Etablierte Therapien gegen schwarzen Hautkrebs zeigen mitunter nicht den gewünschten Behandlungserfolg. Auf Basis des in Muttermilch vorkommenden Lactoferricin könnten künftig neue, zielgerichtete Therapien entwickelt werden.
Trotz großer Fortschritte in der Krebstherapie fehlen gerade für besonders aggressive, Metastasen bildende Tumorerkrankungen zuverlässige Therapien. „Ein Hauptgrund dafür ist, dass die vorhandenen Medikamente auch gesunde Zellen angreifen und daher starke Nebenwirkungen haben“, erklärt Ass.-Prof. Dr. Dagmar Zweytick aus dem Bereich Biophysik am Institut für Molekulare Biowissenschaften der Uni Graz. Mit ihrer Arbeitsgruppe hat die Forscherin nun einen Wirkmechanismus entdeckt, der es erlaubt, ganz gezielt Tumorzellen anzugreifen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei Lactoferricin, das in der Muttermilch vorkommt. Lactoferricin ist ein Molekül der angeborenen Immunabwehr und hat eine zusätzliche Eigenschaft, die im Einsatz gegen Tumorzellen zum Tragen kommt: Es ist ein positiv geladenes Peptid und wird deshalb von den negativ geladenen Lipiden, die sich an der Außenseite von Krebszellen befinden, angezogen. „Wir konnten zeigen, dass das negativ geladene Lipid Phosphatidylserin (PS) ein universeller Krebsmarker an der Oberfläche von Tumorzellen und deren Metastasen ist, der als Angriffspunkt für Anti-Krebs-Wirkstoffe genutzt werden kann“, berichtet Dagmar Zweytick. Damit haben die Wissenschaftler den Grundstein für eine neuartige Krebstherapie gelegt. Ausgangsstoff ist Lactoferricin, das jedoch in seiner natürlichen Form nicht effektiv genug ist. „Wir modifizieren das Peptid, indem wir einzelne Aminosäuren austauschen, um die selektive Wirkung zu erhöhen“, erläutert Projektmitarbeiterin Dr. Sabrina Riedl. Anschließend werden Eigenschaften und Wirksamkeit der einzelnen Varianten untersucht. Mit dem Antitumor-Peptid behandelte Hautkrebszellen: Auf Bläschenbildung folgen starke Membranschädigungen und Zelltod (rot). © Foto: Uni Graz/Sabrina Riedl
Die bisherigen Ergebnisse sind erfolgversprechend: In ihrer jüngsten Publikation im internationalen Fachjournal „BioMetal“ konnten die Forscher erstmals für die von ihnen entwickelten Peptid-Derivate hohe spezifische Aktivität für eine Melanom-Zelllinie und Melanom-Metastasen aufzeigen sowie einen eindeutigen Beweis für die Interaktion der Peptide mit dem Krebsmarker PS liefern. „Die Lactoferricin-Derivate weisen gegenüber dem Ausgangspeptid aus der Muttermilch eine über zehnfache Toxizität für Hautkrebszellen auf, während sie gesunden Zellen genauso wenig schaden wie Lactoferricin“, berichtet Zweytick. Das Antitumor-Peptid (blau) nimmt an der Krebszellmembran eine Haarnadel-Struktur ein, wird dann in die Zelle aufgenommen, interagiert mit Mitochondrien (grün) und löst den Tod der Zelle aus. © Uni Graz/Sabrina Riedl Darüber hinaus wurde bewiesen, dass die Struktur der modifizierten Protein-Moleküle eine wesentliche Rolle spielt: „Peptide mit einer Helix-Struktur wirken sehr stark, aber unspezifisch. Sie töten Krebszellen innerhalb von 15 Minuten, weisen jedoch auch eine relativ hohe Toxizität für gesunde Zellen auf“, erklärt Zweytick. Peptide mit einer Haarnadel-Struktur brauchen zwar länger, sind dafür aber hoch selektiv. „Sie lösen den natürlichen Zelltod, die Apoptose, aus. Die Zellen sterben innerhalb von acht Stunden“, so die Forscherin. Neben der Aktivität gegen Melanome konnten die Grazer Wissenschaftler auch eine hohe Wirksamkeit der entwickelten Abwehr-Peptide gegen das Glioblastom, einen schwer therapierbaren Gehirntumor, sowie gegen Rhabdomyosarkome, einen bösartigen Weichteilkrebs, im Zellversuch nachweisen. Die Antitumor-Peptide wurden international zum Patent angemeldet. Originalpublikation: Killing of melanoma cells and their metastases by human lactoferricin derivatives requires interaction with the cancer marker phosphatidylserine Dagmar Zweytick et al.; BioMetal 27 (5) (2014) 981-997, doi: 10.1007/s10534-014-9749-0 ; 2014