch vorhanden sind, ob sich E. coli also in guter Gesellschaft befindet.
„Wenn in unserem Modell Lachnospiraceaen vorhanden sind, die auch einfache Zucker verstoffwechseln können, kann E. coli schützen - sonst nicht“, erklärt Stecher. Und fügt hinzu: „Insgesamt verstehen wir nun besser, warum möglicherweise auch Probiotika bei manchen Menschen gut helfen, bei anderen aber nicht. Grund hierfür ist das mikrobielle Umfeld, welches von Mensch zu Mensch stark variiert.“
Hunderte von Bakterien und anderen Mikroorganismen der Mikrobiota auf ihre Wirkungen zu untersuchen, ist schon bei Mäusen ein unglaublich komplexes Unterfangen. Mit ihrem in München entwickelten Mausmodell können die Wissenschaftler die Besiedelung und den Einfluss von Erregern gezielt untersuchen.
Ein synthetischer Cocktail aus 12 Bakterienarten besiedelt keimfreie Mäuse stabil über mehrere Generationen und bildet eine für Mäuse repräsentative Darmflora. Sowohl die Studien zu Klebsiella als auch zu E. coli nutzen dieses Modell, um sich an die Wechselwirkungen in der Darmflora heranzutasten. Doch schon in der Maus wird deutlich, wie komplex die Zusammenhänge sind. Die Studien der Mikrobiota-Forscher machen jedoch Hoffnung, denn sie zeigen einmal mehr, dass man den Vorgängen im Darm im Detail auf der Spur ist.
„Der Einsatz von lebenden Bakterien, sog. Probiotika, für die Behandlung von Patienten mit einer vorliegenden Besiedelung und als präventive Gabe nach Antibiotika-Therapie ist generell denkbar“, so Till Strowig. Und Bärbel Stecher fügt hinzu: „Bei dem Design solcher Bakteriencocktails spielt die Verwertung eines breiten Zuckerspektrums eine große Rolle und ein schützender Cocktail muss immer mehr als ein Bakterium enthalten.“
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung. Die beiden Originalpublikation sind hier und hier zu finden.
Bildquelle: Bia Andrade, unsplash