Viele beliebte Tattoo-Farben enthalten gesundheitlich bedenkliche Pigmente. Ab Januar 2022 dürfen sie daher weder verkauft noch genutzt werden – das Aus für bunte Körperbilder?
Mindestens 12 % der Menschen in Europa und 20 % der deutschen Bevölkerung haben mittlerweile ein Tattoo. In der Theorie ist das Tätowieren denkbar simpel: Die Haut wird mit Hilfe einer Nadel punktiert, wobei gleichzeitig ein Farbmittel eingebracht wird. Tattoo-Künstler injizieren die Farbstoffe als Suspension, in der Regel mit Tätowiermaschinen. Praktisch ist der Prozess nicht ganz so einfach. Damit das Tattoo wie gewünscht aussieht, nicht im Gewebe ausläuft und die Haut auch im Alter noch schmückt, muss die Farbe in der Dermis landen und dort von Fibroblasten aufgenommen werden.
Im Schnitt gelangen dabei 2.5 mg/cm2 Farblösung in der Haut. Und auch wenn Tätowierer hygienisch arbeiten und die richtige Hautschicht treffen, verteilt sich die Farbe im Körper. Ein gewisser Anteil des injizierten Farbstoffs gelangt dabei ins Lymph- oder Blutgefäßsystem. Besonders wichtig ist daher, dass die Farblösungen keine schädlichen Inhaltstoffe enthalten.
Farbige Tattoolösungen bestehen heutzutage hauptsächlich aus organischen Pigmenten wie Azopigmenten oder polyzyklischen Pigmenten aus der Chemieindustrie. Diese Pigmente weisen zwei Eigenschaften auf, die für die Verwendung in Tätowierungen ideal sind: Sie sind farbintensiv und im Gewebe unlöslich. Die Pigmente werden unterteilt in Monoazo (grünlich bis mittelgelb, rötlich-gelb bis orange), Dis-Azo (grünlich, rötlich bis orangerot), ß-Naphtol (orange bis mittel rot), und Naphtol AS (mittelrot bis violett).
Einer aktuellen Studie zufolge verstießen 93 % der 73 analysierten Tätowier-Tinten gegen die europäischen Kennzeichnungsvorschriften. 61 % der Farben enthielten bedenkliche Pigmente, Eisen, Aluminium, Titan und Kupfer (vor allem in grünen und blauen Tinten).
Obwohl Tattoos so beliebt sind, bleibt die wissenschaftliche Datenlage dünn. Da die Tinten in ihrer Zusammensetzung sehr unterschiedlich sind und häufig Nebenprodukte und Verunreinigungen aufweisen, können Experten keine pauschalen Aussagen zu gesundheitlichen Bedenken machen.
Allerdings können Studien zufolge die Abbauprodukte organischer Farbmittel – wie aromatische Amine, Konservierungsmittel oder Schwermetalle – kanzerogen wirken. Infektionen (HIV, Hepatitis B, bakterielle Wundinfektionen), allergische Hautreaktionen, Narben und schwere Hautschädigungen gehören ebenfalls zu den häufigen Risiken. Neben diesen lokalen Reaktionen kann die Farbmischung aber auch systemische Folgen für den Körper haben und sich, neben der Haut, noch auf andere Organe auswirken.
Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) macht es sich jetzt zur Aufgabe, über schädliche Chemikalien in Tattoo-Tinten aufzuklären und eine bessere Regulierung dieser Stoffe zu sichern.
Durch eine ab Januar 2022 in Kraft tretende Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) werden tausende gefährliche Chemikalien, die in Tätowierfarben enthalten sind, verboten. Die REACH-Verordnung soll verhindern, dass Tätowierer potenziell schädliche Chemikalien nutzten. In der Praxis betrifft diese Einschränkung über 4.000 Inhaltsstoffe, darunter Tinten, die Azofarbstoffe, aromatische Amine, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und Metalle enthalten.
Nahezu jede Farbe, die die Haut vieler Menschen schmückt, ist damit bald gesetzeswidrig; es fallen rund 66 % aller Tattoo-Farben weg. An neuen Suspensionen wird bereits gearbeitet, doch es ist nicht einfach, für jede Farbe eine neue Formel zu finden. So werden beispielsweise die Pigmente Blue 15:3 und Green 7 vorerst komplett gestrichen – die Industrie hat bisher keine sichere und technisch angemessene Alternative gefunden.
Eine zweijährige Übergangsfrist soll die Verfügbarkeit von grünen und blauen Tätowiertinten in dieser Zeit gewährleisten und den Tintenherstellern ermöglichen, bessere Alternativen zu finden. Sollten die Farben danach nicht den Vorschriften entsprechend produziert werden, könnte es das Ende für blaue und grüne Tattoo-Designs bedeuten. Die ECHA schätzt, dass es die Industrie ca. 4,6 Milliarden Euro kosten wird, die alten Farbstoffe mit neuen Farben zu ersetzen. Tätowierer üben daran Kritik: Sie fürchten, auf den bereits gekauften Tinten sitzenzubleiben. Die alternativen Farben müssten sich zudem erst in Hinblick auf Halt- und Anwendbarkeit bewähren.
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