Beagle haben die meisten, Chihuahuas die wenigsten: Die Rede ist von Tumoren. Das ergab eine Analyse, die beim aktuellen bpt-Kongress vorgestellt wurde. Die DocCheck News waren für euch dabei.
Auch auf dem diesjährigen digitalen bpt-Kongress gab es für Tierärzte wieder spannende Vorträge, die vom Bildschirm aus verfolgt werden konnten. DocCheck hat sich für euch unter das virtuelle Publikum gemischt.
Im Kleintierbereich stellte Dr. Heike Aupperle-Lellbach die Ergebnisse zweier großer Studien im Bereich der Onkologie vor. Sie hat sich zusammen mit ihren Kollegen die Rassedispositionen von Tumorerkrankungen bei Hunden in Deutschland angeschaut. Durchgeführt wurden die Studien von Mitarbeitern des veterinärmedizinischen Fachlabors LABOKLIN zusammen mit den Instituten für Tierökologie und Tropenbiologie sowie der Bioinformatik der Universität Würzburg.
Ein Krebsregister, wie es im humanmedizinischen Bereich in Deutschland existiert, gibt es bisher für Tierärzte nicht. Die internationale Initiative GIVCS (Global Initiative for Veterinary Cancer Surveillance) hat sich jetzt zum Ziel gesetzt, ein weltweites Register für die Veterinärmedizin aufzubauen. Bisher gibt es solche Tumorstatistiken nur vereinzelt von histopathologischen Diensten oder über Tierkrankenversicherungen. Die dort erfassten Daten sind aber oft nicht einheitlich und repräsentativ. Oft werden Tumoren aus Kostengründen nicht zur histopathologischen Untersuchung eingesandt – eine zytologische Diagnostik oder chirurgische Exzision muss dann reichen.
Um die Tumorhäufigkeiten der in Deutschland lebenden Hunde systematisch zu erfassen, haben die Tierärzte im Rahmen des großen interdisziplinären Forschungsprojektes FORTiTHER („FORschungsverbund Tumordiagnostik für individualisierte THERapie“) erstmals eine Art Krebsregister für die Tiermedizin erstellt. Ziel des Projektes ist es, ein Exzellenz-Cluster für die Erforschung von Diagnostika und Therapeutika der Präzisions-Onkologie aufzubauen.
Die Wissenschaftler führten statistische Analysen der Datensätze aus der Pathologie von LABOKLIN durch und untersuchten sie hinsichtlich der Rassedispositionen für Tumorerkrankungen der Hunde. Im Testzeitraum von 2014 bis 2019 analysierten die Autoren 110.000 Proben aus Deutschland mit erfasster Rasse und eindeutiger Tumordiagnose. Sie codierten die Daten analog zur Humanmedizin, führten datenstatistische Analysen durch und adjustierten die Datensätze hinsichtlich Geschlecht, Alter und Kastrationszustand. Als Referenz diente der Mischling.
Von den eingesendeten Proben handelte es sich bei 62 % um Tumoren. In 8 % der Fälle lagen sogenannte Tumor-like lesions vor (Polypen, Epuliden und Dysplasien) und bei 30 % der Proben handelte es sich nicht um Tumoren. Insgesamt wurden die meisten Proben aus Mischlingen eingeschickt (32.799 Proben), gefolgt von Proben der Rasse Labrador Retriever (7.561), Golden Retriever (4.009), Jack Russel Terrier (3.642) und der Französischen Bulldogge (3.113). Die Verteilung entspricht hier in etwa der Verteilung von Hunderassen in Deutschland. Keinen Unterschied gab es bei der Geschlechtsverteilung und, wie erwartet, stammten die Proben ohne Tumoren eher von jüngeren Hunden und die Proben mit Tumoren eher von älteren.
Bei der Verteilung der Rassen fiel auf, dass sich Mischlinge im guten Mittelfeld befanden, also weder weniger noch mehr Tumoren als Rassehunde aufwiesen. Die meisten Tumoren wurden beim Beagle gefunden: Bei 70 % des eingesendeten Materials wurden sie diagnostiziert. Das Schlusslicht bildet der Chihuahua, bei dem nur knapp über 50 % der Proben Tumoren enthielten.
Die benignen Tumore waren am häufigsten benigne Mammatumoren, aber auch Haut- und Haarfollikeltumoren, Histiozytome und Lipome. Bei den (potenziell) malignen Tumoren lagen die malignen Mammatumoren auf Platz 1, gefolgt von den Mastzelltumoren, Weichteilsarkomen und melanozytären Tumoren. Tumoren verschiedener Dignitäten waren häufig Hodentumoren, Zehentumoren, odontogene Tumoren und Ovartumoren.
Beim Mischling war der Mammatumor mit 26 % die am häufigsten vertretene Tumorart, gefolgt von Mastzelltumoren (10 %), Haut- und Haarflliketumoren (9 %), Weichteilsarkomen (9 %) und Lipomen (8 %). Das Mittelfeld bildeten Histiozytome (7%), Talgdrüsentumoren (5 %), Perianaldrüsentumoren (4%) und Hodentumoren (3%). Hämangiome, Melanome, Plasmazelltumoren, Papillome und Lymphome bildeten mit einer Diagnoserate von 2 % das Schlusslicht.
Bei den Rassen traten die bei Tierärzten bereits bekannten Häufungen auf. So hatten Riesenschnauzer mit 23 % die meisten Plattenepitelkarzinome, aber auch melanozytäre Tumoren waren nicht selten (Melanome 9 %, Melanozytome 7 %).
Was jedoch auffiel: Die Größe der Tiere schien einen Unterschied zu machen. So hatten Mittelschnauzer kaum maligne Melanome, dafür lagen Plattenepithelkarzinome hier bei 31 %. Vom Zwergschnauzer hingegen wurden keine Plattenepithelkarzinome erfasst, dafür ein deutlich höherer Anteil an Mammatumoren (22%). Das Risiko für Melanome und Plattenepithelkarzinome scheint offenbar nicht nur von der Fellfarbe und der Tumorstelle, sondern auch von der Größenvariante der Rasse abhängig zu sein. Wieso die Körpergröße solch einen Einfluss auf die Tumorprädisposition der Rassen hat, muss weitere Forschung zeigen.
In einer zweiten Analyse konzentrierten sich die Wissenschaftler auf Tumoren der Zehen, die beim Hund oft invasiv wachsen. Bei den 2.912 Einsendungen lag die Tumorrate bei 52 %. Die häufigsten Diagnosen waren entzündliche Veränderungen und Plattenepithelkarzinome. Bei 80 % der Tumoren der Zehe handelte es sich um ein malignes Geschehen.
Hier lagen die Mischlinge wieder im Mittelfeld: Die Chance, dass es sich bei Umfangsvermehrungen der Zehe um einen Tumor handelte, lag bei rund 50 %. Bei den Schnauzern waren 90 % der Proben tumorös. Beim Rhodesian Ridgeback wurden mit 13 % der Proben nur wenige Tumoren diagnostiziert. Bei der Dignität von Umfangsvermehrungen der Zehen scheint es also ebenfalls erhebliche Rasseunterschiede zu geben. Ein besonders hohes Risiko (signifikante Rassedisposition) ergab sich für Schnauzer, Rottweiler, Setter und den Dobermann.
Weitere Erkenntnisse der Forscher: Nicht nur konnten sie bei schwarzen Hunderassen (Riesenschnauzer, Gordon Setter, Briard, Pudel) eine Disposition für akrale Plattenepithelkarzinome feststellen. Bei Hunderassen mit hellen Pfoten (Basset, Boxer, Collie, Beagle) scheint hier eine negative Korrelation vorzuliegen. Das Fazit der Autoren: Die Fellfarbe hat offenbar einen signifikanten Einfluss auf die Intensität des invasiven Wachstums vom digitalen Plattenepithelkarzinom beim Hund.
Die Ergebnisse der Studien spiegeln die Erfahrungen der meisten Tierärzte in der Praxis wieder – und doch handelt es sich um die ersten systematischen und in diesem Umfang (260 Rassen, 51 verschiedene Tumoren) durchgeführten Analysen, die es für die aktuelle Hundepopulation in Deutschland gibt. Im weitere Verlauf wollen die Forscher genetische Analysen zur Identifikation möglicher genetischer Signaturen durchführen, um in Zukunft diagnostische Testverfahren etablieren zu können.
Die Ergebnisse zu den Tumoren der Zehen haben wir euch hier und im Text verlinkt. Die Publikation der übrigen Ergebnisse steht noch aus.
Bildquelle: Evy Prentice, unsplash